Fusionsexperimente vom Typ Stellarator haben sich in den letzten Jahren als aussichtsreiche Alternative zu Tokamaks entwickelt. Stellaratoren schließen das Plasma durch Magnetfelder ein, die allein durch Spulen außerhalb des Plasmabereichs erzeugt werden. Ein Strom im Plasma – wie im Tokamak – ist also nicht nötig. Wichtigste Folgen hieraus sind: Stellaratoren eignen sich für den Dauerbetrieb, die unerwünschten Abbrüche des Plasmastroms treten nicht auf. Als weltweit einziges Institut betreibt das IPP mit den Tokamaks der ASDEX- und den Stellaratoren der WENDELSTEIN-Serie beide Linien parallel zueinander und hat damit die Möglichkeit des direkten Vergleichs.
Einer der Gründe für den historischen Vorsprung der Tokamaks waren die mäßigen Kraftwerkseigenschaften des früheren „klassischen” Stellarators. Mit seinem unzureichend einschließenden Magnetfeldkäfig, der überdies von ineinander verketteten, d. h. schwer demontierbaren Spulensystemen erzeugt wurde, hatte er als Fusionskraftwerk wenige Aussichten. Zur verbesserten Umsetzung des Stellaratorprinzips beschritt die Stellaratorforschung im IPP daher gänzlich neue Wege: In strikter Ausrichtung auf die Kraftwerkserfordernisse löste man sich erstens von dem alten Spulenkonzept der helikalen Windungen und begann zweitens mit der systematischen Suche nach dem optimalen Magnetfeld eines Stellarators.
Der dafür notwendige große Theorie- und Rechenaufwand konnte erst durch die modernen schnellen Computer bewältigt werden. In mehr als zehnjähriger Arbeit beschrieb und untersuchte die Gruppe „Stellarator-Theorie” des IPP den weiten Raum theoretisch möglicher Stellarator-Konfigurationen. Die Anforderungen an die Kraftwerkseigenschaften wurden schrittweise eingebaut und so die bezüglich Plasmagleichgewicht, Stabilität und Einschlussvermögen optimale Konfiguration entwickelt – der „Advanced Stellarator”. In dieser optimierten Form können Stellaratoren als echte Alternative zu einem Tokamakkraftwerk gelten.
Das Experiment WENDELSTEIN 7-AS, die erste Anlage dieser neuen Stellarator-Generation,
ging 1988 in Betrieb und unterwirft die theoretischen Überlegungen einem ersten
praktischen Test. Gleichzeitig ist ein modulares Spulenkonzept verwirklicht, das auch
technologisch kraftwerksrelevant ist. Der weiterentwickelte Nachfolger
WENDELSTEIN 7-AS
Abb. 1: Das Stellarator-Experiment WENDEL-STEIN 7-AS
Radius der Anlage (über alles): | 3,6 Meter | |
Höhe (über alles): | 4 Meter | |
Gewicht: | 250 Tonnen | |
Großer Plasmaradius: | 2 Meter | |
Mittlerer kleiner Plasmaradius: | 0,18 Meter | |
Plasmavolumen: | ca. 1 Kubikmeter | |
Plasmagewicht: | ≤ 0,001 Gramm | |
Anzahl der modularen Spulen: | 45 | |
Strom pro Spulenwindung: | 35 Kiloampere | |
Magnetfeld: | bis 2,5 Tesla | |
Rotationstransformation: | 0,3 – 0,6 | |
Pulsdauer: | bis 3 Sekunden | |
Heizleistung: | ||
- Elektronen-Zyklotronheizung: | 2,1 Megawatt | |
- Ionen-Zyklotronheizung: | 0,5 Megawatt | |
- Neutralinjektion: | 2,6 Megawatt | |
Der Stellarator WENDELSTEIN 7-AS ist seit 1988 in Betrieb. Als erste Anlage der neuen Generation der „Advanced Stellarators” unterwirft er die zugrundeliegenden Optimierungsprinzipien einem ersten praktischen Test: Von bisherigen Stellaratoren unterscheidet sich WENDELSTEIN 7-AS durch ein besser geformtes Magnetfeld, das eine höhere Dichtigkeit des magnetischen Käfigs besitzt und ein Plasmagleichgewicht bei höherem Druck ermöglicht. Auch technisch geht WENDELSTEIN 7-AS durch seine neuartigen Magnetspulen über bisherige Stellaratoren hinaus: Ein einziger Satz aus 45 nichtebenen Einzelspulen erzeugt das gesamte zum Plasmaeinschluss nötige Feld. Es konnte gezeigt werden, dass das berechnete Magnetfeld sich von diesen modularen Spulen mit der erforderlichen Genauigkeit erzeugen lässt.
