Wirbelstrukturen im
4 - dimensionalen
gekrümmten Raum
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Die Navier-Stokes-Gleichungen


Allgemein

Die Navier-Stokes-Gleichungen, benannt nach Claude L.M.H. Navier und George G. Stokes, sind ein mathe­matisches Modell, um Strö­mungen von linear-viskosen Flüssig­keiten und Gasen (Fluiden) zu beschreiben. Die Gleichungen der beiden Mathe­matiker und Physiker sind eine Erweiterung der Euler-Gleichungen der Strö­mungs­mecha­nik, bei denen es um die Visko­sität beschrei­bende Terme geht.

Im engeren Sinne, insbe­sondere in der Physik, ist mit den Navier-Stokes-Gleichungen die Impuls­gleichung[1] für Strö­mungen gemeint. Im erwei­terten Sinne,[2] insbe­sondere in der numerischen Strö­mungs­mechanik, wird diese Impuls­gleichung um die Kontinui­täts­gleichung und die Energie­gleichung erwei­tert. Sie bildet dann ein System von nicht­linearen partiellen Differen­tial­gleichungen zweiter Ordnung.

Der daraus resul­tierende Forma­lismus ist das grund­legende mathe­matische Modell der Strömungs­mechanik. Insbe­sondere lassen sich mit diesen Gleichungen Turbu­lenzen und Grenz­schichten beschrei­ben.

Die Navier-Stokes-Gleichungen bilden das Verhalten von Wasser, Luft und Ölen ab und werden daher in verein­fachter Form bei der Ent­wicklung von Fahr­zeugen wie Autos und Flug­zeugen ange­wendet. Dies geschieht in Nähe­rungs­form, da keine exakten analy­tischen Lösungen für diese kompli­zierten Anwen­dungs­fälle bekannt sind. Die Existenz und Ein­deutig­keit einer Lösung der Gleichungen ist für den all­gemeinen Fall noch nicht nach­gewiesen.

Einen wesent­lichen Fort­schritt im theore­tischen und prak­tischen Verstän­dnis viskoser Fluide lieferte Ludwig Prandtl 1904 mit seiner Grenz­schicht­theorie. Ab Mitte des 20. Jahr­hunderts ent­wickelte sich die numerische Strö­mungs­mechanik so weit, dass mit ihrer Hilfe für praktische Probleme Lösungen der Navier-Stokes-Gleichungen gefun­den werden können, die gut mit den realen Strö­mungs­vorgängen über­einstimmen.[3]




Impulsgleichung

Wie bereits erwähnt, bilden die Navier-Stokes-Gleichungen im engeren Sinne den Impuls­satz als Anwen­dung der Newton­schen Axiome auf ein Kontinuum ab. Eine all­gemein ver­wendete Form für kompres­sible Fluide lautet:[4]

Hier ist ρ die Dichte, p der (statische) Druck, die Geschwin­dig­keit eines Teil­chens in der Strö­mung, der Über­punkt genauso wie D/Dt unten ist die substan­tielle Ableitung nach der Zeit, ∂/∂t die partielle Ableitung nach der Zeit bei fest­gehaltenem Ort des Fluid­elements, „·” das (formale) Skalar­produkt mit dem Nabla-Operator und Δ der Laplace-Operator.

Auf der linken Seite der Gleichung steht die substan­tielle Beschleu­nigung der Fluid­elemente. Der mit dem Nabla-Operator gebildete Term stellt ihren konvektiven Anteil dar. Der Vektor steht für eine Volumen­kraft­dichte wie beispiels­weise die Gravi­tation oder die Corioliskraft, jeweils bezogen auf das Einheits­volumen, und besitzt die SI-Einheit N/m³. Bei den Parametern μ und λ handelt es sich um die dynamische Visko­sität und die erste Lamé-Konstante. In der Literatur werden sie auch als Lamé-Visko­sitäts-Konstanten bezeich­net.

Eine andere Schreibweise obiger Gleichung lautet:[5]


Darin ist ζ die Volumen­visko­sität. Mit der Kontinuitäts­glei­chung und Anwendung der Stokesschen Hypothese ζ = 0 [6] wird hieraus die Gleichung für die Impuls­dichte = p:


Das Rechen­zeichen bildet das dyadische Produkt. Das dyadische Produkt oder auch tenso­rielles Produkt genannt, ist in der Mathe­matik ein spezielles Produkt zweier Vektoren.

Um weitere Parameter zu berück­sichtigen, müssen in die Gleichungen noch die Massen­bilanz oder Kontinui­täts­gleichung (Massen­erhaltungs­satz) und bei Gasen die Energie­bilanz (Energie­erhaltungs­satz) hinzu­gefügt werden. Je nachdem, welche weiteren Anforde­rungen an das Fluid gestellt werden, ergibt sich das voll­ständige System in unter­schied­licher Form.

