Wirbelstrukturen im
4 - dimensionalen
gekrümmten Raum
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Was ist Zeit?


Die Philosophie der Zeit

Der Begriff „Zeit” scheint einer der am schwierigsten zu definierenden Begriffe zu sein. Philosophisch betrachtet bezeichnet das Wort „Zeit” die vom menschlichen Bewusst­sein wahr­genommene Form der Veränderung oder der Abfolge von Ereignissen. Diese Veränderungen vermitteln uns den Eindruck einer „Richtung der Zeit”. Einige der größten Philosophen wie Platon, Aristoteles, Augustinus, Leibniz, Kant u. a. haben versucht, das Wesen der Zeit zu bestimmen, wobei sie zum Teil zu unter­schiedlichen Beschreibungen kamen.

Unsere Alltags­erfahrung scheint zu belegen, dass Zeit auch unabhängig von bewusst wahr­genommenen Objekten und ihrer Veränderlich­keit existiert. Das „Problem der Zeit­vorstellung” war deshalb schon immer mit der Frage verknüpft, ob sie erst durch eine spezielle Anschauung im menschlichen Bewusst­sein „erschaffen” wird oder unabhängig davon objektiv gegeben ist.

Für Isaac Newton bildeten die Zeit und der Raum die „Behälter” für Ereignisse. Sie waren für ihn ebenso real und mit Eigenschaften ausgezeichnet wie die Objekte selbst. Er definierte die Zeit mit den Worten: „Zeit ist, und sie tickt gleich­mäßig von Moment zu Moment.”

Im Gegensatz dazu hatte Leibniz behauptet, dass Zeit und Raum nur gedankliche Konstruktionen sind, um die Beziehungen zwischen Ereignissen zu beschreiben. Aus seiner Sicht gibt es damit kein „Wesen” und keinen Fluss der Zeit. Leibniz definierte die Zeit so: „Die Zeit ist die Ordnung des nicht zugleich Existierenden. Sie ist somit die allgemeine Ordnung der Veränderungen, in der nämlich nicht auf die bestimmte Art der Veränderungen gesehen wird.”

Für Immanuel Kant war die Zeit ebenso wie der Raum eine „reine Anschauungs­form” und zwar die des inneren Sinnes. „Sie sei unser Zugang zur Welt, gehört also zu den subjektiv-menschlichen Bedingungen der Welt­erkenntnis und sei somit die besondere Form, die das menschliche Bewusst­sein den Sinnes­eindrücken verleiht. Wir könnten uns aus unserer Erfahrung die Zeit nicht wegdenken, da sie eben selbst eine Art und Weise unserer Anschauung (Wahrnehmung) sei. Zwar komme sie nicht einer − wie auch immer gearteten − Welt an sich zu, dennoch könnte der Zeit eine empirische Qualität zugeschrieben werden. So würden Zeit­messungen benutzt, um zu quanti­fizieren, wie weit entfernt Ereignisse voneinander statt­fänden.”

Innerhalb der Wissenschaft hat sich Newtons Auffassung durch­gesetzt. Der große Vorteil davon ist die Möglichkeit, Zeit und Raum unabhängig von einem realen Bezugs­punkt und ohne konkreten Beobachter beschreiben zu können.

Ernst Mach hatte den idealisierten Modell­charakter einer solchen Abstraktion kritisiert und gefolgert, dass alle Dinge und Prozesse nur voneinander abhängig sind und nicht von einer „trans­zendenten” Zeit.

Für die moderne Physik ist die Krümmung des Objektes „Raumzeit” nicht verschieden von Eigen­schaften wie Masse oder Ausdehnung eines beliebigen anderen Objektes.

Alle vorgenannten Beschreibungen der „Zeit” führen deutlich vor Augen, dass die allgemeinen Vorstellungen oftmals von subjektiven Empfindungen geprägt sind.

Auch wenn es insbesondere die Philosophen der Antike und der Neuzeit waren, die den Begriff der Zeit aus philosophischer Sicht geprägt haben, möchten wir ganz pragmatisch an diese Frage­stellung herangehen.




