Im vorherigen Kapitel haben wir bereits einige Leitungsmechanismen in verschiedenen Substanzen betrachtet. Dabei kam ein wesentlicher Unterschied zum Tragen, nämlich deren Aggregatzustände. Bisher ging es um Festkörper und Flüssigkeiten. Jetzt werden wir dieses Teilgebiet mit den Gasen abrunden.
Alle diese Systeme zeigen durchaus ein unterschiedliches Verhalten und sind qualitativ anders zu bewerten. Dementsprechend ist das insgesamt gesehen ein außerordentlich interessantes und ergiebiges Thema.
Bei den festen Körpern wurde insbesondere zwischen metallischen Leitern und Isolatoren unterschieden. Und die wiederum weichen mitunter extrem voneinander ab, hinsichtlich ihrer Leitfähigkeit. Bei den metallischen Körpern kommt diese verhältnismäßig gute Leitfähigkeit dadurch zustande, dass die Elektronen in den äußeren Hüllen der Atome weitestgehend frei beweglich sind. Dadurch wird in dem Leitungsenergieband eine leichte und gute Stromleitung ermöglicht.
Bei den Isolatoren hingegen ist es so, dass sehr viel Energie benötigt wird, um Elektronen aus den äußeren Hüllen der Atome oder Moleküle dieser Körper in eine genügend hohe Energie zu heben. Denn erst dann gelangen die Elektronen in das Leitungsband, wo sie sich frei bewegen könnten. Deshalb ist bei den Isolatoren das Leitungsband grundsätzlich frei von Elektronen. Und daher kommt es zu den gewaltigen Unterschieden bei der Leitfähigkeit zwischen metallischen Festkörpern und Isolatoren.
In den meisten Fällen haben wir es bei den metallischen Festkörpern mit „Elektronenleitung” zu tun. Bei den Flüssigkeiten liegt die Sache völlig anders. Da spielen Elektronen als Ladungsträger praktisch keine Rolle. Man hat es hier hauptsächlich mit „Ionen” zu tun. Aber nicht in allen Flüssigkeiten treten Ionen in genügender Anzahl auf. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn man eine Flüssigkeit betrachtet, bei der sich die Moleküle aufgrund fehlender chemischer Prozesse nicht aufspalten, obwohl man diese Materialien in eine Lösung bringt. Der Grund dafür liegt in der sogenannten „kovalenten Bindung”, bei der es zu einer Überlappung der Elektronenhüllen der einzelnen Atome kommt, und damit zu einem stabileren Verbund.
Anders verhält es sich dagegen bei Substanzen mit Ionen-Bindung. Hier zeichnet sich der eine Partner durch eine vornehmlich positive Ladung aus und der Gegenpart durch eine weitestgehend negative Ladung. Wenn man jetzt eine gewisse Menge dieser Moleküle in eine flüssige Lösung, wie beispielsweise Wasser gibt, dann wird aufgrund der hohen Dielektrizitätskonstante des Wassers die Anziehungskraft zwischen positiven und negativen Ladungen reduziert. In diesem Fall reichen verhältnismäßig geringe thermische Energien aus, um die betreffenden Atome weitestgehend voneinander zu lösen. Wie wir bereits im vorherigen Kapitel gesehen haben, spricht man dann von Dissoziation. Daher hat man bei den Flüssigkeiten im Wesentlichen keine Elektronenleitung, sondern eine Ionenleitung. Die dritte Art der Stromleitung unterscheidet sich nochmals von den beiden vorgenannten.
Bei den Gasen kann beides eintreten. Es kann sowohl eine Stromleitung durch Elektronen geben, als auch positive und negative Ionen vorhanden sein. Wie kommt es dazu, dass Gase überhaupt leitend werden können? Hier kommt es wieder darauf an, ob man wie bei den Flüssigkeiten eine Ionisierung zustande bringt. Bei den Flüssigkeiten geschieht dies durch die Dissoziation. Bei den Gasen läuft der Prozess allerdings ein bisschen schneller ab. So ein Gas hat eine viel kleinere „Viskosität” als eine Flüssigkeit. Daher kann die hohe Geschwindigkeit der Elektronen zusätzlich „Leuchterscheinungen” hervorrufen.
