Die nachfolgende Betrachtung dient als Grundlage um zu verstehen, warum es elektromagnetische Wellen gibt. Denn elektromagnetische Wellen sind ein sehr wichtiges Modell, mit dem sich unter anderem die Lichtausbreitung beschreiben lässt.
Wir erinnern uns, das Ampere'sche Gesetz sagt aus, dass die magnetische Spannung längs einer geschlossenen Schleife oder Spule gleich dem elektrischen Strom ist, der von dieser Schleife eingeschlossen wird:
Eine andere Schreibweise lautet:
Daraus ergab sich als Folgerung die 2. Maxwell-Gleichung:
Gleichungen haben aber nur dann ihre Gültigkeit, wenn diese auf ihre
Schlüssigkeit geprüft worden sind. Und so kam man bei dieser Maxwell-Gleichung
auf die Idee, die Divergenz zu bilden.
Hinweis: Die Vektordifferentialoperatoren spielen immer wieder eine wichtige Rolle.
Und so ergibt sich:
Da aber stets
Wie schon mehrfach erwähnt, ist die Ladungserhaltung eine wesentliche Grundlage in der Elektrodynamik. Diese Ladungserhaltung kann ebenso dargestellt werden wie die Massenerhaltung in der Hydrodynamik. Das geschieht im Allgemeinen durch eine Kontinuitätsgleichung:
Wenn div > 0, dann gibt es einen Netto-Stromfluss aus einem Volumen heraus, wobei die Ladungsdichte zurückgeht. Bei genauer Betrachtung stellt man fest, dass die unterschiedlichen Divergenz-Bildungen jeweils zu Null führen.
Das würde aber bedeuten, dass immer
Wenn man aber sinnvoller Weise davon ausgehen kann, das die Ladungserhaltung stimmt,
dann muss die 2. Maxwell-Gleichung erweitert werden, damit die Ladungsdichte
Um das zu untermauern, wollen wir gedanklich ein Experiment durchführen.
Hierzu betrachten wir einen Stromkreis mit einem Plattenkondensator. Der Kondensator soll entweder aufgeladen oder entladen sein. Um das zu erreichen, legt man eine zeitlich wechselnde Spannung an. Dadurch wird der Kondensator einmal in der einen und einmal in der anderen Richtung aufgeladen. Wir betrachten jetzt genau den Zeitpunkt während eines Auflade-Vorgangs.
Es sei erwähnt, dass trotz des Dielektrikums − hier soll es ein Vakuum zwischen den Kondensatorplatten sein − ein Ladestrom fließen wird. Und wenn solch ein Ladestrom fließt, wird sich auch ein Magnetfeld ausbilden. Gemäß dem Ampere'schen-Gesetz entsteht in Folge dessen rundherum ein magnetischer Feldwirbel K₁ mit einem Radius r.
Was wird passieren, wenn man jetzt einen weiteren Kreis K₂ zwischen die Kondensatorplatten einfügt. Zunächst würde man davon ausgehen, dass sich dort kein magnetischer Feldwirbel ausbildet, weil ja im Dielektrikum kein elektrischer Ladestrom fließt. Dem ist aber nicht so, denn in der Realität zeigt sich, dass es auch zwischen den Platten einen gleichartigen magnetischen Feldwirbel gibt.
Mittels Ampere'schen-Gesetz lässt sich der magnetische Feldwirbel K₁ berechnen:
Das Ringintegral ist, wie wir bereits wissen, gleich dem Kreisumfang multipliziert mit dem Vektorfeld (betragsmäßig):
Andererseits lässt sich mittels Ampere'schen-Gesetz genauso K₂ berechnen:
Da nichts eingeschlossen wird, ist das Ringintegral in diesem Fall Null.
Das ist aber ein Widerspruch zum experimentellen Befund. Somit führt das Ampere'sche-Gesetz hier nicht zum Ziel.
Es gibt allerdings eine interessante Überlegung. Bei dem Ampere'schen-Gesetz heißt es ja nur, dass längs einer geschlossenen Kurve integriert wird, durch die ein Strom hindurchtritt. Es wird aber nicht gesagt, dass diese Fläche, um deren Rand es geht, eine ebene Fläche sein muss. Man kann ja auch eine Art Glocke betrachten, also eine gewölbte Fläche, die in das Dielektrikum hineinreicht. Eine solche Fläche ₁ lässt sich auch als Ring-Integral darstellen.
Mittels Ampere'schen-Gesetz lässt sich das veränderte K₁ berechnen:
Damit erhalten wir aber einen Widerspruch sowohl zum obigen Ergebnis als auch zum Experiment.
Um dieses Problem zu lösen, hatte Maxwell die Idee, einen zusätzlichen imaginären Strom einzuführen. Dabei handelt es sich um den sogenannten Maxwell'schen Verschiebungsstrom. Hierbei geht es um einen Zusammenhang zwischen dem Strom einerseits und der Änderung der Ladungen auf den Kondensatorplatten andererseits.
Die Änderung der Ladung ergibt sich aus dem Strom in den Zuleitungen:
Jetzt wird ein imaginärer Strom zwischen den Kondensatorplatten eingeführt, so als würde dort ein Strom fließen, was aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Aus diesem Grund wird der Verschiebungsstrom Iv mit dem Ladestrom I gleichgesetzt:
Wir erinnern uns, dass die Ladung ist definiert als:
Und die Kapazität ist definiert als:
d ist die Distanz zwischen den Kondensatorplatten
Ac ist die Fläche der
Kondensatorplatten
Durch Einsetzen ergibt sich daher:
U /d ist der Betrag der elektrischen Feldstärke E
Daher kann man auch schreiben:
Hier wurde eine partielle Schreibweise gewählt, weil die elektrische Feldstärke auch von den Ortskoordinaten abhängig ist.