Die Entstehung des Kalenders

Bereits seit Beginn der Menschheits­geschichte war es über­lebens­wichtig, den richtigen Zeit­punkt für Aussaat und Ernte fest­zulegen, um ein möglichst ertrag­reiches Ergebnis zu erzielen. Man hat schon früh erkannt, dass der Stand der Sonne am Horizont und die Umlauf­bahn des Mondes wirkungs­volle Zeit­objekte sind.

Das Wort „Kalender” bezeichnet ein Verfahren oder System, durch welches die Zeit in Jahre, Monate, Wochen und Tage unter­teilt wird. Der Sonnen­tag, das Sonnen­jahr und der Mond­monat sind natürliche Einteilungen der Zeit. Sie werden von der täglichen Drehung der Erde um ihre um 23,5° geneigte Achse, ihren jährlichen Umlauf um die Sonne und den monatlichen Phasen des Mondes im Verhältnis zur Erde und zur Sonne bestimmt.

Die Aufteilung der Zeit in Wochen und die Gliederung des Tages in Stunden wurde dagegen willkürlich fest­gelegt. Offen­sichtlich waren die Mond­phasen ausschlag­gebend dafür, dass man das Jahr in 12 Monate von etwa 30 Tagen einteilte.

Eine Mondphase dauert 29 Tage, 12 Stunden, 44 Minuten, also ungefähr 30 Tage. Insofern war es nahe­liegend, diese Zeitspanne in kleinere Zeit­räume zu unterteilen, um das Zeit­gefühl während eines Monats nicht zu verlieren. Und weil ein Jahres­zyklus 4 Jahres­zeiten durch­läuft, könnte man eine Mond­phase ebenfalls in 4 gleich­große Abschnitte aufteilen und würde so auf eine Woche mit 7 Wochen­tagen kommen.

Da man am Nachthimmel zudem 7 Wandel­sterne, einschließlich der Erde, mit dem bloßen Auge wahrnehmen kann, hat man in einigen Kulturen sogar die Wochentage nach den Planeten benannt.

Weil der Mond eine so zentrale Rolle spielt, waren die ersten Kalender vorwiegend „Mond­kalender”, wobei der Ablauf der Mond­phasen von einem Neumond zum nächsten dauerte.

Da ein Sonnenjahr durch die Wiederkehr der Jahres­zeiten bestimmt ist, war es notwendig, den Kalender dem Sonnen­jahr anzugleichen. Daraus ergab sich dann das sogenannte „Lunisolarjahr”. Darunter versteht man ein gebundenes Mond­jahr, also ein Sonnenjahr mit Mond­monaten. Um die Kürze der 12 Mond­monate auszugleichen, wurde während bestimmter Jahre ein zusätzlicher Monat eingeschoben.

Im Jahr 46 v.u.Z. stellte Julius Cäsar durch einen Erlass den römischen Kalender vom Mond­jahr auf das Sonnen­jahr um. Dieser julianische Kalender beruhte auf den Berechnungen des griechischen Astronomen Sosigenes, und man führte gleich­zeitig das Schalt­jahr ein. 1582 u.Z. nahm Papst Gregor XIII nochmals eine geringfügige Korrektur vor, dass nämlich von den Jahren mit vollen Hunderter­zahlen nur diejenigen als Schalt­jahre gerechnet werden sollten, deren Zahl durch 400 teilbar ist. Der gregorianische Kalender wird heute in den meisten Teilen der Welt allgemein verwendet.

Nach diesem Exkurs in die Geschichte des Kalenders beschäftigen wir uns kurz mit dem Aspekt der „verlorenen Zeit”. Was versteht man darunter?




Die „verlorene” Zeit

Manche beschreiben die Zeit, die nicht sinnvoll genutzt wird, als „verlorene” Zeit. Doch hierbei geht es noch um weit mehr. Denn offen­sichtlich ticken im Gehirn des Menschen zwei Uhren. Die eine steuert den Tag-Nacht-Rhythmus, die andere das Zeit­gefühl. Die Chrono­biologie untersucht die biologischen Rhythmen, denen der Mensch unterliegt. Und die Chrono­psychologen beginnen zu verstehen, wie sich die gefühlte Zeit „dehnen” lässt.

