Wirbelstrukturen im
4 - dimensionalen
gekrümmten Raum
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Fusionskraftwerk – Teil 1


Stellaratoren[1]

Fusionsexperimente vom Typ Stellarator haben sich in den letzten Jahren als aussichts­reiche Alternative zu Tokamaks entwickelt. Stellaratoren schließen das Plasma durch Magnet­felder ein, die allein durch Spulen außerhalb des Plasma­bereichs erzeugt werden. Ein Strom im Plasma – wie im Tokamak – ist also nicht nötig. Wichtigste Folgen hieraus sind: Stellaratoren eignen sich für den Dauer­betrieb, die unerwünschten Abbrüche des Plasma­stroms treten nicht auf. Als weltweit einziges Institut betreibt das IPP mit den Tokamaks der ASDEX- und den Stellaratoren der WENDELSTEIN-Serie beide Linien parallel zueinander und hat damit die Möglichkeit des direkten Vergleichs.

Einer der Gründe für den historischen Vorsprung der Tokamaks waren die mäßigen Kraftwerks­eigenschaften des früheren „klassischen” Stellarators. Mit seinem unzureichend einschließenden Magnet­feld­käfig, der überdies von ineinander verketteten, d. h. schwer demontier­baren Spulen­systemen erzeugt wurde, hatte er als Fusions­kraftwerk wenige Aussichten. Zur verbesserten Umsetzung des Stellarator­prinzips beschritt die Stellarator­forschung im IPP daher gänzlich neue Wege: In strikter Ausrichtung auf die Kraftwerks­erfordernisse löste man sich erstens von dem alten Spulen­konzept der helikalen Windungen und begann zweitens mit der systematischen Suche nach dem optimalen Magnet­feld eines Stellarators.

Der dafür notwendige große Theorie- und Rechen­aufwand konnte erst durch die modernen schnellen Computer bewältigt werden. In mehr als zehnjähriger Arbeit beschrieb und unter­suchte die Gruppe „Stellarator-Theorie” des IPP den weiten Raum theoretisch möglicher Stellarator-Konfigurationen. Die Anforderungen an die Kraftwerks­eigenschaften wurden schritt­weise eingebaut und so die bezüglich Plasma­gleichgewicht, Stabilität und Einschluss­vermögen optimale Konfiguration entwickelt – der „Advanced Stellarator”. In dieser optimierten Form können Stellaratoren als echte Alternative zu einem Tokamak­kraftwerk gelten.

Das Experiment WENDELSTEIN 7-AS, die erste Anlage dieser neuen Stellarator-Generation, ging 1988 in Betrieb und unterwirft die theoretischen Über­legungen einem ersten praktischen Test. Gleich­zeitig ist ein modulares Spulen­konzept verwirklicht, das auch technologisch kraftwerks­relevant ist. Der weiter­entwickelte Nachfolger WENDELSTEIN 7-X, der gegen­wärtig im IPP-Teilinstitut Greifswald entsteht, soll die Kraftwerks­tauglichkeit der neuen Stellaratoren demonstrieren.




Fusionsexperiment
WENDELSTEIN 7-AS

Abb. 1: Das Stellarator-Experiment WENDEL-STEIN 7-AS


WENDELSTEIN 7-AS

Radius der Anlage (über alles):    3,6 Meter
Höhe (über alles):    4 Meter
Gewicht:    250 Tonnen
Großer Plasmaradius:    2 Meter
Mittlerer kleiner Plasmaradius:    0,18 Meter
Plasmavolumen:    ca. 1 Kubikmeter
Plasmagewicht:    ≤ 0,001 Gramm
Anzahl der modularen Spulen:    45
Strom pro Spulenwindung:    35 Kiloampere
Magnetfeld:    bis 2,5 Tesla
Rotationstransformation:    0,3 – 0,6
Pulsdauer:    bis 3 Sekunden
Heizleistung:     
- Elektronen-Zyklotronheizung:    2,1 Megawatt
- Ionen-Zyklotronheizung:    0,5 Megawatt
- Neutralinjektion:    2,6 Megawatt
 

