Wie lässt sich die „Zähigkeit” eines Fluids charakterisieren? Es wurde schon mehrfach angedeutet, dass Zähigkeit etwas mit der inneren Reibung zu tun hat. Bisher wurde die innere Reibung bei Fluiden vernachlässigt. In der Praxis ist dieser Einfluss aber von sehr großer Bedeutung. Und in Anbetracht dessen wird man auf völlig neue Gesetzmäßigkeiten stoßen. Diese innere Reibung hängt mit einem Impulstransport innerhalb einer Flüssigkeit zusammen.
Nehmen wir an, wir haben zwei horizontal übereinander angeordnete Platten mit
einem definierten Abstand. Dazwischen gibt es ein Fluid, welches den Bereich zwischen den beiden
Platten ausfüllt. Es kann sich dabei um eine Flüssigkeit oder ein Gas handeln.
Die untere Platte ist in Ruhe, die obere Platte soll sich seitwärts mit einer gewissen
Geschwindigkeit
Wenn das Fluid ganz reibungsfrei ist, wird es keine Auswirkung auf die obere Platte haben, dass sich ein Fluid dazwischen befindet, weil die Platte an der Flüssigkeit abgleitet. Die Flüssigkeit wird in diesem Fall keine Reibung ausüben.
Wenn es aber innere Reibung gibt, dann werden die einzelnen Flüssigkeitsschichten
aneinander abgleiten und dabei wird Reibung entstehen. Außerdem, und das zeigt die
Erfahrung, wird ein solches Fluid auch an den Grenzflächen haften. Das heißt,
das Fluid wird an der oberen Platte mit einer Geschwindigkeit
Der entscheidende Punkt ist, dass an der oberen Platte mit einer gewissen Kraft
parallel zur unteren gezogen werden muss,
damit die obere Platte sich mit der konstanten Geschwindigkeit
Diese Kraft wird zunächst einmal proportional zur Fläche der beiden Platten
sein. Dann kommt es auch darauf an, wie stark die einzelnen Flüssigkeitsschichten
aneinander abgleiten. Es geht also um den Geschwindigkeitsgradienten mit der
z-Achse
Aber im Allgemeinen lässt sich eine lineare Änderung nicht immer voraussetzen. Beide Ausdrücke sind dennoch je nach Betrachtungsfall angebracht.
Und je näher die Platten bei gleicher Geschwindigkeit zusammen rücken, desto stärker wird der Gradient werden, und desto stärker muss man an der oberen Platte ziehen. Zusätzlich kommt es noch darauf an, um was für ein Fluid es sich dabei handelt. Das wird durch den Parameter der Zähigkeit η beschrieben. Und so kommt man auf die Definition:
η ist die Viskosität oder die Zähigkeit
|| ist der Betrag der Reibungskraft
A ist die Gesamtfläche der Platten
Auf diese Weise kann die Zähigkeit oder Viskosität eines Mediums gemessen werden.
Man könnte sich noch fragen, ob die Zähigkeit vom Material der Platte abhängt? In den allermeisten Fällen ist es so, dass zähe Flüssigkeiten grundsätzlich an der Oberfläche eines Randes komplett haften bleiben, unabhängig davon was für ein Material man wählt. Dementsprechend spielt die chemische Zusammensetzung der Platten keine große Rolle.
Nachfolgend sind einige Zähigkeitswerte in
Glyzerin | 1480 |
Wasser | 1,002 |
Benzol | 0,65 |
Luft | 0,017 |
Wasserstoff | 0,0086 |
Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Temperaturabhängigkeit. Denn die Werte gelten immer nur für eine bestimmte Temperatur. Mit zunehmender Temperatur nimmt die Flüssigkeitszähigkeit ab, weil sich die Moleküle leichter in Bewegung setzen.
Bei Gasen ist es genau umgekehrt. Die Zähigkeit eines Gases nimmt mit höherer Temperatur zu, weil durch die stärkere Bewegung auch ein stärkerer Impulstransport zwischen den Molekülen stattfindet.
Eine weitere Zähigkeit ist die „kinematische Zähigkeit”. Diese bezeichnet man als ν (nu), und das ist nichts anderes als:
Darauf werden wir weiter unten in Verbindung mit der Renolds-Zahl zu sprechen kommen.
Mit Hilfe der Zähigkeit kann man bei einfachen Geometrien die Widerstandskräfte bzw. die Durchsätze ausrechnen. Im Nachfolgenden werden wir einige solcher einfachen Geometrien betrachten. Im ersten Fall geht es um die laminare Strömung durch ein zylindrisches Rohr.
Wenn eine zähe Flüssigkeit durch ein Rohr tritt, dann haftet diese am Rand, und es bildet sich ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil aus, wobei in der Mitte die höchste Geschwindigkeit ist und zum Rand hin die Geschwindigkeiten immer geringer werden. Aufgrund dieses parabolischen Geschwindigkeitsprofils lässt sich der Volumendurchsatz Q ausrechnen. Also wie viel Flüssigkeit pro Zeiteinheit hindurchtritt:
Q ist das Volumen des Fluids pro Zeiteinheit
R ist der Radius des Rohres
Δp ist der Differenzdruck am Eingang/Ausgang des zylindr. Rohres
Dieses Gesetz geht auf Hagen-Poisseulle zurück.