Jeder kennt das Gefühl, als würde sich die Zeit in bestimmten Situationen wie ein Gummiband in die Länge ziehen. So empfinden z. B. Unfallopfer den Moment des Aufpralls oft als unnatürlich lang. Manche sehen in diesem Augenblick ihr ganzes Leben noch einmal an sich vorüberziehen.

Zeit wird „gespart”, „gemanagt” und geht am Ende scheinbar doch verloren. In manchen Industrie­nationen steht jeder Zweite im Job unter starkem Termin­druck, mehr als die Hälfte dieser stets Gehetzten leidet unter Zeitnot, wie eine Studie der Bundesanstalt für Arbeits­schutz und Arbeitsmedizin gezeigt hat. Wäre es da nicht ein erfüllendes Gefühl, wenn man die Zeit anhalten könnte, um Raum für unerledigte Dinge zu schaffen?

Einige nehmen daher zu Substanzen Zuflucht, die in die Gehirnchemie eingreifen und unser Zeit­gefühl beeinflussen können. Man hat aller­dings fest­gestellt, dass es offen­sichtlich auch anders geht. Denn Hirn­forscher konnten beobachten, dass wir in unseren Träumen während einer halben Nacht manchmal mehr erleben, als an einem ganzen Tag. Daher kommen Wissen­schaftler, die sich mit solchen Phänomenen beschäftigen − Neurologen, Biopsychologen, Chrono­mediziner − zu dem Schluss: Irgendwo unter unserer Schädel­decke gibt es einen Zeitmesser, den Biochemie und Umweltreize aus dem Takt bringen können.

Damit geht eine interessante Frage einher: Lässt sich die innere Uhr womöglich mit einfachen Psychotricks manipulieren? Gibt es ein mentales Programm für die Entschleunigung des Alltags, eine Anleitung für den „gefühlten” 48-Stunden-Tag?

Seit Jahrzehnten versuchen Forscher zu verstehen, wie die Zeit in den Menschen kommt. Doch welches Experiment könnte hierbei zielführend sein?

Zu Beginn der 60er Jahre wagten der deutsche Psychologe Jürgen Aschoff und der französische Geologe Michel Siffre zeitgleich Experimente, die die Chronopsychologie entscheidend voran­bringen sollten. Während Aschoff unternehmungs­lustige Probanden für 6 Monate in einen Bunker sperrte, stieg Siffre persönlich und ohne Uhr in eine stock­finstere Höhle der Südalpen. Die Forscher wollten wissen: Welche Wirkung würden Dunkelheit und endlose Langeweile auf das Zeitempfinden und den Rhythmus des Körpers haben?

Ohne Chronometer im Gepäck verlor Siffre während des zweimonatigen Versuchs jedes Gefühl dafür, wie spät es gerade war. Egal, ob es die Zeit seit dem Aufstehen, seit dem letzten Rapport über das Feldtelefon war, oder wie lange er überhaupt in dieser Höhle saß: Der Franzose hatte keine Ahnung. Nach seinen Worten kam ihm alles noch entsetzlich langsam vor. Und doch konnte Siffres an seinem Körper ein bemerkens­wertes Phänomen beobachten. Selbst in der lichtlosen Höhle gehorchte sein Körper einem Rhythmus von etwas mehr als 24 Stunden. Siffre schlief etwa 8 Stunden, war gut 16 Stunden wach und wurde wieder müde. Aschoffs Freiwilligen widerfuhr in ihrem Bunker etwas Ähnliches. Sie lebten einen Rhythmus von durch­schnittlich 25 Stunden, obwohl ihr Bewusst­sein das Verstreichen der Zeit ebenfalls als schleppend empfand.

Mit diesem Ergebnis hatte keiner gerechnet. Die Experimente hatten nicht nur eine, sondern gleich zwei innere Uhren enthüllt: den Tag-Nacht-Rhythmus einerseits und das Gefühl für die vergehenden Minuten und Stunden anderer­seits. Beide Uhren unter­scheiden sich nicht nur in ihrer Präzision und in den Zeiträumen, die sie messen. Sie sind auch völlig individuell abhängig von äußeren Reizen und dem Bewusst­sein, wie spätere Experimente zeigten.