Bei Gasen, mit genügend hohen Ladungsträgerkonzentrationen, spricht man von einem „Plasma”. Plasmen sind demnach hochionisierte Gase. Und wie erreicht man das? Eine Möglichkeit besteht darin, dass man die Temperatur sehr hoch heizt. Aufgrund der hohen mittleren thermischen Energien der Gasmoleküle kommt es nur durch die Kollisionen zur Ionisierung und schließlich zur Plasmabildung.
Eine natürliche Ionisation kommt durch Höhenstrahlung zustande. Des Weiteren wird sie hervorgerufen durch natürliche Radioaktivität. Beides sind nicht anthropogene Vorgänge. Die Höhenstrahlung ist eine aus dem tiefen Weltraum kommende sehr hochenergetische Strahlung. Die darin enthaltenen primären Protonen, die in die obere Atmosphäre eintreffen, haben Energien, die im Laufe der Zeit durch viele große Magnetfelder beschleunigt wurden. Es treten dann weitere Teilchen in Erscheinung, wie zum Beispiel die Pionen und die Myonen. Und das alles führt im Allgemeinen zu geringen Ionenkonzentrationen.
Es gibt verschiedene Prozesse, die wir nun kurz betrachten wollen. Wenn man durch irgendwelche Vorgänge die Gasmoleküle ionisiert, dann wird bei so einem Molekül ein Elektron quasi „weggeschossen”. Dadurch wird das Molekül seinerseits positiv und das Elektron bleibt negativ. Jetzt hat das freie Elektron die Möglichkeit, sich an einem anderen Gas-Atom anzulagern. Als Folge davon entstehen ein positives und ein negatives Gas-Ion. Würde man diese beiden Gas-Ionen zwischen zwei Elektroden geben, würden sich die Ionen zu den entsprechenden Polen bewegen.
Allerdings ist das keine Einbahnstraße, denn die Ionen ziehen einander auch gegenseitig an. Als Folge davon wird die Ionisierung wieder gestoppt. Es gibt also zwei gegenläufige Prozesse, die Ionisation einerseits und die Rekombination andererseits. Wenn man eine stationäre Situation haben möchte, mit einer gewissen Anzahl von Ionen pro Kubikmeter, benötigt man dazu eine fortlaufende Erzeugungsrate. Erst dann stellt sich ein Fließgleichgewicht ein. Dieses Gleichgewicht hängt von der Mobilität, den Ladungen, der Erzeugungsrate usw. ab.
Also, was für eine Möglichkeit hat man überhaupt, eine Ionisation zu bewirken? Wir wollen die Thematik inhaltlich ein bisschen aufteilen. Die Ionisation kann zum einen erfolgen in Form einer „Volumenionisation” oder in Form einer „Oberflächenionisation”. In einem Volumen geschieht dies mittels hindurchtretender Höhenstrahlung oder entsprechend hohe Temperaturen und thermische Energien. Alternativ dazu geschieht dies entweder an heißen Oberflächen, oder an Oberflächen mit hohem elektrischen Potential.
Aber eine vielleicht noch wichtigere Unterscheidung ist, ob diese Ionisation unselbständig oder selbständig erfolgt. Das, was wir bisher betrachtet haben, beruht auf unselbständigen Mechanismen. Wenn man dagegen ein Gas in ein relativ starkes elektrisches Feld bringt, dann kann es passieren, dass die gerade gebildeten Ionen anschließend relativ stark beschleunigt werden. Durch derartige Beschleunigungsprozesse erhalten die Ionen große Energien, sodass es im Innern des Gases zu Stoßvorgängen mit einem anderen neutralen Gasmolekül kommt, wodurch es ebenfalls ionisiert wird. Als Folge davon entstehen wieder neue Ionen, die ihrerseits beschleunigt werden, und das führt schließlich zu einer Kettenreaktion. Man könnte sich dies wie eine Art Stoßwelle vorstellen, die sich in dem System ausbreitet. In vielen praktischen Anwendungsfällen favorisiert man daher eine selbständige Ionisation, die oft durch Plasmen realisiert wird.
