„Klassische” Stellaratoren, wie sie im IPP bis Ende der 1980er Jahre untersucht wurden, können das Plasma weniger gut einschließen als Tokamaks. Probleme machten insbesondere die schnellen „stoßfreien” Teilchen, die das Einschlussgebiet zu rasch verließen: In ringförmigen Fusionsplasmen haben die geladenen Plasmateilchen bei den Temperatur- und Dichtewerten, die für die Fusion notwendig sind, extrem lange freie Weglängen zwischen Stößen. Das magnetische Moment eines Teilchens, das durch seine schnelle Kreisbewegung (Gyration) um die magnetischen Feldlinien entsteht, ist eine so genannte adiabatische Invariante, d. h. der Wert bleibt bei langsamen Änderungen des Magnetfeldes konstant. Da der Gyroradius im Vergleich zum Plasmaradius sehr klein ist, darf – bei gutem Einschluss – auch die Bahn des Gyrozentrums das Plasmagebiet nicht verlassen. Die Energieerhaltung des Teilchens längs dieser Bahn in einem statischen Magnetfeld bewirkt, dass Teilchen, die sich mit hinreichend kleiner Geschwindigkeit parallel zum Magnetfeld in eine Region ansteigender Feldstärke bewegen, reflektiert werden. Dies führt zum Einfangen der Teilchen zwischen Gebieten großer Feldstärke.
Zusätzlich jedoch driften die Bahnen auf Grund von Feldstärkegradienten und Feldlinienkrümmung senkrecht zu den Feldlinien. Diese beiden Effekte bewirken im Allgemeinen, d. h. für beliebige ringförmige Plasmen, dass energiereiche reflektierte Teilchen „stoßfrei” verloren gehen. Sie driften aus dem Einschlussgebiet heraus und sind samt ihrer Energie für die Fusion verloren. Wenn aber das Plasmagebiet eine Symmetrie aufweist – in einem Ring bzw. Torus ist dies die Axialsymmetrie um die Haupt-Torusachse mit dem toroidalen Winkel als ignorabler Koordinate –, dann existiert eine zusätzliche Konstante der Bewegung, die stoßfreien Driftbahnenverlust verhindert. Dies ist beim axialsymmetrischen Tokamak der Fall.
Wenn die Plasmageometrie gerade sein könnte, existierten zwei zusätzliche Symmetrien, erstens Axialsymmetrie um die Achse der Plasmasäule, die so genannte poloidale Symmetrie, und zweitens helikale Symmetrie. Weil jedoch in einer geraden, aber notwendigerweise endlich langen Plasmasäule die Teilchen an den Enden verloren gingen, muss das Plasmagebiet ringförmig geschlossen sein. Diese beiden Symmetrien sind also in Fusionsanlagen nicht realisierbar.
Beschreibt man jedoch die Driftbahnen in Koordinaten, die der Geometrie der Feldlinien
speziell angepasst sind – so genannte magnetische Koordinaten, in denen die Feldlinien
gerade erscheinen –, so sieht man, dass die gyrierenden Teilchen nicht alle geometrischen
Eigenschaften eines Magnetfeldes wahrnehmen. Die einzige
Abb. 1: Quasi-helikalsymmetrische Plasmaform und zugehörige Topographie
der Magnetfeldstärke am Plasmarand. Die Farbcodierung gibt die Stärke des
Magnetfeldes an.
Für helikalsymmetrische und axialsymmetrische Gestalt der Magnetfeldstärke ist die Antwort im Wesentlichen positiv. Solche Einschlusskonfigurationen wurden quasi-symmetrisch genannt, da sich die Symmetrie ja nicht auf die Geometrie selbst bezieht. Die dritte – quasi-poloidale – Symmetrie kann nicht verwirklicht werden. Wichtig war hier jedoch die Erkenntnis, dass es genügen würde, den Driftbahnenverlust für ein komplexeres Ersatzteilchen als das Gyro-Teilchen zu vermeiden: Im Zusammenhang mit dem Einfangen der Teilchenbahn zwischen Gebieten großer Feldstärke existiert nämlich eine zweite adiabatische Invariante, das Wirkungs-Integral zwischen Reflektionspunkten. Deshalb ist es hinreichend, die Konturen dieser zweiten adiabatischen Invarianten poloidal, d. h. um die Achse der Plasmasäule herum, zu schließen. Einschlusskonfigurationen dieses Typs existieren tatsächlich. Sie wurden quasi-isodynamisch genannt, weil Gyro-Teilchen, die nur poloidal driften, als isodynamisch bezeichnet werden.
All dies zeigt, dass der früher für fundamental gehaltene Nachteil von Stellarator-Magnetfeldern, nämlich stoßfreie reflektierte Teilchen nicht einzuschließen, überwunden werden kann. Aus den obigen Resultaten entwickelten sich drei innovative Linien der Stellarator-Forschung. Die Entdeckung quasi-helikalsymmetrischer Konfigurationen eröffnete die erste Möglichkeit, einen Stellarator mit stoßfreiem Einschluss zu bauen und führte zu der Anlage HSX (Helically Symmetric Experiment) an der Universität von Wisconsin, USA. Abbildung 1 zeigt die Topographie der Magnetfeldstärke am Plasmarand; das helikale Merkmal der Magnetfeldstärke ist offensichtlich.
Das Konzept der Quasi-Axialsymmetrie (Abb. 2) erlaubt es, in eine tokamakartige Konfiguration, d. h. eine Konfiguration mit starkem toroidalen Strom, zusätzlich eine extern erzeugte Verschraubung der Feldlinien einzuführen, ohne ihren stoßfreien Teilcheneinschluss zu zerstören. Diese Linie, die wenig anfällig ist für Stromabbrüche und weniger Strombetrieb verlangt, wurde in Projekten im Princeton Plasma Physics Laboratory in den USA und im National Institute for Fusion Studies in Japan untersucht.
Abb. 2: Quasi-axialsymmetrisches Plasma.
Das dritte Einschlussprinzip schließlich, die Quasi-Isodynamik, erlaubt es, den vom
Plasma getriebenen toroidalen Strom zu eliminieren. Sie wird mit Wendel
Abb. 3: Eine quasi-isodynamische Plasmageometrie wird mit
Wendel
Wesentliche Elemente dieser Optimierung waren auf der theoretischen Seite qualitatives Wissen über geometrische Charakteristika, die günstigen Einfluss auf das Einschlussverhalten von Stellaratoren haben. Auf rechnerischer Seite waren als Grundelemente einer nichtlinearen Optimierungsprozedur nichtlineare, aber richtig gestellte Randwertprobleme zur Beschreibung von Stellaratorkonfigurationen zu lösen. Schließlich war auf der strategischen Seite eine Risikostrategie für die Verwirklichung physikalischer Eigenschaften nötig, nämlich die Aussortierung denkbarer Konfigurationen mittels derjenigen physikalischen Eigenschaft, deren Nichterfüllung am leichtesten zu zeigen war.
Quellen
[1] Max-Planck-Institut für Plasmaphysik – IPP Greifswald und Garching
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