In der Praxis gibt es eine besonders wichtige Gleichung, die das Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen unter gewissen Bedingungen beschreibt. Und zwar die sogenannte „Bernoulli-Gleichung”.
Um zu dieser Gleichung zu gelangen ist es erforderlich, ein paar idealisierende, also einschränkende Voraussetzungen zu machen. In der Realität ist es kaum möglich, für eine ganz beliebige Strömungsform und ein ganz beliebiges Medium eine allgemein gültige gesetzmäßige Beziehung herzustellen. Meistens benötigt man dazu gewisse Voraussetzungen, damit bestimmte Gesetzmäßigkeiten erfüllt sind und man diese anwenden kann.
Im Fall der Bernoulli-Gleichung gibt es einige solcher Voraussetzungen. Eine Voraussetzung ist, das Fluid muss reibungsfrei sein. Außerdem setzt man voraus, dass das Fluid inkompressibel ist. Und als dritte Voraussetzung, was die Strömungsform betrifft ist, es soll sich um eine stationäre Strömung handeln.
Reibungsfrei bedeutet, dass es innerhalb des Fluids keine Reibung zwischen den verschiedenen aneinander abgleitenden Flüssigkeitsschichten gibt. Es wird also keinen Energieübertrag von mechanischer Energie in thermische Energie geben. Denn bei Reibungsvorgängen entsteht ja immer thermische Energie, und das ist etwas, was dem Energieerhaltungssatz entgegenwirkt. Das heißt, wenn man Reibungskräfte im System berücksichtigen muss, dann sind die wirkenden Kräfte nicht konservativ, und dann gilt der mechanische Energieerhaltungssatz nicht mehr.
Jetzt setzen wir jedoch die Reibungsfreiheit voraus, um den mechanischen Energieerhaltungssatz zu gewährleisten. Allerdings kann man sich gerade in der Hydrodynamik keineswegs nur auf reibungsfreie Fluide beschränken. Doch dazu mehr in einem anderen Kapitel. Diese Gesamtenergieerhaltung hat für die weitere Betrachtung einen großen Vorteil, insbesondere wenn es um das Verhalten der einzelnen Fluidelemente in einer Strömung geht.
Des Weiteren setzen wir voraus, dass die Strömung inkompressibel ist bzw. sich das Fluid nicht nennenswert komprimieren lässt. Das kann auch bei gasförmigen Fluiden der Fall sein, wenn man keine zu großen Geschwindigkeiten zulässt. Wenn also eine Inkompressibilität gegeben ist, dann werden die einzelnen Volumenelemente, die sich durch das Fluid hindurchbewegen, immer ein konstantes Volumen haben.
Wir bezeichnen auch hier wieder dieses Volumen mit dV. Und aus der Stationarität folgt, dass die einzelnen Fluidelemente sich längs der Stromlinien bewegen. Wie wir schon gesehen haben, fällt der Begriff der Stromlinie mit dem Begriff der Bahnkurve eines Fluidelements bei stationären Strömungen zusammen.
Wenn es insbesondere um die Erhaltung der mechanischen Gesamtenergie geht, kommt es darauf an, wie groß die kinetische Energie eines Fluidelements mit dem konstanten Volumen dV sein wird. Und es stellt sich auch die Frage, wie groß wird die potentielle Energie sein, wenn man die Strömung im Feld der Gravitation auf der Erdoberfläche betrachtet? Und letztlich muss man sich fragen, wenn es unterschiedliche Drücke in diesem System gibt, wie groß wird denn die Arbeitszuführung aufgrund des Druckes sein? In der Praxis kommen für solche Anwendungen Pumpen zum Einsatz, die nichts anderes machen, als Druckdifferenzen zu erzeugen. Also ohne Anfangsdruck keine Druckdifferenz.
Wir betrachten jetzt gedanklich einen Ausschnitt einer Strömung, mit einer gewissen
Querschnittsfläche A. Nun soll die Strömung ein
Stück ds weiterfließen. Dann ergibt sich daraus ein
Volumen V. Aus Richtung der Strömung herrscht ein Druck
p. Man kann sich leicht überlegen, was für eine Arbeit
zugeführt werden muss, wenn die Strömung um dieses Stück ds
weiterläuft. Die Kraft auf die Querschnittsfläche ist ja nichts anderes
als
Damit sieht man auch, was der Druck für eine zusätzliche wichtige Bedeutung in der Thermodynamik hat.
In unserem Fall können wir jetzt von der Erhaltung der mechanischen Gesamtenergie
ausgehen, weil keine innere Reibung in dem System wirkt. Wir haben ja vorausgesetzt, dass
das Fluid als weitestgehend reibungsfrei angesehen werden kann. Nun lässt
sich die Energieerhaltung beschreiben, indem man einfach sagt:
Die Arbeitszuführung
plus der kinetischen Energie plus der potentiellen Energie entspricht:
Und das muss letzten Endes konstant bleiben, denn was man an Arbeit zuführt, plus die entsprechenden Energien muss insgesamt wegen der Energieerhaltung eine „Konstante” bleiben.