Die am häufig­sten ver­wendete Form sind die Navier-Stokes-Gleichungen für inkompres­sible Fluide. Denn sie sind für Unter­schall­strömungen gut geeignet und ihre Berechnung ist ein­facher als die kompres­sibler Fluide. Wir beschränken uns in diesem Kapitel nur auf kompres­sible Fluide.




Impulsgleichung in Komponenten

Die Vektor­form der Gleichungen gilt in jedem Koordi­naten­system. Nach­folgend werden die Kompo­nenten­gleichungen der Impuls­gleichung speziell für kartesische Koordinaten angegeben.[7]







Darin sind v(x,y,z) und ƒ(x,y,z) die Vektor­komponenten in den räumlichen x, y, z-Richtungen. In dieser Form kann eine mögliche Orts­abhängig­keit der Scher­visko­sität infolge ihrer Tempe­ratur­abhängig­keit und Tempe­ratur­schwankungen im Fluid berück­sichtigt werden.




Entdimensionalisierung

Die Navier-Stokes-Gleichungen können mit charakte­ristischen Maßen des gesamten Strömungs­gebiets für die Länge L, die Geschwin­dig­keit v und die Dichte ρ dimensions­los dar­gestellt werden. Damit ent­stehen folgende dimensions­lose Größen:


Dies führt zu der dimensions­losen Impuls­gleichung:


Darin charakterisiert die dimensions­lose Reynolds-Zahl ...

... die Strö­mung hinsicht­lich des Verhält­nisses von Träg­heits- zu Scher­kräften.[8] Bei Strömungen mit freier Ober­fläche enthält die dimensions­lose Kraft­dichte die soge­nannte Froude-Zahl, die das Ver­hältnis von Träg­heits- zu Schwere­kräften charakte­risiert.





Navier-Stokes-Gleichungen für kompressible Fluide

Für kompressible Gase werden die obigen Impuls­gleichungen um die Energie­bilanz und die Zustands­gleichung eines idealen Gases erweitert. Der komplette Satz an Gleichungen besteht also aus der Kontinui­täts­gleichung (Massen­erhaltung), Impuls­bilanz (Impuls­erhaltung), Energie­bilanz (Energie­erhaltung) und einer Zustands­gleichung.

Unter der Annahme, dass die Dichte entlang der Teil­chen­bahnen konstant ist, ent­stehen wieder die Gleichungen für inkompres­sible Fluide.

Im Folgenden bedeutet t die Ableitung einer Größe nach der Zeit und ist der Nabla-Operator, der die Ableitung nach dem Ort bildet, also je nach Ver­knüpfung die Divergenz oder den Gradient, und xi (i = 1, 2, 3) sind die drei Orts­koordinaten in einem karte­sischen Koordi­naten­system. Die angegebenen Bilanz­gleichungen führen in abgeschlos­senen Systemen zu Erhaltungs­gleichungen.





Massenerhaltung

Die Kontinuitäts­gleichung ent­spricht der Massen­erhaltung und wird hier mit der Impuls­dichte = ρ formuliert:




Impulserhaltung

Die Impuls­bilanz ent­spricht der Impuls­erhaltung und lautet in Index­schreibweise:

Wobei δij das Kronecker-Delta und ...

... der Reib­tensor oder viskose Spannungs­tensor sind. Der Material­parameter μ ist die dynamische Visko­sität, λ die erste Lamé-Konstante (Material­konstante) und ƒi ist die i-te Kompo­nente des Volumen­kraft­vektors. In der alter­nativen koordi­naten­freien Schreib­weise lautet die Impuls­bilanz:

Wobei ...

... der viskose Spannungs­tensor, d der Verzerrungs­geschwin­dig­keits­tensor, welcher der symme­trische Anteil des Geschwin­dig­keits­gradienten ∇ ⊗ ist und die Spur Sp(d) = ∇ · besitzt, −p1 + S = σ der Spannungs­tensor [9], 1 der Einheits­tensor und das dyadische Produkt ist.




Energieerhaltung

Die Energie­bilanz am Fluid­teil­chen im Schwere­feld der Erde lautet:


Wobei die Schwere­beschleu­nigung und ...

... die Enthalpie pro Einheits­masse ist. Das negative Vor­zeichen vor der Schwere­beschleu­nigung resul­tiert aus dem abwärts gerich­teten Vektor , sodass in einer auf­wärts führen­den Strö­mung poten­tielle Energie hinzu gewonnen wird. Der Wärme­fluss mittels kann mittels des Wärme­leit­koef­fizienten κ als ...