Natürlich lässt sich das auch vektoriell schreiben, indem man die
Plattenfläche mit einem Flächenvektor
Auf diese Weise steht nicht mehr die Ladung im Vordergrund, sondern die zeitliche Änderung des elektrischen Feldes. Wenn sich das elektrische Feld zwischen den Platten ändert, also wenn sich der Kondensator auflädt oder entlädt, dann kommt es zu einem Verschiebungsstrom. In unserem Fall ist dieser Verschiebungsstrom gleichbedeutend mit dem tatsächlich fließenden Ladungsstrom.
Im nächsten Schritt wird zu dem Ladungsstrom I, der nur die Zu- und Ableitung betrifft, der Verschiebungsstrom Iv hinzugefügt, der seinerseits nur den Bereich zwischen den Kondensatorplatten betrifft. Durch diese Vorgehensweise sieht es so aus, als wenn der elektrische Strom stetig und ohne Unterbrechung durch die gesamte Anordnung fließt.
Damit wird dem Verschiebungsstrom Iv jetzt die gleiche magnetische Wirkung zugeschrieben, wie dem tatsächlichen Strom. Und daher erhält das Ampere'sche Gesetz einen anderen, allgemeineren Formalismus:
Wenn man diese Beziehung umformen und in eine differentielle Schreibweise bringen möchte, benötigt man von dem Verschiebungsstrom zunächst die zugehörige Dichte.
Die Verschiebungsstromdichte ist definiert als:
Das heißt, wenn sich in dem Kondensator das Feld nicht ändert, dann ist die Verschiebungsstromdichte Null. In diesem Fall fließt außerhalb kein Strom, und dann entsteht auch kein magnetisches Feld. Natürlich betrachten wir hier einen idealisierten Kondensator mit unendlich großen Platten bei einem geringen Abstand.
Dadurch erhält man auch eine allgemeinere Maxwell-Gleichung:
Durch Einsetzen ergibt sich:
Hinweis: Der zweite Term entspricht dem Maxwell'schen Verschiebungsstrom.
Warum nennt man ihn aber Verschiebungsstrom, wenn doch tatsächlich gar kein Strom fließt? Das wird anhand dieser Gleichung klar. Nämlich, ein magnetischer Feldwirbel wird nicht nur durch einen Stromfluss bewirkt, sondern zusätzlich und unabhängig davon auch von einem zeitlich veränderlichen elektrischen Feld.
Und damit gibt es in Wirklichkeit zwei Ursachen für die Ausbildung eines magnetischen Feldwirbels. Um zu erkennen, ob diese neue Beziehung stimmig ist, bildet man erneut die Divergenz.
Hinweis: Räumliche und zeitliche partielle Differentiationen können hierbei ausgetauscht werden, wenn diese ausreichend definiert sind. Daher kann man auch schreiben:
Das ist praktisch, denn die
Außerdem ist, wie allgemein bekannt:
Durch Einsetzten ergibt sich daher:
Nach Wegkürzen bleibt schließlich nur noch übrig:
Und genau das ist die Kontinuitätsgleichung, die der Ladungserhaltung entspricht.
Damit sind alle Widersprüche geklärt, und man kann ohne Weiteres aus der
Alles in allem ist die Kontinuitätsgleichung bzw. die Ladungserhaltung in die Maxwell-Gleichung mit eingebaut. Daher kann die Kontinuitätsgleichung auch als eine „Konsistenzbedingung” aufgefasst werden: „Nur wenn die Ladungsdichten und die Stromdichten miteinander konsistent sind, bleibt es bei einer Ladungserhaltung.”
Insgesamt haben wir nun vier Maxwell-Gleichungen aus experimentellen Befunden gewonnen.
Wir haben zwei inhomogene Gleichungen:
Man bezeichnet beide als inhomogen, weil sie die Ladungsdichte und die Stromdichte enthalten.
Und wir haben zwei homogene Gleichungen:
In dem negativen Vorzeichen wird die Energieerhaltung ausgedrückt.
Zu diesen vier Maxwell-Gleichungen kommt die bereits betrachtete Lorentzkraft. Bei vorgegebenen ϱ und lassen sich elektrische und magnetische Felder ermitteln. Sind die Felder bekannt, lässt sich mittels der Lorentzkraft die Kraftwirkung auf andere Flussdichten darstellen.
Wir hatten die Lorentzkraft bereits definiert als:
Diese fünf Gleichungen stellen die gesamte elektromagnetische Wechselwirkung dar und bilden die Basis für die klassische Feldtheorie der Elektrodynamik. Wenn man obige Maxwell-Gleichungen auf ein gleichförmig bewegtes Bezugssystem transformiert, kommen Gleichungen mit zusätzlichen Termen heraus, die proportional zu v² / c₀² sind. Doch dazu später mehr.
Dieser Effekt scheint auf den ersten Blick sehr unangenehm, doch die zusätzlichen Terme haben keinen Einfluss mehr auf die Maxwell-Gleichungen. Vielmehr wurde es notwendig, die Newton'sche Mechanik zu reformieren. Und das führte schließlich zur Speziellen Relativitätsmechanik.
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