Das Empfinden von Tag und Nacht, der sogenannte circadiane Rhythmus, funktioniert selbst dann recht zuverlässig, wenn das Tages­licht uns nicht helfen kann. Diese innere Uhr sagt uns, wann wir müde oder hungrig sind, sie steuert Herz­frequenz, Stoff­wechsel, Hormon­spiegel, Körper­temperatur und sogar die geistige Leistungs­fähigkeit.

In den 70er Jahren fanden Wissen­schaftler heraus, wo jene masterclock offenbar sitzt, die den circadianen Rhythmus steuert: Sie entdeckten feine Nerven­stränge in der Netzhaut, die direkt hinter den Augen endeten, dort, wo sich die Sehnerven kreuzen. Es gilt als sicher, dass in diesem reiskorn­großen Areal die biologische Uhr tickt, die alle wichtigen Körper­funktionen zeitlich koordiniert. Ihre eigene Takt­frequenz würde etwas länger als einen Tag dauern, doch das Tages­licht eicht sie auf 24 Stunden.

Die circadiane Uhr, also ein biologischer Rhythmus mit einer Dauer von etwa 24 Stunden, hat jedoch keine Macht über die Empfindung jener verstrei­chenden Zeit. Forscher reden in diesem Zusammen­hang vom „interval timing” des Gehirns, es geht hierbei um das „Zeitgefühl”.

Neurowissenschaftler entwickelten theoretische Modelle für die innere Stoppuhr, von denen das Schrittmacher-Speicher-Modell des Biopsychologen John Gibbon das erfolg­reichste war. Sie hatten folgende Idee: In unserem Kopf sitzt ein Taktgeber, der regel­mäßig Impulse aussendet. Ein Speicher sammelt diese Impulse, und sobald ein Signal das Ende des Zeit­intervalls ankündigt, vergleicht das Hirn seine gesammelten Impulse mit einer Referenz im Gedächtnis.

Das Modell deckte sich mit vielen Beobachtungen aus der Verhaltens­forschung. Aller­dings hatte es einen Schönheits­fehler: Im Gehirn von Tieren konnte man keine tickende Struktur entdecken. Der Neurowissenschaftler Warren Meck war jedoch weiterhin von einer Art Zeitzentrale in unserem Gehirn über­zeugt, auch wenn sie kaum noch an eine Uhr erinnert, sondern eher an ein Orchester.

In unserem Gehirn ist das Dopamin der Taktstock, und die Musiker sind Nerven­zellen des Kortex, von denen man weiß, dass sie auch ohne äußeren Anlass in regelmäßigen Abständen feuern, und zwar wild durch­einander. Sobald jedoch eine Region im Mittelhirn, die Substantia Nigra, Dopamin ausschüttet, feuern die Nervenzellen im Takt. Auslöser für die Dopamin­ausschüttung können Reize von außen sein, etwa eine Fußgänger­ampel, die von Rot auf Grün umschaltet.

Das Konzert im Kortex wird im tiefer liegenden Striatum belauscht. Dieses Areal des Großhirns führt Signale aus verschiedenen Bereichen des Gehirns zu bewussten Empfindungen und Handlungen zusammen. Springt die Fußgänger­ampel wieder auf Rot, versiegt das Dopamin, und das Konzert wird beendet. Meck war davon überzeugt, dass die Nervenzellen des Striatums die Takt- und Frequenz­muster im Kortex erlernen und ihnen dauerhaft ein Zeit­intervall zuordnen.

Je häufiger wir vor derselben Ampel stehen, desto besser können wir einschätzen, wann sie grün wird. Tier­versuche stützen Mecks Modell. In Ratten, die mit Belohnungen auf eine 40-Sekunden-Spanne trainiert wurden, feuern die Neuronen des Striatums am Ende dieser Frist selbst dann, wenn die Futter­prämie ausbleibt.

Und Mecks Modell erklärt auch, warum der Mensch nicht mit einem eingebauten Sekunden­zeiger auf die Welt kommt, sondern das Zeit­gefühl erst erlernen muss. Tatsächlich schätzen Klein­kinder die Zeit oft völlig falsch ein, weil ihr Gehirn noch nicht genug geübt hat. Ungeübte können die gefühlte Zeit zwar dehnen, müssen dafür aber alles vermeiden, was den Dopamin­pegel anhebt.