Typischer Weise gibt es drei verschiedene Mechanismen, die man beobachten kann.
Als erstes ist die „Thermische Ionisation” zu nennen. Wenn eine genügend große thermische Energie vorhanden ist, wird es aufgrund dieser Energie zu einer Aufspaltung eines zunächst neutralen Gas-Atoms in ein positives Ion und ein negatives Elektron kommen. Die Ionen-Emission ihrerseits kann erfolgen von heißen Metalloberflächen oder wenn man zum Beispiel an glühende Drähte denkt, die man in Elektronenröhren insbesondere bei Hochfrequenzanwendungen verwendet.
Aber die Ionen-Emission kann auch erfolgen in Flammen. Flammen sind im Grunde nichts anderes als glühende Gase. Wenn die Gase eine genügend hohe Temperatur haben, beginnen die Gasmoleküle ihrerseits elektromagnetische Strahlung auszusenden. Außerdem entsteht bei den entsprechend hohen thermischen Energien eine Ionisation der Moleküle. Und bei der anschließenden Rekombination wird meistens wieder Energie frei, die in Form eines Photons ausgesendet wird.
Die Ionenemission in Flammen lässt sich auch veranschaulichen mit zwei Platten eines Plattenkondensators. Diese Platten werden zunächst an eine Spannungsquelle angeschlossen. Anschließend werden die Platten aufgeladen, indem durch Reibung eine Ladungstrennung erfolgt. Wenn man jetzt zwischen den Platten eine Flamme hineinbringt, ruft dies eine thermische Ionisation hervor, wodurch ein Stromfluss entsteht.
Als zweites gibt es die „Photoionisation”. Hierbei trifft eine genügend hochenergetische Lichtstrahlung auf einen Körper, sodass aufgrund der eindringenden Photonen in die Oberfläche, Elektronen aus dieser herausgeschlagen werden können, und es dadurch zu Ionisierung kommt. Dieser Effekt, der zunächst empirisch festgestellt wurde, ließ vermuten, dass der Effekt nur dadurch erklärt werden kann, wenn die Lichtstrahlung nicht nur einen Wellencharakter hat, sondern auch als Teilchenstrahlung angesehen werden kann.
Bei der Photoionisation ist es so, dass durch kurzwellige Strahlung, entweder im Volumen eines Gases oder an der Oberfläche Ionisierung eintreten kann. Und daraus folgt dann wieder eine entsprechende Leitfähigkeit in dem Gas. Warum das eine kurzwellige Strahlung sein muss, hängt mit der Energie der Photonen zusammen. Die Energie eines Photons hängt unmittelbar mit der Frequenz der entsprechenden elektromagnetischen Strahlung zusammen und ist proportional zu dieser Frequenz.
Und der dritte Effekt ist die „Elektronen-Stoßionisation”. Wie bereits oben erwähnt, werden die Elektronen in einem elektrischen Feld stark beschleunigt. Durch deren Energiezuwachs und den daraus resultierenden Stoßvorgängen mit zunächst neutralen Gas-Molekülen, werden diese als Folge ionisiert. Insofern führt dieser Elektronenstoß zu einer selbständigen Entladung.
Hier gibt es auch wieder verschiedene Arten von Stoßionisation. Eine dieser Möglichkeiten ist „der Funke”. Das ist eine Stoßionisation, bei der hohe Ströme fließen, aber nur mit kurzer Dauer. Solche Ionisationsvorgänge von kurzer Dauer kann man zum Beispiel in der Atmosphäre beobachten, wenn sich Ionenwolken unterschiedlicher Polarität bilden, meistens durch Reibung und thermische Bewegung. Gerade bei großen Temperaturunterschieden, wird es in der Atmosphäre turbulent, und die Auswirkungen sind heftige Gewitter. Es kommt zu großen Spannungen in der Atmosphäre, und das kann zu Funken mit sehr großen Längen führen. Und da es in einem solchen Funken sehr heiß wird, kommt es zu einer thermischen Expansion, und diese stoßartige Explosion nehmen wir dann als Donner wahr. Also, es entstehen Stoßwellen, die für uns hörbar sind.