... geschrieben werden. Mit dem Quellterm q kann beispiels­weise die Absorp­tion und Emission von Wärme aus Treib­haus­gasen infolge von Ein­strah­lung beschrieben werden. Die totale Energie pro Ein­heits­masse E ist die Summe von innerer (e) kinetischer und poten­tieller Energie, sie lässt sich (mit der Höhe h) also schreiben als:




Zustandsgleichung

Nun liegen also vier Glei­chungen für fünf Variablen vor und das System wird durch die folgende Zustands­glei­chung abge­schlossen:


Die thermo­dyna­mischen Größen Dichte, Druck und Temperatur sind durch das ideale Gas­gesetz verbunden:

Oft geht man zusätz­lich von einem perfekten Gas mit kons­tanter spezi­fischer Wärme­kapazi­tät cv aus. Dann verein­facht sich das Integral und es gilt:

In beiden Fällen hängen der Isentropen­exponent γ und die Gas­konstante R durch den spezi­fischen Wärme­koef­fizienten für kons­tanten Druck cp respektive konstantes Volumen cv durch γ = cp / cv und R = cp - cv zusammen.





Randbedingungen

Ein wesent­licher Punkt bei den Navier-Stokes-Gleichungen ist die experi­mentell sehr gut nach­gewiesene Haft­bedingung (No-Slip-Bedingung), bei der an einer Wand sowohl in Normalen­richtung als auch insbe­sondere in tangen­tialer Richtung als Relativ­geschwin­dig­keit Null vor­geschrieben werden. Die Fluid­teilchen kleben also an der Wand. Dies führt zur Bildung einer Grenz­schicht, die für wesent­liche, nur durch die Navier-Stokes-Gleichungen modellierte Phäno­mene verant­wort­lich ist. Nur wenn die freie Weg­länge bewegter Moleküle groß ist zur charakte­ristischen Länge der Geometrie (z. B. für Gase mit extrem niedrigen Dichten oder Strö­mungen in extrem engen Spalten) ist diese Bedingung nicht mehr sinnvoll.

Durch dynamische (also Kraft-) Rand­bedin­gungen auf einer Fläche wird die Fläche im All­gemeinen deformiert und die Strö­mung folgt ihr. Zum Problem gehört dann die Bestim­mung der Fläche dazu. Sie ergibt sich aus der Vorgabe des Flächen­kraft- oder Spannungs­vektors für alle Punkte auf der Fläche und der Tatsache, dass die Fläche eine materielle Fläche ist, denn Flächen­kräfte können nur auf Fluid­teilchen auf­gebracht werden. Auf der Fläche gilt also wobei der Normalen­einheits­vektor der Fläche ist und sich der Spannungs­tensor aus der Material­gleichung σ = −p1 + λ Sp(d)1 + 2μd berechnet.[10] Zumeist, vor allem im tech­nischen Bereich wie z. B. am Aus­lass eines durch­strömten Rohres, ist die Fläche bekannt, was die Aufgaben­stellung erheb­lich ver­einfacht.

Bei entspre­chend klein­skaligen Strö­mungen ist die Ober­flächen­spannung zu berück­sichtigen, die nach der Young-Laplace-Gleichung von der Krüm­mung der Ober­fläche abhängt. Bei schwacher Krüm­mung entsteht für den Druck an der Ober­fläche die Gleichung

Hier ist p der vor­gegebene Druck auf der Fläche h, die hier die Flächen­parameter x und y besitzt, und γ ist ein Parameter, der die Stärke der Ober­flächen­spannung skaliert.[11]

Zusätz­lich muss gegebenen­falls am Rand noch ent­weder eine Tempe­ratur oder ein Wärme­fluss vor­geschrieben werden.


Quellen

[1] L.D. Landau, E.M. Lifshitz: Fluid Mechanics - Course of Theoretical Physics, Institute of Physical Problems, Pergamon Press, 1966, S. 47-53.
[2] A. Chorin, J.-E. Marsden: A Mathematical Introduction to Fluid Mechanics. Springer Verlag, 2000.
[3] F. Durst: Grundlagen der Strömungsmechanik. Springer, 2006, S. 10-16.
[4] J.-N. Reddy: An Introduction to Continuum Mechanics. Cambridge 2008, S. 212-214.
[5] L.D. Landau, E.M. Lifshitz: Fluid Mechanics - Course of Theoretical Physics, Institute of Physical Problems, Pergamon Press, 1966, S. 47-53.
[6] G. G. Stokes: On the Theories of Internal Friction of Fluids in Motion. In: Transactions of the Cambridge Philosophical Society. Band 8, 1845, S. 287-305.
[7] Oertel (2012), S. 252.
[8] Oertel (2012), S. 267 ff.
[9] L. D. Landau, E. M. Lifshitz: Fluid Mechanics - Course of Theoretical Physics, Volume 6, Institute of Physical Problems, Pergamon Press, 1966.
[10] P. Haupt: Continuum Mechanics and Theory of Materials. Springer, 2002, S. 182 ff.
[11] M. Bestehorn: Hydrodynamik und Strukturbildung. Springer, 2006, S. 64.


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