Die meisten von uns haben den Begriff „Spirale” schon einmal gehört. Allerdings verbindet jeder etwas anderes mit diesem doch nicht alltäglichen Begriff. Würde man uns dazu befragen, denken viele vielleicht zuerst an die Familienplanung. Einem anderen kommt aus beruflicher Sicht ein „Spiralbohrer” oder eine „Spiralfeder” in den Sinn. Hobbyastronomen denken womöglich eher an eine „Spiralgalaxie”. Wer gerne in der Natur unterwegs ist, stößt oftmals unbewusst bei Schneckenhäusern, Sonnenblumen oder Tannenzapfen auf „Spiralkurven”.
Aus technischer Sicht ist eine Spirale, auch Schneckenlinie genannt, eine Kurve, die um einen Punkt oder eine Achse verläuft und sich je nach Perspektive des Betrachters von diesem Zentrum entfernt oder sich ihm annähert. Spiralen werden oft auch zur Konstruktion von krümmungsstetigen Übergangskurven verwendet. Die Spirale wird manchmal mit der Schraube verwechselt.
Abb. 1: Die Kalkschale der Ammoniten gleicht einer logarithmischen SpiraleWährend die prototypische Spirale ein Gebilde in der Ebene ist, wie zum Beispiel die Rille einer Schallplatte, ist sowohl die Schraube als auch der Spiralbohrer ein räumliches Gebilde entlang des Hofes eines Zylinders. Die Schraubenlinie oder zylindrische Spirale bzw. Wendel wird auch als Helix bezeichnet. Bei ihr handelt es sich um eine Kurve, die sich mit konstanter Steigung um den Mantel eines Zylinders windet. Bei unserer Betrachtung geht es aber weniger um Schrauben, wenngleich sie sich sehr gut eignen, Bauteile mit einander zu verbinden.
Aus mathematischer Sicht, hat sich der eine oder andere vielleicht während der
Schulzeit mit mehr oder weniger Begeisterung schon einmal dem Kurvenverlauf einer
Spirale gewidmet. Man ist vielleicht überrascht zu hören, wie viele verschiedene
Spiraltypen es gibt. Die geläufigsten sind zum Beispiel die Archimedische
Spirale, die Galileische Spirale und die Logarithmische Spirale.
Darüber hinaus gibt es die Hyperbolische Spirale, die Fermatsche Spirale
und die Lituus-Spirale. Andere Varianten sind die
Die Mathematik definiert alle diese verschiedenen Spiraltypen, die sich allerdings in ihren Eigenschaften und ihrem Aussehen mitunter stark voneinander unterscheiden. Spirale ist tatsächlich nicht gleich Spirale.
Wenn wir uns in den nachfolgenden Kapiteln eingehender mit den zuvor genannten Spiralen beschäftigen, geht es um die Frage, warum die Natur bestimmte Spiralen zu bevorzugen scheint. Welche dieser Spiralen eignet sich womöglich, um den Wachstumsmechanismus in der Natur wiederzugeben? Gerade Schneckenhäuser und Sonnenblumen weisen eindeutig festgelegte Spiralmuster auf. Zudem treten bei Wachstumsspiralen sowohl links- als auch rechtsläufige Spiralen in Erscheinung.
Wie wir bereits in den vorherigen Kapiteln gesehen haben, schließt jede neue Anlage (Blatt oder Samen) einen ähnlichen Divergenzwinkel ein. Jede Pflanze hat zudem einen für sich charakteristischen Divergenzwinkel. Dieser Winkel orientiert sich an dem bereits betrachteten Goldenen Winkel. Während Pflanzen ein dynamisches Wachstum widerspiegeln, bilden Schneckenhäuser eher statische Objekte. Sie „wachsen” zwar auch mit dem Alter der Schnecken, allerdings wird nur an der Öffnung des Gehäuses eine weitere Kalkschicht an die bereits vorhandene Kalkschicht gefügt, und zwar nach einem logarithmischen Prinzip. Daher gleichen sich alle Schneckenhäuser auf verblüffende Weise.
Man spricht in diesem Zusammenhang auch gerne von rotationssymmetrischen
Strukturen, wenn das betrachtete Objekt einen zentralen Punkt besitzt, und die Kontur auf sich
selbst abgebildet werden kann. Bei den meisten Betrachtungen handelt es sich um in die Ebene
projizierte
Sämtliche Gebilde in der Natur haben eine endliche Anzahl von Windungen, die um einen Pol verlaufen. Der Abstand zwischen den Spiralpunkten nimmt streng monoton zu oder ab. In den meisten Fällen ist der Pol ein asymptotischer Punkt, den die immer enger werdenden Windungen nie erreichen.