Ziel der Untersuchungen an WENDELSTEIN 7-AS ist es, die physikalischen und technischen Grundlagen des Advanced Stellarator zu testen. Untersucht werden insbesondere die Einschlusseigenschaften des verbesserten Magnetfeldes, d. h. der Energie- und Teilchentransport, auch unter dem Einfluss von elektrischen Feldern und Plasmaströmen, sowie das Plasmagleichgewicht und seine Stabilität in Abhängigkeit vom Plasmadruck. Seinerzeit lag ein besonderer Schwerpunkt auf der Untersuchung des Verunreinigungstransports und der Verunreinigungskontrolle. Neu entwickelt oder für die Anwendung an WENDELSTEIN 7-AS optimiert wurden verschiedene Heizverfahren.
Anfangs (Bisher) liefen 53.000 Entladungen mit typischen Pulsdauern von 0,5 bis
1,5 Sekunden. In diesen Entladungen konnte WENDELSTEIN 7-AS die bekannten Vorzüge
des stromlosen Stellarators gegenüber dem Tokamak bestätigen: Der nettostromfreie
Betrieb wurde demonstriert, d. h. Stellaratoren eignen sich für den Dauerbetrieb;
Stromabbrüche treten nicht auf. Die anfänglichen (bisherigen) Experimente zeigten
außerdem die Leistungsfähigkeit der Optimierungskriterien. Damit wurden die
Voraussetzungen geschaffen, mit der zurzeit im Teilinstitut Greifswald entstehenden
größeren und vollständig optimierten Anlage
Kernstück von WENDELSTEIN 7-AS ist der Kranz aus 45 Stellaratorspulen, der das gesamte zum Plasmaeinschluss nötige Feld produziert (siehe Abbildung). Überlagerte toroidale und vertikale Felder, die von zusätzlichen Spulen erzeugt werden, können dieses System verändern. So lässt sich der Einfluss unterschiedlicher Magnetfeldkonfigurationen, die sich hinsichtlich Rotationstransformation, Verscherung der magnetischen Feldlinien oder magnetischer Spiegel unterscheiden, auf das Plasmaverhalten untersuchen.
An WENDELSTEIN 7-AS werden drei unterschiedliche Heizverfahren zur Erzeugung und Heizung „stromloser” Plasmen benutzt: Heizung durch Wellen der Elektronen- und Ionen-Zyklotronfrequenz sowie Neutralteilchenheizung. Bei den Hochfrequenz-Heizverfahren koppelt die Ionenzyklotronheizung an die Kreisbewegung der Ionen um die Magnetfeldlinien an, die Elektronen Zyklotronheizung an die der Elektronen.
Der Hochfrequenzheizung bei der Elektronen-Zyklotronfrequenz kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die Mikrowellen können das Plasma nicht nur wirksam heizen, sondern auch aus einem Neutralgas erzeugen. An WENDELSTEIN 7-AS stehen in der letzten Ausbaustufe vier Mikrowellen-Generatoren, sogenannte Gyrotrons, mit einer Frequenz von 140 Gigahertz sowie ein weiteres bei 70 Gigahertz zur Verfügung. Das bedeutet eine Gesamtheizleistung von etwa zwei Megawatt bei 140 Gigahertz und 0,5 Megawatt bei 70 Gigahertz mit jeweils einer Pulsdauer von etwa einer Sekunde. Die Mikrowellen können bei den Resonanzfeldstärken von 1,25 bzw. 2,5 Tesla Plasmen bis zu einer Dichtegrenze von 3·1013 bzw. 6·1013 (bei 70 Gigahertz) oder 1,2·1014 Teilchen pro Kubikzentimeter (bei 140 Gigahertz und 2,5 Tesla) aufbauen. Bei höheren Plasmadichten werden die Mikrowellen normalerweise vom Plasma reflektiert.