Der Stellarator WENDELSTEIN 7-AS ist seit 1988 in Betrieb. Als erste Anlage der neuen Generation der „Advanced Stellarators” unterwirft er die zugrunde­liegenden Optimierungs­prinzipien einem ersten praktischen Test: Von bisherigen Stellaratoren unter­scheidet sich WENDELSTEIN 7-AS durch ein besser geformtes Magnet­feld, das eine höhere Dichtigkeit des magnetischen Käfigs besitzt und ein Plasma­gleichgewicht bei höherem Druck ermöglicht. Auch technisch geht WENDELSTEIN 7-AS durch seine neuartigen Magnet­spulen über bisherige Stellaratoren hinaus: Ein einziger Satz aus 45 nichtebenen Einzel­spulen erzeugt das gesamte zum Plasma­einschluss nötige Feld. Es konnte gezeigt werden, dass das berechnete Magnet­feld sich von diesen modularen Spulen mit der erforderlichen Genauigkeit erzeugen lässt.

Ziel der Untersuchungen an WENDELSTEIN 7-AS ist es, die physikalischen und technischen Grundlagen des Advanced Stellarator zu testen. Untersucht werden insbesondere die Einschluss­eigenschaften des verbesserten Magnet­feldes, d. h. der Energie- und Teilchen­transport, auch unter dem Einfluss von elektrischen Feldern und Plasma­strömen, sowie das Plasma­gleichgewicht und seine Stabilität in Abhängigkeit vom Plasma­druck. Seinerzeit lag ein besonderer Schwer­punkt auf der Unter­suchung des Verunreinigungs­transports und der Verunreinigungs­kontrolle. Neu entwickelt oder für die Anwendung an WENDELSTEIN 7-AS optimiert wurden verschiedene Heizverfahren.

Anfangs (Bisher) liefen 53.000 Entladungen mit typischen Puls­dauern von 0,5 bis 1,5 Sekunden. In diesen Entladungen konnte WENDELSTEIN 7-AS die bekannten Vorzüge des stromlosen Stellarators gegen­über dem Tokamak bestätigen: Der netto­stromfreie Betrieb wurde demonstriert, d. h. Stellaratoren eignen sich für den Dauerbetrieb; Stromabbrüche treten nicht auf. Die anfänglichen (bisherigen) Experimente zeigten außerdem die Leistungs­fähigkeit der Optimierungs­kriterien. Damit wurden die Voraus­setzungen geschaffen, mit der zurzeit im Teil­institut Greifswald entstehenden größeren und vollständig optimierten Anlage WENDELSTEIN 7-X die Kraftwerks­tauglichkeit der Stellaratoren zu untersuchen.

Kernstück von WENDELSTEIN 7-AS ist der Kranz aus 45 Stellaratorspulen, der das gesamte zum Plasma­einschluss nötige Feld produziert (siehe Abbildung). Überlagerte toroidale und vertikale Felder, die von zusätzlichen Spulen erzeugt werden, können dieses System verändern. So lässt sich der Einfluss unter­schiedlicher Magnetfeld­konfigurationen, die sich hinsichtlich Rotations­transformation, Verscherung der magnetischen Feld­linien oder magnetischer Spiegel unter­scheiden, auf das Plasma­verhalten untersuchen.

An WENDELSTEIN 7-AS werden drei unter­schiedliche Heizverfahren zur Erzeugung und Heizung „stromloser” Plasmen benutzt: Heizung durch Wellen der Elektronen- und Ionen-Zyklotron­frequenz sowie Neutral­teilchen­heizung. Bei den Hochfrequenz-Heizverfahren koppelt die Ionen­zyklotron­heizung an die Kreis­bewegung der Ionen um die Magnet­feldlinien an, die Elektronen Zyklotron­heizung an die der Elektronen.

