Sprechen wir noch kurz über die Dynamik der Kreiselbewegung. Um diese Dynamik richtig darstellen zu können, benötigt man eine Differenzialgleichung, quasi eine Bewegungsgleichung. Das ist wie schon oft erwähnt:
Damit man ein anschauliches Ergebnis erhält, muss man auch hier auf das körperfeste Koordinatensystem transformieren. Auch hierfür wählt man wieder das Hauptachsensystem, als besonders bevorzugtes körperfestes Koordinatensystem.
Daraus erhält man die berühmten Eulerschen Kreiselgleichungen. Diese
werden meistens in Komponentenform aufgeschrieben. Eine für die
Es gibt jetzt drei wichtige Achsen bzw. Achsenrichtungen. Die erste Achse ist natürlich die raumfeste Drehimpulsachse . Wenn kein äußeres Drehmoment wirkt, dann ist konstant. Als zweites gibt es die Drehachse, die durch den Winkelgeschwindigkeitsvektor charakterisiert ist. Und weil dieser Kreisel symmetrisch ist, gibt es als drittes die Figurenachse. Letztgenannte ist eine Achse, welche durch die Symmetrielinie dieses symmetrischen Kreisels verläuft.
Wenn alle Achsen parallel zueinander verlaufen, erhält man eine stabile Rotation. Dann liegt ein spezieller Fall vor:
Je nach Anfangsbedingungen muss das nicht zwingend so zu sein. Erfolgt zum Beispiel ein kurzzeitiger Impuls von außen, dann taumelt die Figurenachse des Körpers um die raumfeste Drehimpulsachse herum. Durch Lösung der Eulerschen Kreiselgleichungen lässt sich beweisen, dass zwei Winkel immer gleich sind. Das ist zum einen der Winkel zwischen Figurenachse und Drehimpulsachse. Und anderseits der Winkel zwischen Figurenachse und Rotationsachse. Beide Winkel bleiben immer konstant.
Diesen Vorgang, nämlich der Rotation ohne äußeres Drehmoment und bei dem
alle drei Achsen nicht parallel zueinander verlaufen, nennt man die „Nutation des
Kreisels”. Nutation ist eine Rotationsbewegung, wo diese drei Achsen nicht
zusammenfallen. Dieser Fall ist der Gegensatz zur stabilen Rotation. Und wenn diese
zwei Winkel immer konstant bleiben, dann bedeutet das:
Der Gangpolkegel rollt an dem raumfesten Rastpolkegel tangential ab, wobei der
Gangpolkegel in dem starren Körper verankert ist. Das Ganze nennt man dann die
„Nutationsbewegung”. Den Rastpolkegel nennt man so, weil er in Ruhe ist,
relativ zum raumfesten Drehimpuls. Also relativ zu dem raumfesten
Inertialsystem, zu dem sich dieser Kreisel dreht.
Hinweis: Die Figurenachse ist zugleich die Symmetrieachse des starren Körpers.
Was passiert, wenn ein „äußeres Drehmoment” wirkt? Ein äußeres Moment kann dadurch zustande kommen, wenn ein solcher Kreisel schräg auf einer Auflagefläche aufsitzt, und der Körper aufgrund der Schwerkraft umkippt, sobald er sich nicht mehr dreht.
Wir werden jetzt eine Situation betrachten, wo keine Nutation vorhanden ist, wo also eine stabile Rotation vorliegt, und wo der Drehimpulsvektor, die Figurenachse und die momentane Drehachse zusammenfallen. Bei dieser Betrachtung sieht man, dass der Körper eine andersartige Bewegung durchführt als bisher. Jetzt bewegt sich der ganze Drehimpulsvektor mit herum. Insofern kippt der Körper nicht mehr nach unten, sondern weicht bedingt durch die Rotation seitlich aus.
