„Wirbelstrukturen” sind etwas Allgegenwärtiges in unserer unmittelbaren Umgebung und in der Natur. Nicht immer erschließen sich Wirbel bzw. Strudel so offensichtlich wie zum Beispiel der Wasserwirbel in einem Wasserabfluss. Oder beim Auflösen von Zucker mit einem Löffel in einem Trinkgefäß. Und wir können Wirbelschleppen gut sichtbar an einem startenden oder landenden Flugzeug beobachten.
Wenn sich Wetterfronten bilden, entstehen manchmal gewaltige Wirbel in Form eines Tornados oder bilden sich sogar zu einem Hurrikan aus. Im Makrokosmos sind Galaxien in Wirklichkeit gigantische Spiralwirbel. Im Mikrokosmos lassen sich quantenmechanische Effekte durch Wirbelstrukturen beschreiben. Und selbst der Aufbau unseres Sonnensystems und sogar die Strukturen im Universum beruhen auf den gleichen Gesetzmäßigkeiten.
Man könnte obige Aufzählung um ein Vielfaches erweitern. Letztlich bleibt aber die Frage im Raum stehen, welches physikalische Gesetz beschreibt diese Phänomene? In den vorherigen Kapiteln dieses Bereiches konnten wir sehen, dass es offensichtlich „Goldene Prinzipien” gibt, und dass die Natur einem Gesetz zu folgen scheint, welches man überall wiederfindet.
Vordergründig scheinen es nur
Als „Wirbel” oder „Vortex” bezeichnet man in der Strömungslehre eine drehende Bewegung von Fluidelementen um eine gerade oder geschwungene Drehachse. Wirbel werden durch gekrümmte Wände eingeleitet, durch äußere Kräfte angefacht, durch die Drehimpulserhaltung erzwungen oder sind eine Konsequenz des Ausgleichsbestrebens sich selbst überlassener Fluide. So besagt es der 2. Hauptsatz der Thermodynamik.
Runde Einfassungen wie bei einem Glas oder der Stufensprung bei einer Wasserwalze
leiten Strömungen im Kreis. In der Aero- und Hydrodynamik entstehen Wirbel,
wenn sich ein Fahrzeug durch ein Fluid bewegt. Bekannteste Beispiele sind, wenn sich
ein Auto oder ein Flugzeug durch die Luft bzw. ein Schiff durch das Wasser bewegt. Wenn es
zu Strömungsabrissen an der
So sind es insbesondere Trägheitskräfte in Fluiden, die das Medium in Rotation versetzen. Der Corioliseffekt in der Erdatmosphäre lenkt zum Beispiel Strömungen innerhalb des Luftkörpers in eine Kreisbewegung um. Dies ist auch die Ursache dafür, dass Hoch- und Tiefdruckgebiete in der Atmosphäre Wirbel bilden.
Wenn Fluide auf ein Zentrum zustreben, dann können Fluidelemente, die einen Drehimpuls besitzen, nicht einfach geradewegs hinein stürzen. Die Erhaltung des Drehimpulses zwingt sie erst auf eine Kreisbahn um das Zentrum, wodurch im interstellaren Raum protoplanetare Scheiben, sogenannte Akkretionsscheiben entstehen. Das sind Wirbel aus Staub und Gas, die sich um junge Sterne im Zentrum bilden.
Nur indirekt von äußeren Einflüssen geleitet entstehen Wirbel, wenn Fluidmassen mit unterschiedlichen Eigenschaften aufeinander treffen. Die Fluidmassen können sich unter anderem in ihrer Temperatur, ihrer Geschwindigkeit oder ihrer Dichte unterscheiden. An den Grenzflächen zwischen den Fluidmassen kommt es bei hinreichender Differenz in den Eigenschaften (am Kipp-Punkt) zu Instabilitäten, die zu Wirbeln und im weiteren Verlauf zu turbulenter Strömung führen, in der schließlich unterschiedlich große Wirbel die Massen intensiv durchmischen.
Ein solches Phänomen ist die Kelvin-Helmholtz-Instabilität zwischen zwei unterschiedlich schnellen Strömungen oder die Rayleigh-Taylor-Instabilität zwischen zwei unterschiedlich schweren Flüssigkeiten. Die Durchmischung führt zu einem Ausgleich des Gefälles, es sei denn, äußere Einflüsse halten das Gefälle aufrecht. Dann können andauernde, kreisende Konvektionszellen entstehen.
„Wirbel” bilden in der Regel keine stationäre Strömung, sondern sie ändern oft ihre Form und bewegen sich als Ganzes fort. In diesem Fall bewegen sich die Fluidelemente nicht auf geschlossenen Kurven. Vielmehr gleichen sie eher Schraubenlinien oder Zykloiden. Die Drehachse der Wirbel, sprich die analog zur Stromlinie definierte Wirbellinie, kann eine gebogene, sich windende und als Ganzes bewegende Linie wie bei einem Tornado sein. Die drehende Bewegung kann mit einem zum Zentrum hin oder weg gerichtetem Fluss kombiniert sein. Sehr schön lässt sich das an einem Wasserstrudel bei Abflüssen beobachten. Ein rein kreisender Wirbel ohne eine radiale Geschwindigkeitskomponente wird quellenfrei genannt.