Je größer der Differenzdruck wird, umso mehr steigt der Volumendurchsatz und zwar proportional dazu. Und je größer die Zähigkeit des Fluids ist, desto geringer wird der Volumendurchsatz sein. Um einen größeren Durchsatz zu erreichen, und damit auch eine größere Geschwindigkeit durch dieses Rohr, benötigt man dazu einen größeren Differenzdruck. Oder, je größer der Durchmesser, desto größer der Durchsatz.
Eine andere wichtige Anwendung zäher Fluide ist die Umströmung einer Kugel. Bei der Umströmung einer Kugel hat man ein relativ kompliziertes Strömungsprofil.
Für laminare Strömungen gilt in Näherung:
Das ist das sogenannte Stokes'sche Gesetz.
|R|
ist der Betrag der Reibungskraft
R ist der Kugelradius
v₀ ist die Geschwindigkeit der Kugel relativ zum Fluid
Oft sind die Strömungsvorgänge so kompliziert, dass es gar nicht so einfach ist, sie wirklich konkret zu berechnen. Wir betrachten hier nur einfache Spezialfälle für offensichtliche Geometrien. Möchte man dagegen komplizierte Geometrien betrachten wie zum Beispiel Autos und Schiffe, dann verwendet man oft Windkanäle oder Strömungskanäle. Dort lässt sich die Umströmung von komplizierten Hindernissen experimentell und empirisch ermitteln.
Wegen der Größe der Modelle müssen allerdings gewisse Skalenfaktoren einführt werden. Doch von kleinen Modellen auf die Wirklichkeit zu schließen, ist oft sehr problematisch. Die Werte sind im Allgemeinen nicht übertragbar. Und um das entsprechend untersuchen zu können ist es wichtig, dass man sich dabei auf die wesentlichen Dimensionen konzentriert.
Zunächst vereinfacht man alles in Form einer
Aus diesen Größen lässt sich eine einfache dimensionslose Konstante gestalten. Und wenn der Betrag dieser Konstante sowohl bei dem Original als auch bei dem Modell im Strömungskanal die gleichen Werte hat, kann man davon ausgehen, dass man ähnliche Verhältnisse hat. Diese dimensionslose Konstante nennt man auch die Reynolds-Zahl Re.
Die Reynolds-Zahl beschreibt nicht nur die Ähnlichkeit von Strömungen bei Modellexperimenten, sondern sie hat auch eine andere Funktion. Man kann sie ansehen als das Verhältnis zwischen Trägheitskräften und Reibungskräften. Denn die Massendichte ϱ hat etwas mit der Trägheit des Fluids zu tun.
Je mehr Masse vorhanden ist, desto träger ist das Fluid. Außerdem, je größer die Geschwindigkeit, desto mehr wird die Trägheit dazu führen, dass sich die Strömungslinien nicht mehr am Körper anlegen. Es wird sich womöglich eine turbulente Strömung ausbilden. Somit lässt sich die Reynolds-Zahl ansehen, als das Verhältnis zwischen:
Nehmen die Trägheitskräfte überhand, dann wird es turbulent. Sind dagegen die Reibungskräfte vorherrschend, dann bleibt die Strömung laminar. Das zeigt sich auch in der Realität. Es gilt annähernd:
Man kann also durch Ausrechnen der Reynolds-Zahl leicht herausfinden, ob die
Strömung laminar oder turbulent sein wird. Es gibt allerdings eine
Besonderheit beim zylindrischen Rohr. Dort macht die Trägheit gar nicht so
viel aus, weil die Bewegung nur geradlinig ist. Bei einem zylindrischen Rohr kann man
bis zu einer Reynolds-Zahl
Es gibt eine Reihe von technischen und empirischen Tricks, wie man Strömungen optimieren kann. Auch Mikrostrukturen an Oberflächen führen dazu, dass Flüssigkeiten besser an Oberflächen abgleiten. Das hat sich mittlerweile zu einer eigenen Wissenschaft etabliert, die sich mit diesen Strukturen auseinandersetzt. Man nennt sie die „Bionik”. Durch unterschiedliche Gestaltung im Mikro- und Nanobereich kann man die Strömungen von zähen Medien wesentlich beeinflussen.
Es gibt in der „Hydrodynamik” und „Aerodynamik” eine Vielzahl unterschiedlicher dimensionsloser Zahlen. Und man ist bemüht, die gesamte Hydrodynamik möglichst in dimensionsloser Form darzustellen. Dazu nimmt man nur solche Größen, die bereits von sich aus gar keine Dimension haben. Damit lassen sich allgemeingültigere Gleichungen aufstellen. Das ist eine bewährte Vorgehensweise, um allgemeine Strömungsformen in übersichtlicher Form darstellen zu können. Solche dimensionslosen Zahlen sind immer Verhältniszahlen zwischen unterschiedlicher Terminologie.
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