Die Zahlen-Folge nach Fibonacci weist, wie wir gesehen haben, einige bemerkenswerte
mathematische Besonderheiten auf. Zum einen ist es die Zahl
Die Maßzahl des Goldenen Schnitts und des Goldenen Winkels gehört zu
den irrationalen Zahlen, das heißt sie ist nicht durch einen Bruch ganzer Zahlen
darstellbar, wie zum Beispiel 1/3. Zu diesen irrationalen
Zahlen gehören unter anderem die Kreiszahl
Die irrationalen Zahlen lassen sich quasi in verschiedenen Stufen der Irrationalität beschreiben. In einer Aufzählung der irrationalen Zahlen bildet die Goldene Zahl Φ (Phi) das Schlusslicht. Φ (Phi) ist die irrationalste aller irrationalen Zahlen. Das wirkt erst einmal erstaunlich, denn es besagt nichts anderes als, dass wir gerade das Irrationalste als besonders harmonisch empfinden.
Und das ist wirklich außergewöhnlich. Rational betrachtet ist das, was wir als extrem wohlproportioniert empfinden, etwas völlig Gegensätzliches. Eine mathematische Betrachtung der Zahl Φ (Phi) macht ihre Einzigartigkeit deutlich. So lassen sich die Verhältnismäßigkeiten der drei Größen „Minor”, „Major” und „das Ganze” in einer einfachen Beziehung darstellen. Die bisher bekannteste Formel lautet:
Es gibt noch eine weitere Formel, die selbst unter Mathematikern nicht so verbreitet sein soll. Jeder mathematische Bruch lässt sich bekanntlich als sogenannter Kettenbruch darstellen. Beim Kettenbruch wird das Verhältnis simplifiziert, indem man den ursprünglichen Bruch in einfachere Brüche aufgliedert. Zähler jedes einzelnen Bruches ist die Zahl Eins. Zum Beispiel lässt sich ein rationales Verhältnis wie folgt darstellen:
Neben den Bruchzahlen lassen sich auch irrationale Zahlen durch einen Kettenbruch darstellen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass der Kettenbruch einer irrationalen Zahl unendlich ist.
Insofern lässt sich die Kreiszahl π (pi) wie folgt darstellen:
Andererseits lässt sich √2 wie folgt charakterisieren:
Auch die irrationale Zahl Φ (Phi) lässt sich in Form eines Kettenbruches darstellen:
Der Kettenbruch zur Berechnung der Zahl Φ (Phi) nimmt allerdings eine Sonderstellung ein, weil er sich als einziger mit nur einer Zahl darstellen lässt. Der Goldene Schnitt errechnet sich tatsächlich nur aus der Zahl Eins. Das Einfachste ist somit Ausdruck des Irrationalsten. Die Natur bevorzugt dieses Verhältnis in zahllosen Erscheinungsformen. Es spricht viel dafür, dass dieses verschachtelte und zugleich minimalistische Additionsprinzip Naturprozesse visualisiert, die wir bisher noch nicht völlig verstanden haben.
Eine zweite Ableitung der Zahl Φ (Phi) sieht wie folgt aus:
Diese zweite Ableitung gleicht etwas mehr der geometrischen Ausdrucksweise des Goldenen Schnitts. So wie „Minor” eine Beziehung zum „Major” hat, so hat auch in obiger Formel jedes Element eine Beziehung sowohl zum übergeordneten als auch zum untergeordneten Element. Gerade das Verhältnis des „Ganzen” und seiner untergeordneten Teile zueinander beschreibt anschaulich den Goldenen Schnitt, der sich indirekt hier wiederfindet.
Die mathematischen Ausführungen zeigen auf eindrucksvolle Weise, dass der Goldene Schnitt, der Goldene Winkel, die Fibonacci-Folge, ja selbst die Zahl Φ (Phi) eine „unbezweifelbar zentrale Rolle innerhalb der Mathematik” einnehmen. Im Grunde beschreiben sie alle ein und dasselbe Phänomen.
Bisher ging man davon aus, dass die herausragende Stellung der Zahl Φ (Phi) in der Mathematik ein ungeklärtes Rätsel ist. Und dass sich aus der mathematischen Analyse allein keine Erklärung finden lässt. Letztlich geht es auch darum, den inhaltlichen Charakter und dessen Aussagekraft zu ergründen. Die mathematischen Zusammenhänge können jedoch helfen, die Verbindung zum universalen Charakter der Proportio divina und damit zur Schönheit der Schöpfung zu finden. Carl Friedrich von Weizsäcker soll einmal gesagt haben: „Vielleicht ist die allgegenwärtig verborgene Mathematik der Natur der Seinsgrund aller Schönheit.” (von Weizsäcker 1995)
Es erhebt sich daher die Frage, wenn letztlich auch die Fibonacci-Folge den Mechanismus der Pflanzen oder anderer Lebewesen so erstaunlich zu beschreiben scheint, was fehlt uns noch, um den Code endgültig zu entschlüsseln? Um das Bild zu vervollständigen kommen wir nicht umhin, auch kurz den Golden Winkel zu betrachten.
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