Das Fermi National Accelerator Laboratory oder kurz „Fermilab” genannt, ist ein Forschungszentrum für Teilchenphysik, das vom US-Energieministerium betrieben wird. Es beherbergte von 1983 bis 2011 das Tevatron, das am 30. November 2009 vom Large Hadron Collider als energiereichster Teilchenbeschleuniger der Welt abgelöst wurde.
Nichts desto trotz wurden dort weiterhin erfolgversprechende Experimente durchgeführt. Eines davon wurde als das „Muon g-2 Experiment” bekannt. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass sich fundamentale Teilchen, wozu das Myon (Englisch: Muon) gehört, auf eine Weise verhalten, die selbst von dem Standardmodell der Teilchenphysik, nicht vorhergesagt wird. Durch die bahnbrechenden Ergebnisse wurde abermals eine Diskrepanz bestätigt, über die sich Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten den Kopf zerbrechen.
Die Tatsache, dass das Verhalten der Myonen von der Berechnung des Standardmodells abweichen, könnte auf ein Überdenken unseres bisherigen Verständnisses der Physik hindeuten. Myonen eröffnen quasi ein Portal in die subatomare Welt und könnten mit noch unentdeckten Teilchen oder Kräften interagieren.
Das Herzstück des Experiments ist ein supraleitender magnetischer Speicherring mit einem Durchmesser von etwas mehr als 15 Metern. Dieses beeindruckende Experiment arbeitet bei −450 Grad Fahrenheit, was −268 Grad Celsius entspricht. Es wird die Präzession (das Wackeln) von Myonen untersucht, während sie durch das Magnetfeld wandern.
Das Myon ist etwa 200-mal massereicher als das Elektron. Myonen treten auf natürliche Weise auf, wenn kosmische Strahlen auf die Erdatmosphäre treffen. Sie lassen sich aber auch im Teilchenbeschleuniger, z. B. im Fermilab in großer Zahl hervorrufen. Myonen verhalten sich wie Elektronen, so als ob sie einen winzigen inneren Magneten hätten. In einem starken Magnetfeld präzediert bzw. wackelt die Richtung des Magneten des Myons, ähnlich wie die Achse eines Kreisels. Die Stärke des inneren Magneten bestimmt die Geschwindigkeit, mit der das Myon in einem äußeren Magnetfeld präzediert und wird durch eine Zahl beschrieben, die man als „g-Faktor” bezeichnet. Diese Zahl kann mit extrem hoher Genauigkeit berechnet werden.
Während die Myonen im „Muon g-2 Magneten” zirkulieren, interagieren sie auch mit einer Art „Quantenschaum” aus subatomaren Partikeln, die auftauchen und wieder verschwinden. Wechselwirkungen mit diesen kurzlebigen Teilchen beeinflussen den Wert des „g-Faktors”, wodurch die Präzession der Myonen sehr leicht beschleunigt oder verlangsamt wird.
Das Standardmodell sagt zwar dieses sogenannte anomale magnetische Moment ziemlich präzise voraus. Doch wenn der Quantenschaum zusätzliche Kräfte oder Partikel enthält, die im Standardmodell nicht berücksichtigt werden, würde dies den „Myon-g-Faktor” weiter optimieren.
„Diese Größe, die wir messen, spiegelt die Wechselwirkungen des Myons mit allem anderen im Universum wider. Aber wenn die Theoretiker die gleiche Größe berechnen und alle bekannten Kräfte und Teilchen des Standardmodells verwenden, erhalten wir nicht die gleiche Antwort”, sagte Renee Fatemi. Sie ist Physikerin an der University of Kentucky und Simulationsmanagerin beim „Muon g-2 Experiment”. „Dies ist ein starker Beweis dafür, dass das Myon empfindlich auf etwas reagiert, das nicht unserer besten Theorie entspricht.”
Bereits das Vorgängerexperiment am Brookhaven National Laboratory des DOE, das 2001 abgeschlossen wurde, lieferte Hinweise darauf, dass das Verhalten des Myons nicht mit dem Standardmodell übereinstimmte. Die neue Messung aus dem „Muon g-2 Experiment” stimmt stark mit dem in Brookhaven gefundenen Wert überein.
Abb. 1: Der Wert vom Fermilab-Experiment zeigt die aktuell genaueste Messung
Die akzeptierten theoretischen Werte für das Myon sind:
g-Faktor: 2,00233183620(86)
Anomales magnetisches Moment: 0,00116591810(43)
(Unsicherheit in Klammern)
Die neuen experimentellen Weltdurchschnittsergebnisse, die zuletzt von
der „Muon g-2 Kollaboration” bekannt gegeben wurden, lauten:
g-Faktor: 2,00233184122(82)
Anomales magnetisches Moment: 0,00116592061(41)
(Unsicherheit in Klammern)
Die kombinierten Ergebnisse von Fermilab und Brookhaven zeigen einen
Unterschied zur Theorie mit einer Signifikanz von
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