Und wegen der Inkompressibilität wird sich das Volumen dV im Zuge der ganzen Strömung nicht ändern. Insofern lässt sich dieses dV aus der Beziehung wegkürzen. Damit ergibt sich:
Das ist die berühmte Bernoulli-Gleichung.
Also, es geht um die kinetische Energie pro Volumeneinheit, sowie die potentielle Energie pro Volumeneinheit und die Arbeitszuführung pro Volumeneinheit, sprich dem Druck. Diese drei Energien müssen insgesamt wegen der Erhaltung der mechanischen Gesamtenergie konstant bleiben. Wie gesagt, die Gleichung gilt nur für den Fall einer Strömung eines reibungsfreien Fluids bei konstanter Dichte und Stationarität.
In vielen anderen Anwendungsfällen wird allerdings die Bedingung der Reibungsfreiheit nicht annähernd gegeben sein. Dann funktioniert diese Gleichung nicht mehr. In derartigen Fällen gibt sie sinnlose und falsche Ergebnisse. Wie wir gleich noch sehen werden, ergibt sich daraus eine Paradoxie.
Diese Gleichung scheint sich nicht immer mit dem zu decken, was unser anschauliches Verständnis ist. Denn in den meisten Fällen gehen wir davon aus, dass bei einer Flüssigkeitsströmung auch Reibung mit im Spiel ist. Gerade wenn man mittels einer Pumpe, ein vermeintlich zähes Wasser durch eine Leitung pressen will. Da geht es doch primär darum, Reibung zu überwinden.
Es gibt allerdings Systeme, insbesondere gasförmige Systeme, wo diese Reibung wirklich sehr gering ist und damit vernachlässigbar. Dort lässt sich diese Bernoulli-Gleichung gut anwenden.
Was ist aber, wenn die potentielle Energie keine wichtige Rolle spielt. Das ist dann der Fall, wenn eine Strömung im Gravitationsfeld waagerecht erfolgt oder wenn es gar kein Gravitationsfeld gibt. In diesem Fall haben wir nur noch den Term:
Das bedeutet, wenn bei konstanter Dichte die Geschwindigkeit immer größer wird, umso kleiner muss der Druck werden, damit die Summe der beiden konstant bleibt. Herrschen große Geschwindigkeiten, gibt es demnach kleine Drücke. Das klingt im ersten Moment etwas paradox.
Eigentlich sollte man meinen, je größer die Geschwindigkeit ist, desto größer müssen auch die Drücke sein. Dieses Empfinden hat man deshalb, weil man die Strömung oftmals mit Reibung in Verbindung bringt. Man denkt oftmals, wenn ich Druck ausübe, muss ich auch Reibung überwinden. Wir haben in unserem Beispiel aber keine Reibung und dadurch ergibt sich diese merkwürdige Situation.
Diese Folgerung nennt man daher auch das „Hydrodynamische Paradoxon”. Paradoxon im Sinne von überraschend, weil man nicht damit rechnet. Die Gase sind besonders für ihre Reibungsfreiheit bekannt, und komprimieren lassen sie sich besonders gut. Letzteres wird allerdings erst ab Schallgeschwindigkeit der Fall sein.
Wie lässt sich die Bernoulli-Gleichung veranschaulichen?
Wenn zum Beispiel ein Luftstrahl aus einer Düse austritt, dann hat die Luft in den Stromlinien unterschiedliche Geschwindigkeiten. An den Randbereichen werden die Geschwindigkeiten immer kleiner, während in der Mitte die höchsten Geschwindigkeiten vorhanden sind. Jetzt stellen wir die Düse senkrecht und platzieren im Luftstrom etwas außerhalb des Zentrums einen leichten Tischtennisball.
Aufgrund der unterschiedlichen Geschwindigkeiten des Gases und der sich damit verändernden Druckverhältnisse wird der Ball stabil im Zentrum tänzeln. Eine größere Geschwindigkeit bedeutet ein kleinerer Druck. Deshalb wird der Ball immer wieder ins Zentrum hereingezogen. Und damit ist gerade die Stellung im Zentrum die stabilste.
Man kann die Bernoulli-Gleichung auch dazu verwenden, um die Umströmung von Körpern zu beschreiben. Natürlich alles nur unter der Voraussetzung der Reibungsfreiheit. Und das ist zugegebener Maßen schon eine sehr einschränkende Voraussetzung. Dennoch lassen sich für allgemeinere Anwendungsfälle gewisse Aspekte ableiten.