Der Hochfrequenz­heizung bei der Elektronen-Zyklotron­frequenz kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die Mikro­wellen können das Plasma nicht nur wirksam heizen, sondern auch aus einem Neutralgas erzeugen. An WENDELSTEIN 7-AS stehen in der letzten Ausbau­stufe vier Mikrowellen-Generatoren, sogenannte Gyrotrons, mit einer Frequenz von 140 Gigahertz sowie ein weiteres bei 70 Gigahertz zur Verfügung. Das bedeutet eine Gesamt­heizleistung von etwa zwei Megawatt bei 140 Gigahertz und 0,5 Megawatt bei 70 Gigahertz mit jeweils einer Puls­dauer von etwa einer Sekunde. Die Mikro­wellen können bei den Resonanz­feldstärken von 1,25 bzw. 2,5 Tesla Plasmen bis zu einer Dichte­grenze von 3·1013 bzw. 6·1013 (bei 70 Gigahertz) oder 1,2·1014 Teilchen pro Kubik­zentimeter (bei 140 Gigahertz und 2,5 Tesla) aufbauen. Bei höheren Plasma­dichten werden die Mikro­wellen normaler­weise vom Plasma reflektiert.

Wegen der kurzen Wellen­länge im Millimeter­bereich können die Mikro­wellen direkt über Fenster und Spiegel „quasioptisch” in das Plasma eingestrahlt werden, ähnlich wie bei einer Richtfunk­strecke. Eine Antenne in Plasma­nähe, die zu einem Zufluss von Verunreinigungen führen könnte, ist also nicht nötig. Ein großer Vorteil der Elektronen-Zyklotron­heizung ist auch, dass sie das Plasma lokal aufheizen kann. So lässt sich die Temperatur­verteilung der Elektronen lokal verändern und damit der Wärme­transport der Elektronen gezielt untersuchen. Die Experimente zur Elektronen-Zyklotron­heizung an WENDELSTEIN 7-AS werden zusammen mit dem Institut für Plasma­forschung (IPF) der Universität Stuttgart ausgeführt, wo die Leitungen zur Über­tragung der Mikro­wellen entwickelt wurden.

Für WENDELSTEIN 7-AS ist die Heizung mit Elektron-Zyklotron­wellen nicht nur ein Zünd- und Heiz­verfahren, sondern auch ein eigen­ständiges Forschungs­programm. Es konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass man durch geeignete Einstrahlung der Wellen einen toroidalen Strom wie im Tokamak treiben kann. Bei diesem sogenannten Elektron­zyklotron-Stromtrieb wird über eine asymmetrische Verformung der Geschwindigkeits­verteilung der Elektronen eine Netto­drift der Elektronen erzeugt.

In einem weiteren wichtigen Entwicklungs­schritt konnte die Dichte­beschränkung für die Elektronen-Zyklotron­heizung überwunden werden: Ab einer kritischen Elektronen­dichte ist das Plasma für elektro­magnetische Zyklotron­wellen nämlich reflektierend und damit unzugänglich – ähnlich wie Licht, also Strahlung im sichtbaren Frequenz­bereich, an metallischen Ober­flächen reflektiert wird. An WENDELSTEIN 7-AS ist es im weiteren Verlauf gelungen, unter bestimmten Voraus­setzungen die elektro­magnetischen Zyklotron­wellen im Plasma in elektrostatische Wellen, ähnlich den Schall­wellen, umzuwandeln. So konnte der Einsatz­bereich der Elektron-Zyklotron­heizung zu extrem hohen Plasma­dichten ausgeweitet werden. Da bei diesen hohen Dichten an WENDELSTEIN 7-AS Plasmazustände mit besonders attraktiven Eigen­schaften gefunden wurden, ist diese neu gefundene Technik besonders bedeutsam.

Die Neutralteilchen­heizung an WENDELSTEIN 7-AS ist mit zwei Injektoren mit jeweils vier Ionen­quellen ausgerüstet. Sie erzeugen zusammen Heiz­leistungen bis zu 2,6 Megawatt. Diese Leistung kann nur in ein „Start­plasma” eingekoppelt werden, das im Allgemeinen durch Elektronen-Zyklotron­heizung erzeugt worden ist. Da die Neutral­teilchen­heizung das Plasma nicht nur heizt, sondern mit dem Einschießen der Neutral­teilchen auch die Dichte des Plasmas erhöht, lässt sich die Plasma­dichte vor allem bei hoher Heiz­leistung nur noch schwer kontrollieren. Eine Dichte­kontrolle konnte jedoch mit der gleich­zeitigen Verwendung der Elektronen-Zyklotron­heizung erreicht werden, wenn die Leistung der Neutral­teilchen­heizung die der Elektronen-Zyklotron­heizung nicht wesentlich übersteigt. Dabei muss aber gegebenen­falls auch die Dichtegrenze der Elektronen-Zyklotron­heizung beachtet werden. Erst durch den Einbau von Divertor-Modulen konnte dieses Problem gelöst werden, da nun die von der Wand des Plasma­gefäßes zurück­kommenden Teilchen besser kontrolliert werden können.