Wegen der kurzen Wellenlänge im Millimeterbereich können die Mikrowellen direkt über Fenster und Spiegel „quasioptisch” in das Plasma eingestrahlt werden, ähnlich wie bei einer Richtfunkstrecke. Eine Antenne in Plasmanähe, die zu einem Zufluss von Verunreinigungen führen könnte, ist also nicht nötig. Ein großer Vorteil der Elektronen-Zyklotronheizung ist auch, dass sie das Plasma lokal aufheizen kann. So lässt sich die Temperaturverteilung der Elektronen lokal verändern und damit der Wärmetransport der Elektronen gezielt untersuchen. Die Experimente zur Elektronen-Zyklotronheizung an WENDELSTEIN 7-AS werden zusammen mit dem Institut für Plasmaforschung (IPF) der Universität Stuttgart ausgeführt, wo die Leitungen zur Übertragung der Mikrowellen entwickelt wurden.
Für WENDELSTEIN 7-AS ist die Heizung mit Elektron-Zyklotronwellen nicht nur ein Zünd- und Heizverfahren, sondern auch ein eigenständiges Forschungsprogramm. Es konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass man durch geeignete Einstrahlung der Wellen einen toroidalen Strom wie im Tokamak treiben kann. Bei diesem sogenannten Elektronzyklotron-Stromtrieb wird über eine asymmetrische Verformung der Geschwindigkeitsverteilung der Elektronen eine Nettodrift der Elektronen erzeugt.
In einem weiteren wichtigen Entwicklungsschritt konnte die Dichtebeschränkung für die Elektronen-Zyklotronheizung überwunden werden: Ab einer kritischen Elektronendichte ist das Plasma für elektromagnetische Zyklotronwellen nämlich reflektierend und damit unzugänglich – ähnlich wie Licht, also Strahlung im sichtbaren Frequenzbereich, an metallischen Oberflächen reflektiert wird. An WENDELSTEIN 7-AS ist es im weiteren Verlauf gelungen, unter bestimmten Voraussetzungen die elektromagnetischen Zyklotronwellen im Plasma in elektrostatische Wellen, ähnlich den Schallwellen, umzuwandeln. So konnte der Einsatzbereich der Elektron-Zyklotronheizung zu extrem hohen Plasmadichten ausgeweitet werden. Da bei diesen hohen Dichten an WENDELSTEIN 7-AS Plasmazustände mit besonders attraktiven Eigenschaften gefunden wurden, ist diese neu gefundene Technik besonders bedeutsam.
Die Neutralteilchenheizung an WENDELSTEIN 7-AS ist mit zwei Injektoren mit jeweils vier Ionenquellen ausgerüstet. Sie erzeugen zusammen Heizleistungen bis zu 2,6 Megawatt. Diese Leistung kann nur in ein „Startplasma” eingekoppelt werden, das im Allgemeinen durch Elektronen-Zyklotronheizung erzeugt worden ist. Da die Neutralteilchenheizung das Plasma nicht nur heizt, sondern mit dem Einschießen der Neutralteilchen auch die Dichte des Plasmas erhöht, lässt sich die Plasmadichte vor allem bei hoher Heizleistung nur noch schwer kontrollieren. Eine Dichtekontrolle konnte jedoch mit der gleichzeitigen Verwendung der Elektronen-Zyklotronheizung erreicht werden, wenn die Leistung der Neutralteilchenheizung die der Elektronen-Zyklotronheizung nicht wesentlich übersteigt. Dabei muss aber gegebenenfalls auch die Dichtegrenze der Elektronen-Zyklotronheizung beachtet werden. Erst durch den Einbau von Divertor-Modulen konnte dieses Problem gelöst werden, da nun die von der Wand des Plasmagefäßes zurückkommenden Teilchen besser kontrolliert werden können.
Die Hochfrequenzheizung bei der Ionen-Zyklotronfrequenz von 38 Megahertz – die dritte Heizmethode an WENDELSTEIN 7-AS – hat den Vorteil, dass sie direkt die Plasmaionen heizt, deren Temperatur in einem Fusionsplasma besonders hoch sein muss. Allerdings ist eine Ankopplung an das Plasma unter den in WENDELSTEIN 7-AS gegebenen Bedingungen besonders schwierig. Die Wellenlänge ist nämlich wesentlich größer als die Abmessungen des Plasmagefäßes. Erst nach mehreren Versuchen konnten die damit verbundenen technischen Probleme gelöst und eine geeignete Antennenform gefunden werden. Bei einer Leistung von etwa 500 Kilowatt konnte damit das Plasma mit einem Wirkungsgrad geheizt werden, der mit dem anderer Heizmethoden vergleichbar ist.