Doch selbst dann hat die Sache noch einen chrono­psychologischen Nachteil: Im Nach­hinein, so ergaben Versuche, erscheint uns „langweilige” Zeit nämlich viel kürzer als Zeit, die mit aufregenden Tätig­keiten voll­gestopft ist. Denn das Gehirn beurteilt die Zeit in der Rück­schau anhand dessen, was in diesem Intervall geschehen ist.

Wer in kurzer Zeit viel erlebt, für den verfliegt sie im Moment des Erlebens, im Nach­hinein aber erscheint sie länger. Wer sich ein gefühlt langes Leben wünscht, der sollte demnach für Abwechslung und Erregung sorgen. Doch ironischerweise stellt sich das richtige Gefühl erst dann ein, wenn das Leben vorbei ist.




Die quantitative Zeit

Die Tatsache, dass wir ein Bewusst­sein der Zeit haben, versetzt uns in die Lage, sie zu quantifizieren. Das heißt, wir haben Vorrichtungen ersonnen, um die Zeit messbar zu machen. Anfänglich waren Stein­kreise eine Möglichkeit, den Zeitpunkt der Tag-und-Nacht-Gleiche im Jahr festzulegen. Ja nach zu Verfügung stehenden Möglichkeiten hat man sogar die Pyramiden einem solchen Zweck zugeführt.

Ein weiteres frühes Dokument der Natur­beobachtung ist die Himmelsscheibe von Nebra, die 1999 auf dem Mittelberg nahe der Gemeinde Wangen entdeckt wurde. Der auf 3.600 Jahre datierte alte Diskus zeigt die älteste bekannte konkrete Himmels­darstellung. Offenkundig war das astronomische Wissen der Menschen aus der frühen Bronzezeit weitaus differenzierter, als man ihren zugetraut hätte.


Abb. 1: Die Himmelsscheibe von Nebra


Bereits einige Jahrhunderte früher tauchten erstmals um 2.200 v.u.Z. Sonnen­uhren in China auf. Es waren Stäbe, die senkrecht im Boden steckten, und deren Schatten­länge großen Rückschluss auf die Tageszeit zuließ.

Die auf senkrechten Stäben beruhenden Sonnen­uhren gelangten um 650 v.u.Z über Babylon zu den Griechen. Den dort gebräuchlichen Schattenstab nannte man „Gnomon”, was „Erkenner der Zeit” bedeutet. Ist der Schatten des Gnomons am kürzesten, steht die Sonne an ihrem höchsten Punkt genau im Süden, es ist Mittag.

Markiert man täglich diese Kulmination, ergibt sich eine Gerade, auch „Mittags­linie” genannt, die genau die Nord-Süd-Richtung anzeigt. Aus den kürzesten und längsten Mittags­schatten lässt sich die Neigung der Erdbahn zur Ekliptik ermitteln, die ziemlich genau 23° 54' 2'' beträgt.

Doch so ein Gnomon stand nicht an jeder Häuser­ecke. Wie konnten sich dennoch zwei Personen zu einer fest­gelegten Uhrzeit treffen? Hierzu diente der Schatten des eigenen Körpers als Gnomon. Die Länge des Schattens wurde mit den Füßen gemessen. Mithilfe von Stunden­tafeln, die auf einer Körperlänge von 7 Fuß basierten, wurde die entsprechende Uhrzeit relativ genau ermittelt.

Im griechischen und römischen Kultur­raum war die „Skaphe” weit verbreitet. Hierbei handelt es sich um eine aus einem Stein­block gemeißelte halbe Hohlkugel, die dem Negativ­bild des Himmels­gewölbes entspricht. Auf dieser sphärischen Fläche wandert der Schatten­punkt gleichförmig auf einem leicht zu konstruierenden Zifferblatt.


Abb. 2: Eine Hohlkugel der „Skaphe”


Im Mittelalter setzten sich in Mittel­europa einfache Ziffer­blätter, die Gebets­uhren, durch. Geistliche und Mönche brauchten für den geregelten Gang ihrer Offizien ein Zeitmaß zum Einhalten der Zeit­abschnitte. Insofern findet man diese Uhren mit einem waagerecht angebrachten Schatten­werfer oftmals an den Südwänden von Kirchen und Klöstern.