Die Hochfrequenz­heizung bei der Ionen-Zyklotron­frequenz von 38 Megahertz – die dritte Heiz­methode an WENDELSTEIN 7-AS – hat den Vorteil, dass sie direkt die Plasma­ionen heizt, deren Temperatur in einem Fusions­plasma besonders hoch sein muss. Allerdings ist eine Ankopplung an das Plasma unter den in WENDELSTEIN 7-AS gegebenen Bedingungen besonders schwierig. Die Wellen­länge ist nämlich wesentlich größer als die Abmessungen des Plasma­gefäßes. Erst nach mehreren Versuchen konnten die damit verbundenen technischen Probleme gelöst und eine geeignete Antennen­form gefunden werden. Bei einer Leistung von etwa 500 Kilowatt konnte damit das Plasma mit einem Wirkungs­grad geheizt werden, der mit dem anderer Heiz­methoden vergleichbar ist.

Mit Hilfe einer einfachen Schleifen­antenne ist bei einer Frequenz von 900 Megahertz der Plasma­aufbau mit anschließender Heizung durch Neutral­injektion gelungen. Damit steht ein weiteres Verfahren zur Erzeugung eines Start­plasmas zur Verfügung, mit dem Vorteil, nicht wie die Elektronen-Zyklotron­heizung auf bestimmte Werte des Magnet­feldes fest­gelegt zu sein.

Wichtig für die Qualität einer Plasma­entladung ist eine geeignete Kontrolle der Plasma-Wand-Wechsel­wirkung, d. h. des Plasma­rand­bereichs mit dem Über­gang vom heißen Plasma auf die kalten Wände. Dabei muss so weit wie möglich verhindert werden, dass Wand­materialien mit hoher Kern­ladungs­zahl wie zum Beispiel Eisen und andere Edelstahl­bestandteile in das Plasma eindringen. Bei hoher Plasma­temperatur und -dichte strahlen sie sonst einen beträchtlichen Teil der Heiz­leistung ab, der dann nicht mehr zur Heizung des Plasmas zur Verfügung steht. Plasma­nahe Einbauten werden deshalb mit Graphit­ziegeln bedeckt, da Kohlenstoff­atome schon bei relativ niedrigen Plasma­temperaturen alle Elektronen verlieren und damit kaum noch strahlen können. Auch die Limiter, mit denen anfangs (bis vor kurzem) das Plasma in WENDELSTEIN 7-AS an wenigen Stellen begrenzt wurde, waren deshalb mit Graphit­ziegeln belegt. Durch Bedecken der Wände mit dünnen Schichten aus Bor konnten die aus der Wand stammenden Verunreinigungen weiter verringert werden. Vor allem die Konzentration von Sauerstoff, der aus der Luft stammt und von Bor chemisch fest gebunden wird, kann damit wesentlich reduziert werden.

Unter diesen Bedingungen konnten in WENDELSTEIN 7-AS Ergebnisse erzielt werden, die in Stellaratoren vergleich­barer Größe immer noch weltweit die besten sind. Wichtig ist dabei nicht nur das Erreichen von Maximal­parametern. Ebenso wichtig ist die Untersuchung von Energie- und Teilchen­transport des Plasmas sowie seiner Stabilität, da sie Größen wie Plasma­temperatur, -dichte und -druck auf Werte begrenzen können, die häufig noch weit unter den in einem Fusions­plasma notwendigen Werten liegen.