Wegen der Drehimpulserhaltung können Wirbel nicht ohne Weiteres aufhören oder sich zu drehen beginnen. Wirbel, die sich aufgelöst haben, bleiben verschwunden (1. Helmholtz'scher Wirbelsatz). Die Kreisbewegung eines Rings aus Fluidelementen ist eine Erhaltungsgröße (Kelvin'scher Wirbelsatz). Diese Zirkulation ist über die Länge einer Wirbelröhre konstant (3. Helmholtz'scher Wirbelsatz). Daher neigen Wirbel dazu, ausgedehnte Wirbelröhren im Fluid auszubilden. Durch Reibungseffekte und Umwandlung in thermische Energie lösen sich reale Wirbel mit der Zeit auf und die Zirkulation nimmt stetig ab.
Die Fluidelemente werden vom Wirbel mitgeführt (2. Helmholtz'scher Wirbelsatz). Auf diese Weise können Wirbel die Masse, den Drehimpuls und die Energie über größere Entfernungen mit nur geringen Verlusten transportieren. Ein klassisches Experiment sind die Rauchringe.
In größeren Wirbeln drehen sich die Fluidelemente nicht mehr um sich selbst, sondern werden im Kreis parallel verschoben. Diese Tatsache führt zwischen den Fluidelementen zu Scherungen, die zum Zentrum des Wirbels hin zunehmen. Die Viskosität verringert diese Scherung im Zentrum des Wirbels oder in kleinen Wirbeln, so dass es dort zu einer quasi-starren Rotation kommt.
In einem Fluid mit niedriger Viskosität ist in einer stationären Strömung, wenn man die äußeren Kräfte vernachlässigt, die Summe aus kinetischer Energie und dem statischen Druck entlang einer Stromlinie konstant. Der statische Druck, ist der Druck, den ein mit der Strömung mitbewegtes Fluidelement verspürt. In größeren Wirbeln nimmt die Strömungsgeschwindigkeit zum Zentrum hin zu, weswegen der statische Druck dort abnimmt.
In einem realen Gas geht in einem konstanten Volumen der geringer werdende Druck mit geringer werdender Temperatur einher. Deshalb ist die Temperatur im Zentrum am niedrigsten. Das ist auch ein Grund dafür, warum am Flugzeug Kondensstreifen sichtbar werden. Die Wirbelstärke ist in den Randzonen an den Flügelspitzen am größten und dort bilden sich klar umrissene Wirbelröhren. Die Intensität der Wirbelröhren nimmt zum Rumpf hin ab.
„Wirbel” sind der Hauptbestandteil „turbulenter” Strömungen aber nicht jeder Wirbel gehört zu einer turbulenten Strömung. Turbulente Strömungen beinhalten auf allen Größenskalen Wirbel, die sich scheinbar ungeordnet bewegen. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass bei Einbeziehung der Reynolds-Gleichung die Geschwindigkeit eines Fluids in einen Mittelwert und einen statistischen Schwankungswert aufgeteilt werden kann. Der zeitunabhängige Mittelwert berücksichtigt die stationären Wirbel, wogegen der Schwankungswert die zufälligen, fluktuierenden Wirbel einbezieht.
Ein Grenzfall sind periodische Ablösungen von Wirbeln wie in einer sogenannten Wirbelstraße, die hinter einem umströmten Zylinder bei nicht zu großer Reynoldszahl entsteht. Der Zylinder wird zunächst laminar und wirbelfrei umströmt. Bei zunehmender Strömungsgeschwindigkeit bilden sich periodische Ablösungen. Es lösen sich wie bei einem charakteristischen Muster abwechselnd links- und rechtsdrehende Wirbel ab. Diese Wirbel sind weder stationär noch chaotisch.
Mit steigender Anströmungsgeschwindigkeit geht die Wirbelstraße
dann in eine turbulente Strömung über. Es treten nach und nach mehr Wirbel auf,
so dass der Strömungswiderstand ansteigt. Beim Übergang zur
Turbulenz variieren die Größe der Wirbel und die Zeitpunkte ihrer Ablösung
immer mehr. Bei voll ausgebildeter Turbulenz sind Wirbel auf allen
Größenskalen vorhanden. Bei einer Reynoldszahl
Der „Potentialwirbel” oder auch „freie Wirbel” genannt ist ein klassisches Beispiel einer rotationsfreien Potentialströmung. Große Wirbel in Fluiden mit niedriger Viskosität lassen sich mit diesem Modell gut beschreiben. Die Winkelgeschwindigkeit in diesen Wirbeln ist in ihrem Zentrum am größten, wobei andererseits der Druck am kleinsten ist. Wegen dieser, verzerrten Geschwindigkeitsverteilung werden die Fluidelemente verformt.