Mit Hilfe einer einfachen Schleifenantenne ist bei einer Frequenz von 900 Megahertz der Plasmaaufbau mit anschließender Heizung durch Neutralinjektion gelungen. Damit steht ein weiteres Verfahren zur Erzeugung eines Startplasmas zur Verfügung, mit dem Vorteil, nicht wie die Elektronen-Zyklotronheizung auf bestimmte Werte des Magnetfeldes festgelegt zu sein.
Wichtig für die Qualität einer Plasmaentladung ist eine geeignete Kontrolle der Plasma-Wand-Wechselwirkung, d. h. des Plasmarandbereichs mit dem Übergang vom heißen Plasma auf die kalten Wände. Dabei muss so weit wie möglich verhindert werden, dass Wandmaterialien mit hoher Kernladungszahl wie zum Beispiel Eisen und andere Edelstahlbestandteile in das Plasma eindringen. Bei hoher Plasmatemperatur und -dichte strahlen sie sonst einen beträchtlichen Teil der Heizleistung ab, der dann nicht mehr zur Heizung des Plasmas zur Verfügung steht. Plasmanahe Einbauten werden deshalb mit Graphitziegeln bedeckt, da Kohlenstoffatome schon bei relativ niedrigen Plasmatemperaturen alle Elektronen verlieren und damit kaum noch strahlen können. Auch die Limiter, mit denen anfangs (bis vor kurzem) das Plasma in WENDELSTEIN 7-AS an wenigen Stellen begrenzt wurde, waren deshalb mit Graphitziegeln belegt. Durch Bedecken der Wände mit dünnen Schichten aus Bor konnten die aus der Wand stammenden Verunreinigungen weiter verringert werden. Vor allem die Konzentration von Sauerstoff, der aus der Luft stammt und von Bor chemisch fest gebunden wird, kann damit wesentlich reduziert werden.
Unter diesen Bedingungen konnten in WENDELSTEIN 7-AS Ergebnisse erzielt werden, die in Stellaratoren vergleichbarer Größe immer noch weltweit die besten sind. Wichtig ist dabei nicht nur das Erreichen von Maximalparametern. Ebenso wichtig ist die Untersuchung von Energie- und Teilchentransport des Plasmas sowie seiner Stabilität, da sie Größen wie Plasmatemperatur, -dichte und -druck auf Werte begrenzen können, die häufig noch weit unter den in einem Fusionsplasma notwendigen Werten liegen.
Mit Hochfrequenzheizung bei 70 und 140 Gigahertz und Leistungen bis zu 2,1 Megawatt wurden bei vollem Magnetfeld von 2,5 Tesla Elektronentemperaturen bis zu 70 Millionen Grad und Ionentemperaturen um 7 Millionen Grad erreicht bei Plasmadichten bis zu 2·1013 Teilchen pro Kubikzentimeter. Die Ionen werden dabei nur über Stöße durch die heißeren Elektronen geheizt.
Die Neutralteilchenheizung heizt sowohl die Elektronen als auch die Ionen. Bei niedriger Heizleistung kann damit die Energieeinschlusszeit mehr als 60 Millisekunden betragen bei Plasmatemperaturen von etwa 10 Millionen Grad und Plasmadichten bis zu 1·1014 Teilchen pro Kubikzentimeter. Je besser die Einschlusszeit ist, desto höher werden die Plasmatemperaturen bei vorgegebener Heizleistung.
Experimente mit kombinierter Heizung durch Neutralteilcheninjektion und Elektronen-Zyklotronwellen erlaubten eine Kontrolle der Dichte im Bereich von ca. 5·1013 Teilchen pro Kubikzentimeter bei rund einem Megawatt Neutralteilchen- und 400 Kilowatt Elektronen-Zyklotronheizung. Unter diesen Bedingungen wurden die höchsten Ionentemperaturen von ca. 15 Millionen Grad erreicht bei noch etwas höheren Elektronentemperaturen.