Mit Hochfrequenz­heizung bei 70 und 140 Gigahertz und Leistungen bis zu 2,1 Megawatt wurden bei vollem Magnet­feld von 2,5 Tesla Elektronen­temperaturen bis zu 70 Millionen Grad und Ionen­temperaturen um 7 Millionen Grad erreicht bei Plasma­dichten bis zu 2·1013 Teilchen pro Kubik­zentimeter. Die Ionen werden dabei nur über Stöße durch die heißeren Elektronen geheizt.

Die Neutralteilchen­heizung heizt sowohl die Elektronen als auch die Ionen. Bei niedriger Heiz­leistung kann damit die Energie­einschluss­zeit mehr als 60 Milli­sekunden betragen bei Plasma­temperaturen von etwa 10 Millionen Grad und Plasma­dichten bis zu 1·1014 Teilchen pro Kubik­zentimeter. Je besser die Einschluss­zeit ist, desto höher werden die Plasma­temperaturen bei vorgegebener Heizleistung.

Experimente mit kombinierter Heizung durch Neutral­teilchen­injektion und Elektronen-Zyklotron­wellen erlaubten eine Kontrolle der Dichte im Bereich von ca. 5·1013 Teilchen pro Kubik­zentimeter bei rund einem Megawatt Neutral­teilchen- und 400 Kilowatt Elektronen-Zyklotron­heizung. Unter diesen Bedingungen wurden die höchsten Ionen­temperaturen von ca. 15 Millionen Grad erreicht bei noch etwas höheren Elektronen­temperaturen.

Durch Heizung mit Neutral­teilchen­injektion allein ergaben sich bei Plasmadichten von 3·1014 Teilchen pro Kubik­zentimeter – also Reaktor­dichte – Elektronen- und Ionen­temperaturen von rund 4 Millionen Grad. Die hohen Dichte­werte sind allein über die Energie­bilanz begrenzt, d. h. über die angebotene Leistung im Verhältnis zu Strahlungs- und Wärme­transport­verlusten. Sie über­steigen deutlich die Werte, die in vergleich­baren Tokamaks erzielbar sind, wo Stromin­stabilitäten einschränkend wirken. Bei maximaler Heiz­leistung wurden auch die höchsten Plasma­drücke erzielt und damit die besten Werte für Beta, das Verhältnis von Plasma­druck zu magnetischem Druck. Wesentliches Ziel dieser Experimente war es, die erreichbaren Beta-Werte zu testen und mit den Vorher­sagen der Theorie zu vergleichen. Erzielt wurden bei einer Injektions­leistung von 2 Megawatt und einem Magnet­feld von 1,25 Tesla mittlere Beta-Werte bis zu 2 Prozent. Dieser Wert führt nahe an die für WENDELSTEIN 7-AS vorhergesagte Stabilitäts­grenze von ebenfalls etwa 2 Prozent heran. Trotzdem waren keine Anzeichen für eine durch Instabilitäten verursachte Einschluss­verschlechterung erkennbar.

1992 war es in WENDELSTEIN 7-AS weltweit erstmalig gelungen, das bei den Tokamaks so erfolgreiche H-Regime mit seinen verbesserten Einschluss­eigenschaften auch in einem Stellarator zu beobachten. Aller­dings ist die Verbesserung der Energie­einschluss­zeit um rund 30‰ nicht so ausgeprägt wie in Tokamaks. Zudem ist das H-Regime in WENDELSTEIN 7-AS bislang nur in einem engen Arbeits­bereich von Dichte und Rotations­transformation zu erreichen. Berücksichtigt man jedoch, dass WENDELSTEIN 7-AS wesentlich kleiner ist als die heutigen Tokamaks und die Ergebnisse in einem limiter­begrenzten Plasma erzielt wurden, so ergeben sich für einen größeren und mit Divertor ausgerüsteten Stellarator wie WENDELSTEIN 7-X günstige Perspektiven.