Man kann Spiralen mathematisch am besten als Koordinatengleichungen im ebenen Polarkoordinatensystem beschreiben. Wie wir anschließend noch sehen werden, wird jeder Spiraltyp durch eine spezifische Gleichung beschrieben, die jeweils den Radius in Abhängigkeit des Winkels definiert.
Es gibt eine dynamische Mathematiksoftware, die sich „GeoGebra” nennt,
mit deren Hilfe sich Geometrie, Algebra und Analysis verbinden lassen. Jeder Punkt auf der
Spirale lässt sich so durch die entsprechende Gleichung der jeweiligen Spirale beschreiben.
Um alle Punkte der ersten Windung der betreffenden Spirale zu erhalten, muss der Winkel
φ alle Werte von Null bis
2π durchlaufen. Mit GeoGebra ist es möglich, einen Punkt
A auf der
Durch Drehen oder Verschieben des Pols lassen sich die mathematischen Spiralen möglichst gut an die natürlichen Spiralen anpassen. In GeoGebra können mithilfe von Schiebereglern weitere Parameter hinzugefügt werden, wodurch gewisse Feinabstimmungen möglich sind. Das ganze lässt sich natürlich auch für versierte Anwender mit einer Excel-Tabelle in Kombination mit einer Grafik realisieren.
Wir müssen jedoch grundsätzlich zwischen zwei Prinzipien unterscheiden. Schneckengehäuse weisen nur eine Spirale auf, wogegen die Fruchtstände aller Pflanzen zwei gegenläufige Spiralen besitzen. Jede Pflanze weist verschieden steile rechts- und links-drehende Spiralenscharen auf, sprich Spiralen, die denselben Drehsinn haben und die gleiche Steigung besitzen.
Bei den Gehäusen verschiebt man zunächst den mathematischen Pol solange, bis er möglichst deckungsgleich mit dem der natürlichen Spirale übereinstimmt. Anschließend wird der Parameter a solange gestreckt oder gestaucht, bis eine Ähnlichkeit der Spirale vorhanden ist. Dennoch nimmt dieser Parameter eher eine untergeordnete Rolle ein. Viel wichtiger ist, wie sich zum Beispiel bei der Logarithmischen Spirale, der Parameter k verhält, der den konstanten Tangentenwinkel der Spirale festlegt. Dieser Parameter bestimmt die Steigung und kann durch „Feintuning” angepasst werden.
Wer sich die Mühe macht, das selbst einmal auszuprobieren, wird feststellen, dass die Übereinstimmung der mathematischen Spiraltypen mit der natürlichen Spirale sehr stark von den Radiendifferenzen abhängt. Mit anderen Worten, die Spirale läuft zwar mit der entsprechenden Gleichung um den Pol, aber es gibt dennoch geringe Abweichungen pro Windung.
Dies resultiert sowohl bei den Schneckenhäusern als auch bei den Fruchtständen aus der Nährstoffzufuhr, die das Wachstum maßgeblich beeinflusst. Ein klassisches Beispiel sind die Jahresringe eines Baums, die nicht alle gleich dick ausfallen. Der Baum wächst zwar grundsätzlich nach einem genetisch festgelegten Muster, aber pro Lebensabschnitt doch unterschiedlich schnell. Diese Diskrepanz lässt sich auch auf die Spiralkurven übertragen.
Man kann sich noch so viel Mühe geben, die Radiendifferenzen statistisch zu bewerten. Selbst die Summe aller Radiendifferenzen zu bilden hilft nicht wirklich weiter. In diesem Fall würden jene Spiraltypen benachteiligt, welche bei den inneren Windungen eines Gehäuses gut passen, bei den äußeren jedoch schlechter. Das hat damit zu tun, dass die Radien der äußeren Windungen grundsätzlich länger sind, und entsprechend zu größeren Radiendifferenzen führen.
Einige Spiraltypen scheiden bereits aufgrund ihrer Eigenschaften aus, da sie sich nicht auf die natürlichen Spiralen abbilden lassen. Dazu gehören die Lituus Spirale und die Hyperbolische Spirale, die z.B. deren Pol nie erreichen.