Durch Heizung mit Neutralteilcheninjektion allein ergaben sich bei Plasmadichten von 3·1014 Teilchen pro Kubikzentimeter – also Reaktordichte – Elektronen- und Ionentemperaturen von rund 4 Millionen Grad. Die hohen Dichtewerte sind allein über die Energiebilanz begrenzt, d. h. über die angebotene Leistung im Verhältnis zu Strahlungs- und Wärmetransportverlusten. Sie übersteigen deutlich die Werte, die in vergleichbaren Tokamaks erzielbar sind, wo Strominstabilitäten einschränkend wirken. Bei maximaler Heizleistung wurden auch die höchsten Plasmadrücke erzielt und damit die besten Werte für Beta, das Verhältnis von Plasmadruck zu magnetischem Druck. Wesentliches Ziel dieser Experimente war es, die erreichbaren Beta-Werte zu testen und mit den Vorhersagen der Theorie zu vergleichen. Erzielt wurden bei einer Injektionsleistung von 2 Megawatt und einem Magnetfeld von 1,25 Tesla mittlere Beta-Werte bis zu 2 Prozent. Dieser Wert führt nahe an die für WENDELSTEIN 7-AS vorhergesagte Stabilitätsgrenze von ebenfalls etwa 2 Prozent heran. Trotzdem waren keine Anzeichen für eine durch Instabilitäten verursachte Einschlussverschlechterung erkennbar.
1992 war es in WENDELSTEIN 7-AS weltweit erstmalig gelungen, das bei den Tokamaks so
erfolgreiche H-Regime mit seinen verbesserten Einschlusseigenschaften auch in einem
Stellarator zu beobachten. Allerdings ist die Verbesserung der Energieeinschlusszeit
um rund 30‰ nicht so ausgeprägt wie in Tokamaks. Zudem ist das H-Regime in
WENDELSTEIN 7-AS bislang nur in einem engen Arbeitsbereich von Dichte und
Rotationstransformation zu erreichen. Berücksichtigt man jedoch, dass
WENDELSTEIN 7-AS wesentlich kleiner ist als die heutigen Tokamaks und die Ergebnisse in
einem limiterbegrenzten Plasma erzielt wurden, so ergeben sich für einen
größeren und mit Divertor ausgerüsteten Stellarator wie
Vorstudien zu einem Stellarator-Divertor wurden bei WENDELSTEIN 7-AS ab 1994 begonnen. Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass vor allem bei hoher Heizleistung und langen Entladungen die Dichte- und Verunreinigungskontrolle nur beschränkt möglich war – zum Beispiel wegen einer lokalen Überhitzung der das Plasma begrenzenden Limiter-Graphitziegel. Durch Einstellen einer geeigneten Form des Magnetfeldes kann man das Plasma aber weniger von den Limitern, sondern mehr durch eine magnetische Separatrix begrenzen. In diesem Separatrix-Betrieb laufen Energie- und Teilchen aus dem Plasma auf eng begrenzte Stellen an der Gefäßwand, entsprechend der am Plasmarand durch sogenannte „magnetische Inseln” veränderten Magnetfeldgeometrie. Diese magnetischen Inseln sind eine natürliche Eigenschaft der nicht-axialsymmetrischen Stellaratorfelder und müssen nicht – wie das Divertorfeld der Tokamaks – erst durch zusätzliche Magnetfelder erzeugt werden. Zur besseren Kontrolle der Plasma-Wand-Wechselwirkung trägt der Separatrixbetrieb aber nur bei, wenn an den beaufschlagten Wand-stellen geeignete – divertorähnliche Teilchenfallen eingebaut werden. Zu diesem Zweck wurden „Divertor-Module” entwickelt und in den Jahren 1999 und 2000 an Stelle der Limiter eingebaut. Die Abbildung auf Seite 58 oben zeigt, wie diese Divertor-Module um das Plasma herum verteilt sind. Die Abbildung unten zeigt einen Querschnitt durch das Plasma am Ort zweier gegenüber- liegender Divertor-Module. Der Plasmarand fächert sich entsprechend der „Inselstruktur” des Feldes in einzelne Ausläufer auf, so dass Energie und Teilchen aus dem Plasma lokalisiert auf die Graphitplatten des Divertors gelenkt werden.
Die Experimente nach dem Einbau der Divertor-Module haben die Erwartungen vollständig erfüllt. Eine Aufnahme mit einer CCD-Kamera (Abbildung oben) zeigt zum Beispiel, dass das Plasma – wie vorhergesagt – entlang zweier Streifen auf den Divertorplatten auftrifft, ganz ähnlich dem Divertorplasma in einem Tokamak. Dabei hat sich die Verunreinigungs- und Dichtekontrolle und damit die Kontrolle der Plasma-Wand-Wechselwirkung ganz erheblich verbessert. So wurden weitgehend stationäre Plasmaentladungen über viele Energie- und Teilcheneinschlusszeiten möglich und zwar auch bei sehr hoher Plasmadichte und maximaler Heizleistung. Zugleich sind die Energieverluste durch Verunreinigungsstrahlung im Plasmazentrum stark reduziert und treten fast nur noch – wie erwünscht – am Plasmarand auf. Bei Plasmadichten oberhalb von etwa 3·1014 Teilchen pro Kubikzentimeter löst sich das Plasma sogar teilweise oder ganz von den Divertorplatten ab, da der Wärmefluss aus dem Plasma kurz vor den Divertorplatten über Strahlung gleichmäßig auf die Plasmaoberfläche verteilt wird. Damit verbunden ist die erwünschte und im Fusionskraftwerk notwendige Abnahme der Wärmebelastung der Divertorplatten (siehe Abbildung Seite rechts).