Vorstudien zu einem Stellarator-Divertor wurden bei WENDELSTEIN 7-AS ab 1994 begonnen. Ausgangs­punkt war die Erkenntnis, dass vor allem bei hoher Heiz­leistung und langen Entladungen die Dichte- und Verunreinigungs­kontrolle nur beschränkt möglich war – zum Beispiel wegen einer lokalen Über­hitzung der das Plasma begrenzenden Limiter-Graphit­ziegel. Durch Einstellen einer geeigneten Form des Magnet­feldes kann man das Plasma aber weniger von den Limitern, sondern mehr durch eine magnetische Separatrix begrenzen. In diesem Separatrix-Betrieb laufen Energie- und Teilchen aus dem Plasma auf eng begrenzte Stellen an der Gefäßwand, entsprechend der am Plasma­rand durch sogenannte „magnetische Inseln” veränderten Magnetfeld­geometrie. Diese magnetischen Inseln sind eine natürliche Eigen­schaft der nicht-axial­symmetrischen Stellarator­felder und müssen nicht – wie das Divertor­feld der Tokamaks – erst durch zusätzliche Magnet­felder erzeugt werden. Zur besseren Kontrolle der Plasma-Wand-Wechsel­wirkung trägt der Separatrix­betrieb aber nur bei, wenn an den beaufschlagten Wand-stellen geeignete – divertorähnliche Teilchen­fallen eingebaut werden. Zu diesem Zweck wurden „Divertor-Module” entwickelt und in den Jahren 1999 und 2000 an Stelle der Limiter eingebaut. Die Abbildung auf Seite 58 oben zeigt, wie diese Divertor-Module um das Plasma herum verteilt sind. Die Abbildung unten zeigt einen Quer­schnitt durch das Plasma am Ort zweier gegenüber- liegender Divertor-Module. Der Plasma­rand fächert sich entsprechend der „Insel­struktur” des Feldes in einzelne Ausläufer auf, so dass Energie und Teilchen aus dem Plasma lokalisiert auf die Graphit­platten des Divertors gelenkt werden.

Die Experimente nach dem Einbau der Divertor-Module haben die Erwartungen vollständig erfüllt. Eine Aufnahme mit einer CCD-Kamera (Abbildung oben) zeigt zum Beispiel, dass das Plasma – wie vorhergesagt – entlang zweier Streifen auf den Divertor­platten auftrifft, ganz ähnlich dem Divertor­plasma in einem Tokamak. Dabei hat sich die Verunreinigungs- und Dichte­kontrolle und damit die Kontrolle der Plasma-Wand-Wechsel­wirkung ganz erheblich verbessert. So wurden weitgehend stationäre Plasma­entladungen über viele Energie- und Teilchen­einschluss­zeiten möglich und zwar auch bei sehr hoher Plasma­dichte und maximaler Heiz­leistung. Zugleich sind die Energie­verluste durch Verunreinigungs­strahlung im Plasma­zentrum stark reduziert und treten fast nur noch – wie erwünscht – am Plasma­rand auf. Bei Plasma­dichten oberhalb von etwa 3·1014 Teilchen pro Kubik­zentimeter löst sich das Plasma sogar teilweise oder ganz von den Divertor­platten ab, da der Wärme­fluss aus dem Plasma kurz vor den Divertor­platten über Strahlung gleich­mäßig auf die Plasma­oberfläche verteilt wird. Damit verbunden ist die erwünschte und im Fusions­kraftwerk notwendige Abnahme der Wärme­belastung der Divertor­platten (siehe Abbildung Seite rechts).

Während des Divertor-Einbaus wurde auch die Neutral­teilchen­heizung umgebaut, so dass sich die Heiz­leistung nun um ungefähr 40‰ erhöht hat. Zusammen mit einer verringerten Verunreinigungs­strahlung war damit eine weitere Erhöhung des Plasma­druckes bei niedrigem Magnet­feld möglich. Der für die Wirtschaft­lichkeit eines Fusions­kraftwerks so wichtige Beta-Wert konnte auf 3‰ angehoben werden. Trotz dieser erheblichen Steigerung blieb das Plasma unverändert stabil, womit bestätigt werden konnte, dass der Advanced Stellarator günstige Stabilitäts­eigenschaften besitzt.

