In den vorherigen Kapiteln haben wir die Einzigartigkeit des Golden Schnitts und des Goldenen Winkels in Verbindung mit der Fibonacci-Folge kurz beleuchtet. Ohne Zweifel stehen alle drei Phänomene eng miteinander in Verbindung. Sie lassen sich allesamt in der sogenannten Goldenen Spirale wiederfinden. Wie bereits erwähnt, liegen diesen einzigartigen Mechanismen Zahlenverhältnisse zugrunde, die durch irrationale Zahlen beschrieben werden. Allerdings entsteht bei genauerer Betrachtung ein nicht zu vernachlässigendes Problem.
Wie sich in der Natur deutlich zeigt, spielen nicht die ganzen Zahlen, sondern vor allem die
irrationalen Zahlen eine wesentliche Rolle. Denken wir nur an zwei der wichtigsten
Naturkonstanten:
Die Fibonacci-Folge basiert zwar grundsätzlich auf Brüchen und deren
Zahlenverhältnissen. Des Weiteren wird der Quotient aufeinanderfolgender Zahlen
der Fibonacci-Folge als Naturkonstante
Doch die Zahlenreihe, sowie deren grafische Darstellung, beginnen im Regelfall mit der Zahl Eins. Aber selbst, wenn man in der Zahlenreihe optional die Zahl Null mit berücksichtigt, entspricht das nicht der Realität. Der Linienzug bzw. der Kurvenverlauf wird hierbei aus Viertelkreisen gebildet. Der Radius dieser Viertelkreise ist allenfalls das Verhältnis ganzer Fibonacci-Zahlen.
Die Fibonacci-Folge als Spirale visualisiert, spiegelt lediglich die Zahlenverhältnisse wider, und damit die statistische Anzahl der in der Natur vorkommenden Blütenblätter. Der Kurvenverlauf entspricht aber nicht einmal annähernd der tatsächlichen Anordnung bzw. Verteilung der Samen, wie zum Beispiel beim Blütenkorb einer Sonnenblume.
Aus diesem Grund wird die Goldene Spirale, wie im vorherigen Kapitel betrachtet,
zweckmäßig mit der Naturkonstante
Abb.: Gegenüberstellung der Goldenen Spirale mit der Fibonacci-Folge
In der Realität muss eine Grenzwertbildung gegen unendlich in Betracht gezogen werden, zumindest aber bis in den Bereich der molekularen Strukturen. Eine Formel, die dieser Voraussetzung genügt, müsste demnach einen leicht veränderten „Quellcode” haben.
Alle Pflanzen und Lebewesen weisen in ihrem Bauplan spiralige Strukturen auf. Manches ist offenkundig erkennbar, wie beispielsweise bei einem Schneckenhaus. Oder fossile Beispiele sind die Ammoniten. Die „Anordnung” dieser biologisch erzeugten Spiralen, die meistens auf Logarithmischen Spiralen beruhen, lehnt sich vom Grundsatz her an der Fibonacci-Folge an.
Andere nicht so offenkundige Spiralstrukturen, wie zum Beispiel die Doppelhelix unserer DNA, bleiben dem sichtbaren Auge zunächst verborgen. Erst die genaue Betrachtung des menschlichen Bauplans zeigt ebenfalls manigfaltige Spiralmuster auf.
In der Physik vollführt ein elektrisch geladenes Teilchen, das sich in einem Magnetfeld bewegt, eine „Spiralbahn”. Voraussetzung ist, dass sich das Teilchen nicht parallel, antiparallel oder quer zur Nord-Süd-Ausrichtung des Magnetfeldes bewegt. Die Kraft, die das Teilchen auf eine spiralförmige Bahn zwingt, heißt Lorentzkraft. Streng genommen ist diese Flugbahn aber eine Art Schraubenlinie. Bei der Bewegung parallel oder antiparallel zur Nord-Süd-Ausrichtung des Magnetfeldes entsteht eine gerade Flugbahn, und bei der Bewegung quer zur Nord-Süd-Ausrichtung des Magnetfeldes entsteht eine Kreisbahn.
Wenn ein elektrisch geladenes Teilchen auf einer solchen Kreisbahn Energie durch elektromagnetische Strahlung abgibt, dann bewegt es sich auf einer immer enger werdenden Spiralbahn. Die schraubenförmige Flugbahn des elektrisch geladenen Teilchens ist eine Überlagerung einer geraden Flugbahn und einer Kreisbahn. Bei Energieverlusten durch elektromagnetische Strahlung und auch in inhomogenen Magnetfeldern, entstehen konische Spiralen aus der Überlagerung von Schraube und Spirale.
Bei den ganzen Überlegungen darf man allerdings nicht vergessen, dass wir
grundsätzlich zwischen statischen und dynamischen Prozessen unterscheiden
müssen. Ein Schneckenhaus zum Beispiel ist im eigentlichen Sinne ein statisches Objekt,
welches offenkundig während seines immens langsamen Wachstums sehr gut durch eine
„Logarithmische Spirale” abgebildet werden kann. Darüber hinaus handelt es sich
größtenteils bei den bisher betrachteten Spiralen um „ebene” (flache)
Spiralen, deren Geometrie sich vornehmlich für
Blumen dagegen scheinen zwar bei ihren Blütenkörben auf ihren ersten Blick
auch eine
Wenn wir diesen Aspekt ebenfalls berücksichtigen wollen, sind wir sogar auf
der Suche nach einer Spirale, die sich bevorzugt für den
Dies kann man am Blütenkorb der Sonnenblume bzw. der späteren Anordnung der Samen sehr schön erkennen. Die Goldene Spirale bildet in den meisten Fällen nur die Grundlage für die Anzahl rechtsläufigen und der linksläufigen Spiralkurven.
Um exakte Spiralkurven abbilden zu können, muss der Kurvenverlauf dem Wachstum der Pflanze folgen. Es kann nicht einfach eine willkürlich gewählte Spirale zugrunde gelegt werden. Bei Pflanzen ist jede Spiralkurve einzigartig und spiegelt die Energiezufuhr durch die Sonneneinstrahlung sowie die Nährstoffe aus dem Boden wider.
Die Spiralen passen sich dabei in der Krümmung k bei den einzelnen Kurvensegmenten nur im 1/100 Bereich an. Im Grunde sind das äußerst geringfügige Veränderungen, wie sie in der Natur bei jeder Pflanze durch das tägliche Wachstum beeinflusst werden. Aber die Interpretation hat gravierende Folgen auf die grafische Darstellung.
Obwohl in obiger Grafik jeweils die gleiche Spiralkurve im exakt gleichen Teilungswinkel angeordnet wurde, sieht man geringfügige Unterschiede, die sich aus dem jeweiligen Zellwachstum ergeben. Um diesen Effekt zu verdeutlichen, wurden die einzelnen Spiralkurven bewusst „nicht” individuell angepasst.
Aus dieser Darstellung wird eines deutlich: Möchte man dynamische Prozesse, wie sie zum
Beispiel bei einer Galaxie auftreten, anhand von Spiralkurven untersuchen, müssen
zusätzlich noch weitere Faktoren wie Rotationsgeschwindigkeit und die Wirbeldynamik,
hervorgerufen durch die inneren Wirbelstrukturen, mit einbezogen werden. Ohne sich
dessen bewusst zu sein, bewegen wir uns dann ganz schnell im
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