Abb. 3: Eine Vertikale Sonnenuhr


Im 14./15. Jahrhundert wurde die Sonnen­uhr entscheidend verbessert, indem der Schatten­werfer parallel zur Erdachse in Richtung Himmels­pol ausgerichtet wurde. Dieser sogenannte „Polstab” bildet mit der Horizont­ebene des Aufstellungs­ortes einen Winkel, der der geografischen Breite entspricht. Die Zeit­anzeige hängt damit nur noch von der Richtung des Schattens ab und wird nicht mehr durch die jahres­zeitlich veränderliche Höhe der Sonne beeinflusst.

Im 16. Jahrhundert entstanden die mit einem Kompass versehenen Taschen- und Reiseuhren, die in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet werden. Sie enthält einen Polfaden, der beim Aufklappen der oberen Platte gestrafft wird und damit parallel zur Erdachse steht. Eine Weiter­entwicklung war die Augsburger Uhr, deren Polstab auf die geografische Breite des jeweiligen Standortes einstellbar war.

Als die mathematischen Wissen­schaften im 17. Jahr­hundert immer mehr in den Fokus rückten, war die Äquatorial­sonnen­uhr von Bedeutung. Im Gegen­satz zu den verbreiteten Horizontal- und Vertikal­uhren war diese Neu­entwicklung überall aufstellbar. Ihr Ziffer­blatt liegt parallel zur Äquator­ebene, wobei der Schatten senkrecht dazu steht und nach wie vor parallel zur Erdachse ausgerichtet ist. Mit der Epoche der Barockuhr war um das Jahr 1800 die Blütezeit der „Gnomonik” vorüber.


Abb. 4: Eine Äquatorialsonnenuhr


Die industrielle Revolution machte im 19. Jahr­hundert eine Verein­heitlichung der Zeit­messung notwendig. Bereits im 18. Jahr­hundert gab es eine gemittelte Zeit, die Mittlere Ortszeit (MOZ). Der nächste Schritt zur Verein­heitlichung folgte im Jahr 1884 mit der Einführung der Zeitzonen. Die Zeitzonen liegen jeweils eine Stunde auseinander und das entspricht genau der Zeit­dauer, die die Sonne auf ihrer Wanderung für 15 Längen­gerade benötigt.

Bereits im frühen 14. Jahrh­undert verbreiteten sich die Räder­uhren von Ober­italien nach Europa. Später gelangte sie als Turmuhr in öffentliche Räume. Die ersten mechanischen Uhren wurden als Einzeiger­uhr (ohne Minuten­zeiger) konzipiert und konnten mit den mittler­weile ausgereiften Sonnen­uhren an Genauigkeit mithalten.

Erst im 17. Jahrhundert war die Technik so weit fort­geschritten, dass es Sinn machte, mithilfe eines Minuten­zeigers die Zeit in noch kleinere Zeit­einheiten zu unterteilen.

Doch bereits Anfang des 16. Jahr­hunderts nutzte der Nürnberger Schlosser­meister Peter Henlein die Erfindung der Zugfeder, um die Energie für das Uhrwerk zu speichern und verband die Feder mit einem Gang­regler, wodurch es schließlich möglich war, die Uhr auf Taschen­format zu verkleinern.

Die Armbanduhr war zunächst eine nur für die Frau konzipierte Kleinuhr, die am Hand­gelenk getragen werden konnte. Erst die sogenannte „Flieger­uhr” machte die Armband­uhr auch für Männer attraktiv. Doch so richtig durchsetzen konnten sie sich erst im 1. Weltkrieg.

Durch zunehmende industrielle Herstellungs­prozesse avancierte die Uhr zu einem Alltags­gegenstand und führte zu einer Omnipräsenz der Zeit. Gleich­zeitig stieg auch der Anspruch an eine exakte Zeitanzeige.

Entwicklungen wie der Feder­antrieb, die Unruh und das Pendel als Gang­regler und die Entdeckung des Isochro­nismus haben die mechanischen Uhren immer präziser werden lassen. Isochro­nismus bezeichnet die Eigenschaft eines mechanischen Schwing­systems, für eine Schwingung unabhängig von der Schwingungs­weite (Amplitude) immer die gleiche Zeit zu benötigen.