Die Windungsabstände der fermatschen Spirale und der
Die Archimedische Spirale stimmt zwar oft bei den ersten zwei Windungen mit der natürlichen Spirale überein. Sie hat auch im Vergleich mit den anderen Spiraltypen die wenigsten Radiendifferenzen. Doch ab der zweiten Windung nimmt der Windungsabstand bei den natürlichen Spiralen schneller zu, zumal die Archimedische Spirale grundsätzlich einen konstanten Windungsabstand aufweist.
Alles in allem bleiben nur drei Spiraltypen übrig, die einer näheren Betrachtung
würdig sind: Die Galileische Spirale, die Logarithmische Spirale und die
Dennoch sticht die Logarithmische Spirale heraus, weil sie am besten auf einzelne Windungen der natürlichen Spirale angepasst werden kann. Die Anpassungen bewegen sich ähnlich wie bei den Fruchtkörben nur im 1/100 bis 1/1000 Bereich.
Die nachfolgende Grafik zeigt, wie die Logarithmische Spirale beim Schneckengehäuse verläuft, wenn die Steigung der Kurve konstant bleibt. Wie bereits erwähnt resultieren die Abweichungen aus der schwankenden Nährstoffzufuhr.
Berücksichtigt man allerdings die Nährstoffzufuhr beim Wachstum des Schneckengehäuses, zeigt sich eine erstaunliche Deckungsgleichheit. In der nächsten Grafik wurde die Steigung der Windungen im gesamten Verlauf pro 90°-Winkel um weniger als 1/1000 angepasst.
Das sind nur marginale Anpassungen, die aber letztlich einen nahezu perfekten Spiralverlauf abbilden.
Diese geringen Abweichungen lassen sich bei allen Schneckenhäusern beobachten. Oberflächlich betrachtet scheint es zunächst so, als wenn verschiedene Spiraltypen zum Tragen kommen, um alle Windungen abbilden zu können. Tatsächlich aber bildet nur die Logarithmische Spirale die einzig wahrhaftige Grundlage.
Auch bei den Ammoniten kommen ebenfalls nur die drei zuvor favorisierten Spiraltypen zur Auswahl. Doch letztlich nimmt auch hier nur der Radius der Logarithmischen Spirale exponentiell zu, eine Grundvoraussetzung für die natürlichen Spiralen. Noch präziser fällt das Ergebnis bei der Schale des Nautilus aus. Die Übereinstimmung mit der Logarithmischen Spirale ist nahezu perfekt.
Bei den Fruchtständen jedoch scheint die Logarithmische Spirale auf den ersten Blick nicht mit den natürlichen Spiralen übereinzustimmen. Hier passt augenscheinlich die Steigung der Spirale nicht mit den Fruchtständen überein. Bei genauer Betrachtung stellt sich sogar heraus, dass die links- und rechtsläufigen Spiralen nicht die gleiche Steigung aufweisen.
Doch genau diese Steigung ist letztlich der Schlüssel zum Erfolg. Denn verwendet man uneingeschränkt die Logarithmische Spirale als Grundlage, jedoch mit einer wesentlich flacheren Steigung, erhält man das gewünschte Ergebnis. Und wie gesagt, es muss auch hier die Steigung je nach Nährstoffzufuhr pro Windungsabschnitt im 1/100 Bereich angepasst werden.
Außerdem dürfen wir eines nicht außer Acht lassen: Wir betrachten ein in der
Natur
Je nachdem von welchen Überlegungen man sich leiten lässt, und wie statisch man an die Betrachtungsweise herangeht, desto eingeschränkter wird das Ergebnis und dessen Schlussfolgerungen ausfallen.
Egal, um welches Objekt es sich handelt, grundsätzlich kommen bei natürlichen
Spiralen nur drei in die engere Wahl: Die Galileische Spirale, die Logarithmische Spirale
und die
Man kann natürlich auch jede Windung für sich betrachten. So besteht
vielleicht bei der ersten Windung eine Ähnlichkeit mit der Galileischen Spirale,
bei der zweiten Windung eine Ähnlichkeit mit der Logarithmischen Spirale und bei
weiteren Windungen womöglich eine Ähnlichkeit mit der Spirale
Tatsächlich aber ist und bleibt nur die „Logarithmische Spirale” die einzig wahre Umsetzung, wie wir in den späteren Kapiteln noch sehen werden.
Im Nachfolgenden werden wir einige der wichtigsten „Ebenen Spiralen” betrachten und diese im Anschluss auf eine Räumliche Geometrie übertragen.
⇦ Kapitel Kapitel ⇨