Die Figurenachse, die zugleich der Drehimpulsachse und zugleich der momentanen Drehachse entspricht, bewegt sich ihrerseits auf einem Kegelmantel. Das ist jetzt eine völlig andere Situation als zuvor. Man nennt das auch eine „Präzession”. Diese Bewegung entsteht erst durch die Einwirkung des äußeren Drehmoments, hervorgerufen durch die Schwerkraft, und führt zu einer derartigen Bewegung.
Auch hier spielt die Bewegungsgleichung wieder einer Rolle:
Das bedeutet aber, wenn man Veränderungen in kurzen Zeitintervallen Δt betrachtet, und wie folgt schreiben kann:
Ein Differenzialquotient ist ja nichts anderes als der Limes von solchen Differenzen, wenn diese Differenzen des Argumentes gegen Null gehen. Nach Umformen erhält man:
Das heißt, man kann aufgrund dieser Bewegungsgleichung damit rechnen, falls ein äußeres Drehmoment auf den rotierenden starren Körper wirkt, dass sich dann der Drehimpulsvektor um einen kleinen Vektor Δ ändern wird, in einer kurzen Zeit Δt. Diese Änderung ist parallel zum Drehmomentvektor .
Wenn man jetzt bei diesem Kreisel die Eigenrotationswinkelgeschwindigkeit ändert, was passiert dann mit der Winkelgeschwindigkeit der Präzessionsbewegung?
Sobald man die Eigenrotationswinkelgeschwindigkeit verringert, erhöht sich die Winkelgeschwindigkeit der Präzessionsbewegung. Wie kann man das verstehen?
Bei einer stabilen Rotation ist der Drehimpulsvektor definiert als:
I ist das Trägheitsmoment um die Hauptachse
(Figurenachse)
ist die
Winkelgeschwindigkeit
Das heißt, wenn jetzt die Winkelgeschwindigkeit kleiner wird und sich der Kreisel langsamer um seine Achse dreht, dann wird auch der Vektor kürzer. Der Drehimpuls wird somit kleiner, weil auch die Winkelgeschwindigkeit kleiner wird. Die Länge des Drehimpulsvektors Δ ist davon nicht betroffen, er bleibt gleich groß. Denn der Drehimpuls hängt von der Winkelgeschwindigkeit gar nicht ab. Das heißt, es muss in der Zeit Δt ein größerer Winkel zurückgelegt werden. Der Grund dafür ist, weil sich ein kürzerer Drehimpulsvektor um den gleichen Differenzvektor verändert.
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass beide Effekte − Nutation und Präzession − natürlich auch gemeinsam auftreten können.
Die Präzession hat auch eine wichtige Auswirkung auf die Bewegung unserer Erde. Es zeigt sich nämlich, dass die Erde aufgrund ihrer Eigenrotationsbewegung leicht abgeplattet ist aufgrund der Zentrifugalkräfte, die auf die Erde wirken. Man kann davon ausgehen, dass es bei unserer Erde eine „eingeschriebene” Kugel gibt. Seitlich gibt es zusätzliche sichelförmige Massen, um die sich der reale Erdkörper von einer Kugel unterscheidet. Diese zwei sichelförmigen Massen haben zwei Schwerpunkte, S₂ und S₂.
Aufgrund der unterschiedlichen Abstände der Schwerpunkte zur Sonne gibt
es in Richtung des Zentralgestirns Differenzkräfte. Es gibt ein Kräftepaar,
welches auf die beiden Schwerpunkte wirkt und entgegengesetzt gedacht sein muss. Und
dieses Kräftepaar bewirkt ein Drehmoment auf die Drehachse, die ihrerseits
quer dazu abweichen wird. Und das bedeutet wiederum, dass diese Achse eine
Präzessionsbewegung um die senkrechte Achse durchführen wird. Da
die Effekte nicht sehr groß sind passiert das nicht sehr rasch. Es zeigt sich aufgrund von
Beobachtungen, dass
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