Weil die Rotation des Geschwindigkeitsfeldes gemäß ...
... verschwindet, zeigen die Fluidelemente trotz ihrer kreisenden Bewegung im Wirbel immer in dieselbe Richtung.
Wenn man mathematisch genau ist, gilt die obige Gleichung allerdings nur
außerhalb des Zentrums, also für
... gilt, mit der 2-dimensionalen Diracschen Deltafunktion und der Wirbelstärke ₀.
Wegen dieser totalen Rotationsfreiheit für alle Punkte außerhalb des Zentrums kann lokal nicht auf eine Wirbelbewegung geschlossen werden. Erst die Beobachtung eines größeren Gebietes oder über längere Zeiträume gestattet es, diese Wirbel zu erkennen. In der numerischen Strömungsmechanik ist das kleinste betrachtete Volumen das finite Volumen für das sogenannte Wirbelkriterien formuliert wurden, um Wirbel von Scherschichten zu unterscheiden.
Wie sich das im Detail interpretieren lässt, wird in einem anderen Kapitel näher beleuchtet.
Ein „Festkörperwirbel” bildet sich zum Beispiel, wenn sich nach entsprechend langer Anlaufzeit eine Flüssigkeit in einem Gefäß auf einem Drehteller mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω als starrer Körper dreht. Mitbewegte Fluidteilchen drehen sich um ihre eigene Achse, ohne verformt zu werden. In einem Festkörperwirbel gilt:
Alle Fluidpartikel bewegen sich wie beim Potentialwirbel auf konzentrischen Kreisbahnen, aber die Geschwindigkeits- und Druckverteilung sind jeweils völlig andere. Die Geschwindigkeit ist außen am größten und innen am langsamsten, so dass der Druck außen am niedrigsten und innen am höchsten ist.
Der „Rankine-Wirbel”, benannt nach William J. M. Rankine, ist ein Wirbelmodell, das den Potentialwirbel im Außenbereich mit dem Festkörperwirbel im Zentrum verbindet[2]. Der Potentialwirbel beschreibt nämlich eine Ausflussströmung im Außenbereich gut, wo die Umfangsgeschwindigkeit vφ mit dem Radius abnimmt und keine Rotation vorliegt:
Mit Annäherung der Fluidelemente an das Zentrum entwickeln sich im Potentialwirbel unrealistisch hohe Schergeschwindigkeiten im Fluid. Im Rankine-Wirbel verhindern Zähigkeitskräfte unterhalb eines gewissen Kernradius r₀ die Scherungen und es kommt zu einer quasi-starren Drehung.
Abb. 1: Skizze eines Rankine-Wirbel
Innerhalb des Kernradius ist die Umfangsgeschwindigkeit daher proportional zum Radius und die Rotation ω ist konstant ungleich Null. In realen Fluiden verläuft der Übergang von der Außen- in die Kernströmung nicht abrupt, sondern glatt. Der Effekt der außen fehlenden und innen vorhandenen Rotation der Teilchen lässt sich z. B. durch mitschwimmende Streichhölzer nachweisen.
Der Hamel-Oseensche-Wirbel, benannt nach Carl Wilhelm Oseen und Georg Hamel, ist ein Wirbelmodell, das die Navier-Stokes-Gleichungen exakt erfüllt, die die Strömung realer Fluide gut beschreibt. Das Fluid strömt rein kreisförmig jedoch zeitabhängig, instationär um das Wirbelzentrum. Die Viskosität zehrt die kinetische Energie des Wirbels mit der Zeit auf und die Strömungsgeschwindigkeit nimmt monoton mit der Zeit ab. Zu Beginn der Bewegung oder im Grenzfall verschwindender Viskosität ist der Wirbel ein Potentialwirbel. Ansonsten ist das Geschwindigkeitsprofil des Hamel-Oseenschen-Wirbels beschränkt und entspricht im Wirbelkern, sowie im Außenbereich einem Rankine-Wirbel.
Abb. 2: Umfangsgeschwindigkeit beim Hamel-Oseenschen-Wirbel im Vergleich mit der starren Rotation und dem PotentialwirbelBevor wir uns an die Wirbelstrukturen in unserem Universum bis hin zu unserem Sonnensystem heranwagen, gehen wir im nächsten Kapitel noch kurz auf die Navier-Stokes-Gleichungen ein, weil sie die Strömung realer Fluide gut beschreiben.
Quellen
[1] J. H. Spurk: Strömungslehre. Einführung in die Theorie der Strömungen. 8. überarbeitete Auflage. S. 377 f.
[2] H. E. Siekmann, P. U. Thamsen: Strömungslehre. Springer, 2007, S. 177 f.
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