Noch präziser war jedoch die bereits 1921 erfundene Quarz­uhr, die besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hunderts die Räder­uhr ablöste.

Die bislang genaueste Uhr wurde erstmals 1949 eingesetzt und wird vor allem in der Wissen­schaft und in der Raum­fahrt verwendet. Hierbei handelt es sich um die Atomuhr. Die Funkuhren, deren Zeit­anzeige per Funk­signal mit den Atomuhren abgeglichen wird, sind seit den 1960er Jahren in Gebrauch.

Mittlerweile ist ein gegen­läufiger Trend zu beobachten. Es besteht im Informations­zeitalter nur noch wenig Interesse an einem Chronographen, der lediglich die Zeit anzeigt und mit einer Stoppuhr oder einer Weck­funktion ein paar Optionen mehr beinhaltet. Heute lautet das Multi­funktions­gerät „Smart­watch”. Also elektronisch digitale Devices, die weit mehr können, als nur die Zeit anzuzeigen.

Da die Speicherchips immer leistungs­fähiger werden, gleicht der Funktions­umfang inzwischen mehr dem eines „Smart­phones” als dem einer multi­funktionalen Uhr. Dies erfordert aller­dings auch eine recht intensive und permanente Beschäftigung mit dem elektro­nischen Helfer. Der Träger muss sie regelmäßig aufladen, synchro­nisieren, updaten und die Daten auswerten und verwalten. Mit diesem Trend scheinen wir inzwischen nicht mehr der Nutzer der Zeit, sondern eher ein Sklave der Zeit sein.

„Wer sein Leben entschleunigt,
hat mehr vom Tag
und von der Zeit.”
  (V. Rödel)




Die Definition der Zeit

Albert Einstein soll einmal gesagt haben:
„Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.”

Eine weitere Aussage, die man ihm zuschreibt, lautet:
„Wenn man zwei Stunden lang mit einem Mädchen zusammen­sitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität.”

Um die Tragweite beider banal klingenden Aussagen völlig zu erfassen, müsste man sich mit der Allgemeinen Relativitäts­theorie befassen, was aber an dieser Stelle den Rahmen sprengen würde.

Was ist also Zeit − wie lässt sie sich definieren?

Wenn wir die auf dieser Seite kurz angeschnittenen Unter­themen reflektieren, lässt sich ein Zusammen­hang erkennen. Es tauchen unter anderem Begriffe auf, wie „Frequenz”, „Intervall”, „Impuls” oder „Isochronismus”. Einige dieser Begriffe wurden bereits auf anderen Seiten dieser Website beschrieben.

Die moderne Physik kommt zu dem Schluss, dass alle Dinge und Prozesse voneinander abhängig sind und nicht von einer „trans­zendenten” Zeit. Die Krümmung des Objektes in der 4-dimen­sionalen gekrümmten Raumzeit ist nicht verschieden von Eigen­schaften wie Masse oder Ausdehnung eines beliebigen anderen Objektes.

Was den Menschen aber im Wesent­lichen von anderen Individuen unter­scheidet, ist das Bewusst­sein unserer eigenen Person. Erst durch das Bewusst­sein, erhalten wir ein Gefühl dafür, wie die Zeit zu verstreichen scheint oder wie sie von uns genutzt wird.

Die Chronobiologie hat durch ihre Forschungen fest­gestellt, dass in Arealen unseres Gehirns zwei innere Uhren vorhanden sind. Die eine steuert den Tag-Nacht-Rhythmus und funktioniert selbst dann recht zuverlässig, wenn das Tages­licht uns nicht helfen kann. Diese innere Uhr steuert unsere gesamten Körper­funktionen. Ihre eigene Takt­frequenz würde etwas länger als einen Tag dauern, doch das Tages­licht eicht sie auf 24 Stunden. Beim Tages­licht wiederum handelt es sich um eine elektro­magnetische Strahlung mit einer ganz bestimmten Wellenlänge und Frequenz.