Nehmen wir an, wir haben einen Körper, der nur aus einer Richtung mit einem Gas umströmt wird. Die Stromlinien werden dann entsprechend an dem Körper tangential vorbei laufen. Das sind dann die Tangentiallinien an die Geschwindigkeitsvektoren . In ausreichender Entfernung vom Körper gibt es in einem Punkt B eine Anfangsgeschwindigkeit v₀. Außerdem soll an diesem Punkt ein Druck p₀ herrschen. Man kann dieses System jetzt aus zwei Blickwinkeln betrachten.
Einerseits wäre es möglich, dass der umströmte Körper in Ruhe ist, und man bläst auf diesen. Andererseits, und das ist der allgemeinere Fall, ist das Medium in Ruhe und der Körper bewegt sich durch das Gas. So wie das beim Auto, dem Zug oder einem Flugzeug der Fall ist. Man kann sich gut vorstellen, dass in ausreichender Entfernung, also an einem Punkt, weit weg von diesem Hindernis, einfach nur der ungestörte Atmosphärendruck herrscht. Und erst bei Herannahmen dieses umströmten Körpers wird es zu Veränderungen kommen.
Der andere wichtige Punkt, den wir betrachten, ist der Staupunkt S.
Im Staupunkt, der unmittelbar vor dem Hindernis liegt, wird die Geschwindigkeit
Und wenn man das Ganze jetzt auf einer Höhenlinie betrachtet, so dass der Term
Was für eine Konstante das ist, ist gar nicht so wichtig, so lange sich der Strömungsbereich konstant verhält. Dann müssen nur die Bedingungen beim Beobachtungspunkt B und beim Staupunkt S betrachtet werden, und die Summe der Energie muss die gleiche bleiben. Laut Bernulli erhalten wir dann:
p ist der Druck im Staupunkt
p₀ ist der statische Atmosphärendruck
Auf diese Art und Weise erhält man durch Umformung sehr schnell eine einfache Folgerung:
Das ist jetzt die Druckdifferenz, auf die es in Wirklichkeit ankommt.
Die Differenz zwischen dem Druck im Staupunkt und dem allgemeinen Druck nennt man
in der Hydrodynamik allgemein den „Staudruck”. Der Staudruck
Daraus kann man jetzt durch Umformen sehr einfach eine Methode gewinnen, um die Geschwindigkeit zu ermitteln:
Damit erhält man eine gute Möglichkeit, die Geschwindigkeit der Strömung relativ zu dem angeströmten Hindernis zu bestimmen. In der Praxis wird die Bestimmung der Strömungsgeschwindigkeit mit Hilfe des sogenannten „Prandtl-Rohres” durchgeführt.
Das Prandtl-Rohr verkörpert ein angeströmtes Hindernis. Es hat vorne am
Staupunkt ein Loch und seitlich umlaufend weitere Löcher. Das vordere Loch hat
eine Verbindung zu einer mittig im Rohrkörper heraustretenden Druckröhre.
Und die seitlichen Löcher haben ihrerseits eine Verbindung zu einer zweiten
mittig heraustretenden Druckröhre. Man kann dann zwischen diesen
unterschiedlich angeordneten Löchern die Druckdifferenz
Bei gemessener Druckdifferenz und bekannter Gasdichte, beispielsweise bei
Jetzt wollen wir einen anderen Aspekt der Strömung herausgreifen, und zwar den Aspekt der Wirbelbildung und der Zirkulation.
Wir setzten auch hier wieder reibungsfreie Fluide voraus. Wie lässt sich aber charakterisieren, ob eine Strömung wirbelhaft ist oder nicht? Dazu führen wir den Begriff der „Zirkulation” ein, den wir nachfolgend an zwei Beispielen illustrieren werden.
Wenn wir Nachfolgend von Wirbeln sprechen, dann zeichnen sie sich dadurch aus, dass die Geschwindigkeitsvektoren in einer Strömung rundherum laufen. Allerdings werden die Vektoren zum Zentrum hin immer kleiner. Um das näher beschreiben zu können, ist es günstig, geschlossene Bahnkurven zu betrachten. Also keine Spiralkurve, die zur Mitte hin immer enger wird, sondern man zeichnet in die Wirbelströmung zahlreiche konzentrische Kreise ein.