Während des Divertor-Einbaus wurde auch die Neutralteilchenheizung umgebaut, so dass sich die Heizleistung nun um ungefähr 40‰ erhöht hat. Zusammen mit einer verringerten Verunreinigungsstrahlung war damit eine weitere Erhöhung des Plasmadruckes bei niedrigem Magnetfeld möglich. Der für die Wirtschaftlichkeit eines Fusionskraftwerks so wichtige Beta-Wert konnte auf 3‰ angehoben werden. Trotz dieser erheblichen Steigerung blieb das Plasma unverändert stabil, womit bestätigt werden konnte, dass der Advanced Stellarator günstige Stabilitätseigenschaften besitzt.
Ausschlaggebend für die Einschlussgüte einer Fusionsanlage ist der lokale Energie und Teilchentransport. Er wird über die Energie- und Teilchenbilanz analysiert. Dazu werden lokale Energieaufnahme und Teilchenerzeugung mit gemessenen Plasmawerten, wie Temperatur- und Dichteprofilen, Neutralteilchendichten und Strahlungsprofilen verknüpft. Die so gewonnenen Transportkoeffizienten lassen sich mit Vorhersagen der theoretischen Modelle vergleichen, welche die besonderen Eigenschaften des Advanced Stellarator berücksichtigen. Im Allgemeinen wurde eine gute Übereinstimmung der experimentellen Ergebnisse mit der Theorie gefunden: Die lokalen Werte für die Elektronen- und Ionenwärmeleitung sowie für den Teilchentransport werden durch die Optimierungsprinzipien im Zentralbereich des Plasmas gut beschrieben. Im Randbereich finden sich jedoch für die Elektronen deutliche Abweichungen – ähnlich wie bei Tokamaks. Die physikalische Ursache dieser erhöhten Verluste ist nach wie vor nur teilweise verstanden.
Zum Verständnis der Divertorexperimente mussten Computerprogramme
weiterentwickelt oder neu geschrieben werden, die speziell die
Zur Beobachtung des Plasmas werden rund 40 Messeinrichtungen verwendet. Sie registrieren – zum Teil mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung – Plasmaparameter wie Plasmadichte und Plasmatemperatur, die vom Plasma ausgesandte elektromagnetische Strahlung und Fluktuationen. Die komplizierte nicht-axial symmetrische Plasmagestalt macht es manchmal notwendig, an unterschiedlichen Positionen des Plasmaringes zu messen und bestimmte Plasmawerte nicht auf den Radius, sondern auf magnetische Flächen zu beziehen. Dabei ist zusätzlich die Verformung der magnetischen Flächen durch den Plasmadruck zu berücksichtigen. Mit dem Einbau der Divertor-Module war eine erhebliche Erweiterung der vorhandenen Messeinrichtungen verbunden, zu der der IPP-Bereich in Berlin wesentliche Beiträge geliefert hat. Die gewonnenen Messdaten werden von dem im IPP entwickelten Datenerfassungssystem UDAS (Universal Data Acquisition System) aufgenommen, das seit seiner Einführung zuverlässig läuft. Pro Plasmaentladung werden bis zu 100 Megabyte an Daten gewonnen und zur Auswertung und Dokumentation in Hochleistungs-Workstations übertragen.
WENDELSTEIN 7-AS hat in den vergangenen Jahren den in Stellaratoren zugänglichen
Parameterbereich erheblich erweitert. Zur Bewertung der experimentellen Ergebnisse wurden
umfangreiche theoretische Arbeiten ausgeführt und vergleichende Datenbanken
bereitgestellt. Dabei wurden auch die Rechenmodelle überprüft, die für
das Konzept des Advanced Stellarator und speziell zur Festlegung des Nachfolgers
Quellen
[1] Max-Planck-Institut für Plasmaphysik – IPP Greifswald und Garching
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