Die zweite innere Uhr wird von unserem Bewusst­sein gesteuert. Es spricht viel dafür, dass die Nervenzellen des Striatums die Takt- und Frequenz­muster im Kortex erlernen und ihnen dauerhaft ein Zeit­intervall zuordnen. Das Gefühl für die vergehenden Minuten und Stunden ist somit ein Lern­prozess. Beide inneren Uhren sind völlig individuell abhängig von äußeren Reizen und dem Bewusst­sein. Je häufiger etwas durchlebt wird, desto intensiver wird das Zeit­gefühl. Abweichungen davon rufen bei uns ein Unbehagen hervor, vor allem wenn die Situation nicht kurzweilig ist.

Selbst bei einem Hund konnte man dieses erlernte Bewusst­sein beobachten. Obwohl die Besitzer den Hund oftmals in den Abendstunden alleine ließen, hat er sich immer nur an bestimmten Tagen auf seine Belohnung gefreut. Oder warum macht ein Hund immer genau zur gleichen Zeit auf sich aufmerksam, selbst wenn unter­schiedliche Zeit­perioden abgelaufen sind?

Menschen haben Sonnenuhren zur Quantifizierung der Zeit genutzt, weil unser Zentral­gestirn einer kosmischen Schwingung folgt, deren Phasen wiederum einer periodischen wieder­kehrenden Frequenz folgt. Räder­uhren nutzten die gespeicherte Energie einer Zugfeder. Die Unruh ist ein Feder-Schwingsystem und dient als Gang­regler für Klein­uhren. Auf diese Weise bildet das System einen harmonischen Oszillator. Die Unruh schwingt dadurch mit einer bestimmten Schwingungs­dauer bzw. Frequenz um ihre Achse. Der schritt­weise Ablauf, und damit der Lauf der Zeit, wird durch ein mit dem Räder­werk verbundenes Zeigerwerk angezeigt.

Quarzuhren funktionieren auf dem Prinzip, dass Quarz­kristalle, wenn sie entsprechend zugeschnitten sind, eine sehr gut definierte mechanische Eigen­frequenz haben, die man dann über den Piezoeffekt in eine elektrische Schwingung umsetzen kann. Durch eine elektrische Regel­schaltung kann man dann schließlich diese Schwingungs­frequenz an die Frequenz dieses Quarz­kristalls anhängen. Und durch Zählung der einzelnen Schwingungen kommt man auch auf die Zeiteinheit.

Die Cäsiumatome weisen bei einer sehr wohl definierten Mikrowellen­frequenz ein scharf definiertes Absorptions­maximum auf. Durch eine entsprechende Regel­schaltung kann man erreichen, dass dann diese Mikrowellen­frequenz sehr genau fest­gehalten wird. Und im Wesentlichen läuft dann die Zeit­messung darauf hinaus, dass man eine bestimmte Anzahl von den Schwingungen dieser Mikrowellen­frequenz abzählt. Wenn diese Anzahl von Schwingungen, in der diese Absorption stattfindet, erreicht ist, ist „eine Sekunde” verstrichen.

Selbst wenn man die Zeit nicht kennt, kann man die Zeit über eine bestimmte Anzahl von Schwingungen fest­legen. Und wenn einmal die Zeit­einheit fest­gelegt ist, steht damit automatisch auch die Frequenz fest. Eine Sekunde wird fest­gelegt als die Zeit, in der 9.192.631.770 Schwingungen bei der Resonanz des Cäsium­atoms aufgetreten sind und abgezählt werden.

Letzten Endes ist die Zeit eine „Mess­größe”. Die Zeit ist das Ergebnis einer Zeitmessung und damit eines Zähl­vorgangs von entsprechend periodisch ablaufenden Vorgängen. Insofern kann man sich auch leichter vorstellen, wie sich bei der Relativitäts­mechanik heraus­stellt, dass es abgesehen von der kosmischen Zeit keine absolute überall gleich­mäßig ablaufende Zeit gibt. Sondern die Zeit wird in unter­schiedlichen Bezugs­systemen unter­schiedlich gemessen.

Letztlich kommen wir wieder auf folgende Definition:

„Zeit ist die periodische Veränderung eines Energiezustandes.”   (V. Rödel)





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