Bei einer Wirbelströmung betrachtet man sinnvoller Weise eine kreisförmige
Kurve, während es bei einer gerade verlaufenden Strömung ohne Wirbelbildung ein
rechteckiger Kurvenverlauf sein wird. Jetzt betrachtet man längs einer solchen
geschlossenen Kurve ein Linienintegral
Hierzu definieren wir uns die Zirkulation längs einer geschlossenen Kurve. Wobei diese geschlossene Kurve immer aufgefasst werden kann als die Randkurve einer Fläche. Es ergibt sich daraus für die Zirkulation:
ist der Geschwindigkeitsvektor
d ist das Wegstück
Die geschlossene Fläche entspricht dem Flächeninhalt der jeweils
betrachteten Kreisfläche oder dem Rechteck. Wenn man entlang dieser
Randkurve die jeweilige Fläche umschreitet, dann erkennt man, dass die
Geschwindigkeitsvektoren und
die Wegstücke d
alle gleich orientiert sind, und die Summe über
Bei einem rechteckig verlaufenden Linienintegral laufen die Vektoren linear in eine
Richtung herum. In diesem Fall wird es so sein, dass einige Wegstücke
d auch
senkrecht zu den Geschwindigkeitsvektoren liegen werden. Außerdem heben
sich die Werte auf den entgegen gesetzten Seiten wieder auf. Daraus ergibt sich die Größe
Das ist eine weitere wichtige Anwendung des Linienintegrals neben der Arbeit und außerdem eine weitere wichtige Anwendung des Skalarproduktes (siehe Definition des Arbeitsbegriffes). Nun kann man diese Zirkulation mathematisch relativ leicht umformen.
Im vorherigen Kapitel haben wir schon in Verbindung mit den Stromflüssen gesehen, wie nützlich es ist, ein Flächenintegral mithilfe des Gauß'schen Integralsatzes in ein Volumenintegral umzuformen.
Jetzt geht es aber um eine leicht veränderte Form, nämlich von einem Linienintegral in ein Flächenintegral umzuformen. Diese Umformung geschieht mithilfe des Stokes'schen-Integralsatzes:
Der Gauß'sche Satz hat uns den Divergenz-Operator gebracht. Hier beim Stokes'schen Satz tritt die Rotation eines Vektorfeldes auf. Und die Zirkulation hängt mit der Rotation des Vektorfeldes zusammen. Wenn man das nur über ein kleines Flächenelement betrachtet, sodass sich diese Rotation nicht mehr nennenswert über dieses Flächenelement ändert, kann man auch schreiben:
Z / ΔA ist die Wirbeldichte
Und damit erhält man etwas Analoges, was bereits auf die Divergenz zutraf. Dort wurde die Divergenz als Quelldichte bezeichnet. Und zwar, wenn man ein kleines Volumen betrachtet, und beobachtet, was aus diesem Volumen herausfließt, dann ist dieser Fluss durch den Rand des Volumens pro Volumeneinheit die Divergenz.
Hier hat man jetzt eine Dimension weniger. Man betrachtet eine Fläche mit ihrem Rand. Und wenn nun längs dieses Randes in dieser Flüssigkeit eine gewisse Zirkulation vorhanden ist, dann muss man diese Zirkulation pro Flächeneinheit bestimmen, also durch die Fläche dividieren, um den Betrag des Rotationsvektors zu erhalten. Die Rotation ist daher in entsprechender Weise eine Wirbeldichte.
Hier ist es die Zirkulation rund um eine Fläche pro Flächeneinheit. Bei der Quelldichte war es der Fluss aus einem Volumen heraus pro Volumeneinheit. Man kann also gut erkennen, wie die Rotation des Vektorfeldes mit der Zirkulation und der Wirbelbildung zusammenhängt. Man kann sich jetzt auch leicht vorstellen, wie das ausschaut.
Wenn man eine Wirbelströmung betrachtet, dann laufen an den geschlossenen
Stromlinien die Geschwindigkeitsvektoren rund herum. Daraus ergibt sich dann eine
Fläche, die quasi umlaufen wird. Jetzt denkt man sich noch eine zweite parallele Fläche.
Und dann gibt es noch die Rotationsvektoren ,
die parallel zu ΔA, also senkrecht auf die Flächen in
Flussrichtung das Feld durchlaufen. Genau genommen sind das die Vektoren
Das Vektorfeld selbst beschreibt einen Wirbel, während die Rotationsvektoren in der Achse dieses Wirbels liegen. Die Stromlinien sind dann die Tangentialvektoren an die Geschwindigkeitsvektoren. Und die Wirbellinien sind Tangentiallinien an den Rotationsvektor. Dadurch lässt sich eine Gesetzmäßigkeit für reibungsfreie Fluide aufzeigen:
Das ist der sogenannte Thomsonsche Wirbelsatz.
Die zeitliche Ableitung obiger Zirkulation ist gleich Null.
Das bedeutet, dass die Zirkulation in reibungsfreien Fluiden erhalten bleibt.
Wenn dagegen eine nennenswerte Reibung herrscht, dann wird aufgrund dieser Reibung diese Zirkulation zurückgehen.
Zum Beispiel bleibt ein Rauchwirbel (Toruswirbel) erhalten und würde sich ohne Luftreibung immer weiter fortsetzen.
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