Es lassen sich aber auch Funken herstellen bei „Kondensatorentladungen”. In diesem Fall fließt für eine kurze Zeit ein hoher Strom und sobald der Kondensator entladen ist, kehrt wieder Ruhe ein.
Eine weitere Methode, wie man zur Stoßionisation kommt, ist die „Lichtbogenentladung”. Hierbei kommt es zu Glühemissionen aus den Elektroden, die wegen ihrer guten Leitfähigkeit manchmal aus Kohlestiften hergestellt werden. Wenn zwischen diesen Kohlestiften eine entsprechend hohe Spannung herrscht, bildet sich ein Lichtbogen. Es entsteht durch die entsprechende Spannung eine Stoßionisation, die letzten Endes zu einem hohen stationären Ladungstransport führt. Es kommt dann zu einem sehr hellen und intensiven Licht, welches man bei großen Scheinwerfern nutzt. Ein solcher Lichtbogen kann bei Atmosphärendruck realisiert werden. Mittlerweile geht man aber immer mehr dazu über, LED-Scheinwerfer zu verwenden.
Vielleicht denkt man in diesem Zusammenhang auch an die Polarlichter. Spontan würde man sie der „Photoionisation” zuordnen, aber Polarlichter haben mehr mit der „Stoßionisation” zu tun. Zunächst sind in der Atmosphäre nur wenige Ladungsträger vorhanden, die zum Teil von der Sonne mit dem Sonnenwind herangetragen werden. Anschließend werden die Ladungsträger im Erdmagnetfeld beschleunigt, und erhalten eine entsprechend hohe Energie. Das führt dann zu dem Elektronen-Stoß. Im Grunde sind es Ladungsträger, die längs der magnetischen Feldlinien in die Atmosphäre eintreten, und dort durch Elektronen-Stoßionisation sowie selbständige Entladung zu stärkerer Ionisation und damit zu Leuchteffekten führen.
Und letztlich gibt es noch eine sogenannte „Glimmentladung”. Bei der Glimmentladung handelt es sich weder um einen Funken noch um einen Lichtbogen. Die Stoßionisation, die hier zum Tragen kommt, wird durch geringe Ströme hervorgerufen, die bereits durch geringe Gasdrücke erreicht werden. Aber es kommt auch hier zu einen stationären Ladungstransport.
Wenn man in einem mit Gas gefüllten System den Gasdruck reduziert, erhalten die einzelnen Moleküle in dem Gas eine größere mittlere freie Weglänge. Die Moleküle können länger frei fliegen, bevor sie wieder mit einem anderen Gasmolekül zusammenstoßen. Das bedeutet aber, wenn dieses Molekül bereits ionisiert war, wird dieses Ion aufgrund der längeren mittleren freien Weglänge, in einem bestimmten elektrischen Feld, auch eine größere Energie erreichen können. Und wenn diese Weglänge groß genug wird, bzw. der Druck klein genug ist, dann wird diese Energie so anwachsen, dass diese Energie ausreicht, um wieder neue zunächst neutrale Gas-Moleküle zu ionisieren. Dadurch entsteht dann der Prozess der bereits angesprochenen Stoßionisation und man hat wieder einen stationären Vorgang.
Die Glimmentladung findet Anwendung bei Leuchtstoffröhren. Bei diesen Leuchterscheinungen kommt es zu einer stationären Schichtung, was ein Hinweis auf diskrete Energieniveaus bei den Gasmolekülen ist. Diese Energieniveaus müssen erreicht werden, damit ein neutrales Gas-Molekül angeregt werden kann, um dann nachher auch wieder durch Rückfall in den Grundzustand ein Photon auszusenden, was dann die Lichterscheinung hervorruft. Gäbe es keine derartigen diskreten Energieniveaus, hätte man immer nur eine gleichmäßig glatte Lichtsäule. Die Elektronen müssen aber eine ausreichend große Strecke durchlaufen, bis sie energetisch genug angeregt sind, um die Anregungsschwelle zu überwinden.
⇦ Kapitel Kapitel ⇨