Ausschlaggebend für die Einschlussgüte einer Fusionsanlage ist der lokale Energie und Teilchentransport. Er wird über die Energie- und Teilchenbilanz analysiert. Dazu werden lokale Energieaufnahme und Teilchenerzeugung mit gemessenen Plasmawerten, wie Temperatur- und Dichteprofilen, Neutralteilchendichten und Strahlungsprofilen verknüpft. Die so gewonnenen Transportkoeffizienten lassen sich mit Vorhersagen der theoretischen Modelle vergleichen, welche die besonderen Eigenschaften des Advanced Stellarator berücksichtigen. Im Allgemeinen wurde eine gute Überein­stimmung der experimentellen Ergebnisse mit der Theorie gefunden: Die lokalen Werte für die Elektronen- und Ionen­wärme­leitung sowie für den Teilchen­transport werden durch die Optimierungs­prinzipien im Zentral­bereich des Plasmas gut beschrieben. Im Rand­bereich finden sich jedoch für die Elektronen deutliche Abweichungen – ähnlich wie bei Tokamaks. Die physikalische Ursache dieser erhöhten Verluste ist nach wie vor nur teilweise verstanden.

Zum Verständnis der Divertor­experimente mussten Computer­programme weiter­entwickelt oder neu geschrieben werden, die speziell die 3-dimensionale Struktur und andere Eigen­schaften des „Insel-Divertors” berücksichtigen. Diese Entwicklung ist ein fortlaufender Prozess. Der Vergleich mit den Mess­ergebnissen zeigt jedoch in vielen Fällen bereits gute Übereinstimmung.

Zur Beobachtung des Plasmas werden rund 40 Mess­einrichtungen verwendet. Sie registrieren – zum Teil mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung – Plasma­parameter wie Plasma­dichte und Plasma­temperatur, die vom Plasma ausgesandte elektro­magnetische Strahlung und Fluktuationen. Die komplizierte nicht-axial symmetrische Plasma­gestalt macht es manchmal notwendig, an unter­schiedlichen Positionen des Plasma­ringes zu messen und bestimmte Plasma­werte nicht auf den Radius, sondern auf magnetische Flächen zu beziehen. Dabei ist zusätzlich die Verformung der magnetischen Flächen durch den Plasma­druck zu berück­sichtigen. Mit dem Einbau der Divertor-Module war eine erhebliche Erweiterung der vorhandenen Mess­einrichtungen verbunden, zu der der IPP-Bereich in Berlin wesentliche Beiträge geliefert hat. Die gewonnenen Mess­daten werden von dem im IPP entwickelten Daten­erfassungs­system UDAS (Universal Data Acquisition System) aufgenommen, das seit seiner Einführung zuverlässig läuft. Pro Plasma­entladung werden bis zu 100 Megabyte an Daten gewonnen und zur Auswertung und Dokumentation in Hochleistungs-Workstations übertragen.

WENDELSTEIN 7-AS hat in den vergangenen Jahren den in Stellaratoren zugänglichen Parameter­bereich erheblich erweitert. Zur Bewertung der experimentellen Ergebnisse wurden umfang­reiche theoretische Arbeiten ausgeführt und vergleichende Daten­banken bereit­gestellt. Dabei wurden auch die Rechen­modelle überprüft, die für das Konzept des Advanced Stellarator und speziell zur Fest­legung des Nach­folgers WENDELSTEIN 7-X entwickelt wurden. In allen Fällen ergab sich eine gute Über­einstimmung im Rahmen der Mess­genauigkeit, so dass die Weiter­verfolgung der Entwicklungs­linie gerecht­fertigt ist. Ein besonders wichtiges Ergebnis war der Nachweis, dass im Divertor­betrieb schon in WENDELSTEIN 7-AS nahezu stationäre Entladungen bei hoher Plasma­dichte und großer Heiz­leistung möglich sind. Damit hat sich die Entscheidung für supra­leitende Magnet­feldspulen in WENDELSTEIN 7-X, mit denen die Entladungs­dauer zu einem echt stationären Betrieb ausgedehnt werden kann, als richtig bestätigt. Ende Juli 2002 wurden die Experimente an WENDELSTEIN 7-AS abgeschlossen.



Quellen
[1] Max-Planck-Institut für Plasmaphysik – IPP Greifswald und Garching






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