Im vorherigen Kapitel haben wir den Zusammenhang zwischen dem Drehimpulsvektor und dem Winkelgeschwindigkeitsvektor erarbeitet.
Wie kann man jetzt diesen einfachen Formalismus in ein anschauliches Beispiel übertragen? Im Wesentlichen ging es ja um folgende beiden Formeln:
Interessant wird es dann, wenn man die gesamte kinetische Energie dieses rotierenden starren Körpers ausrechnen möchte. Wir behalten dabei im Sinn, dass man es mit einem ausgedehnten Körper zu tun hat, der aus einzelnen Massenelementen bzw. Volumenelementen besteht. Dieser Körper rotiert mit einer Winkelgeschwindigkeit um eine Drehachse.
Und wenn man jetzt die gesamte kinetische Energie dieser Drehung ermitteln möchte, müsste man eigentlich alle diese einzelnen Massenelemente, aus denen der Körper besteht, hernehmen, und deren jeweilige kinetische Energie ausrechnen. Und dann wie gewohnt aufsummieren oder aufintegrieren. Der Einfachheit halber wird man das als Integral schreiben.
Ziel der Integration ist es ja, die Einteilung in einzelne Volumen- oder Massenelemente immer feiner und feiner zu wählen. Und letztlich kann man im Limes, also im Grenzwert, eine präzise Aussage gewinnen. In der Praxis ist es dann oft so, dass man nur eine genügend feine Einteilung wählt und dann darüber summiert. Das reicht in der Regel oftmals schon aus.
Die gesamte kinetische Energie stellt sich dann dar als:
dm ist ein einzelnes Massenelement
ist die Geschwindigkeit dieses Massenelementes
Auf Grundlage verschiedener Formeln aus der Vektorrechnung und der Komponentenschreibweise ergibt sich nach einigen Umformungen:
In dieser Beziehung verstecken sich 9 Terme, die wir hier nicht nochmals darstellen werden. Aus den Indizes erkennt man außerdem, dass hier eine Doppelsumme gebildet wird. Die Vorgehensweise haben wir bereits im vorherigen Kapitel erläutert.
Für eine Rotation um eine vorhandene Drehachse tragen alle einzelnen Elemente des Trägheitstensors zur kinetischen Energie bei. Wie kann man jetzt mit Hilfe dieser allgemeinen Beziehungen relativ schnell auf ein konkretes Ergebnis kommen?
Hierzu wollen wir einen einfachen Spezialfall betrachten. Es geht zunächst um die Rotation um eine feste im Raum vorgegebene Achse. Eine beliebige Rotation um irgendeine Achse betrachten wir später.
Natürlich kommt es auch wieder darauf an, dass man bei der Wahl des Koordinatensystems
die Achse mit berücksichtigt. Wir gehen also davon aus, dass die Rotationsachse
auf der
Ist die Drehachse auf diese Weise fest gewählt, dann ergibt sich für die Komponenten des Vektors:
Das macht die Sache natürlich wesentlich einfacher.
Da wir nur eine Rotation um die
Somit reduziert sich obige Tensor-Beziehung auf eine einfache Beziehung zwischen der dritten Komponente des Drehimpulsvektors und der Winkelgeschwindigkeit . Im Grunde ist dieses L₃ nichts anderes als die Parallelkomponente des Drehimpulses parallel zur Drehachse.
Es wäre auch eine andere Schreibweise in Form eines Vektors möglich:
Für eine derartige Rotation, bei der es in erster Linie um die Parallelkomponente
des Drehimpulsvektors geht, kommt es im Wesentlichen auf die Komponente
Von der ganzen Doppelsumme mit den 9 Termen bleibt also nur mehr
1 Term übrig. Wenn es wie in unserem Fall um eine Rotation um eine
feste Drehachse geht, kommt es nur auf das
Um das im weiteren Verlauf auch real ausrechnen zu können ist es nützlich, sich etwas mit der Geometrie zu beschäftigen.
Die Berechnung der Komponente
Es geht darum sich klarzumachen, was dieser Integrand
In diesem Fall ist rn der Normalabstand des betreffenden
Massenelements dm von der Drehachse aus. Wenn man über
alle diese Massenelemente dieses starren Körpers aufsummiert bzw. integriert, dann
kommt man auf das
I₃ ₃ ist das Trägheitsmoment des starren Körpers (bezüglich der festen Achse)
Man braucht nur die Summe oder das Integral
Man könnte sich zum Beispiel gedanklich einen Körper vorstellen, der eine
gewisse Massenverteilung hat und dem dann ein solches
Jetzt ist es aber so, dass die Rotation des Körpers ohne Wirkung äußerer
Kräfte erfolgt. Dann wird der Drehimpuls und daher auch seine
Wenn bei gleichbleibender Gesamtmasse des Körpers der Abstand, sprich das
Trägheitsmoment geändert wird, ergibt sich eine andere Situation. Wird das
Trägheitsmoment verkleinert, indem die
Wenn man also verschiedene Körper betrachtet, wie kann man deren Trägheitsmomente
Betrachten wir nun die Trägheitsmomente symmetrischer Körper, zum Beispiel die Rotation eines Zylinders. Zunächst schauen wir uns einen dünnwandigen Hohlzylinder an.
Die ganze Masse M ist nur im äußeren Ring vereinigt. Der Abstand von der Drehachse sei R. Alle Massenelemente haben in diesem Fall den Abstand R.
Bei einem Vollzylinder ist es nicht ganz so einfach. Da muss der Körper zunächst in einzelne Ringschichten zerlegt werden. Jede dieser Schichten hat dann einen Radius r. Und wenn man anschließend aufintegriert, erhält man:
Das Trägheitsmoment ist in diesem Fall kleiner, weil sich nicht die ganze Masse im Radius R befindet, sondern sich gleichmäßig über die ganzen Abstände (Schichten) aufteilt. Und wenn man das aufintegriert, ergibt sich ein Faktor 1/2.
Oder bei einer homogenen Kugel, die um eine Achse rotiert, die durch den Mittelpunkt der Kugel geht, ergibt sich:
M ist die gesamte Masse
R ist der Radius der homogenen Kugel
Die obigen Rechenfaktoren fallen deshalb unterschiedlich aus, weil die Massenverteilung innerhalb der Körper unterschiedlich ist. Das Trägheitsmoment hängt nämlich nicht nur von der gesamten Masse des Körpers ab, sondern einerseits von seiner Form und anderseits von der Verteilung seiner Massen über sein ganzes Volumen. Das ist hier um einiges komplexer, als bei den translatorischen Bewegungen.
Entscheidend ist hierbei, dass sich die Berechnungen auf symmetrische Körper beziehen, die um eine Symmetrieachse rotieren. Wie wird sich aber das Trägheitsmoment verhalten, wenn man nicht die Symmetrieachse als Drehachse wählt? Vielleicht eine Achse, die nicht durch den Schwerpunkt des Körpers verläuft?
Ein gewisser Jakob Steiner hat einen Satz aufgestellt. Dieser Satz bezieht sich darauf, wie man das Trägheitsmoment bezüglich einer parallelen anders gelegenen Nichtschwerpunktachse ausrechnen kann. Hierzu muss man lediglich das Trägheitsmoment eines Körpers bezüglich seiner Achse durch den Schwerpunkt kennen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der Zusammenhang genial einfach ist.
Nehmen wir zum Beispiel einen nichtsymmetrischen Körper. Zunächst wird die Drehachse im Schwerpunkt bestimmt. Anschließend wird eine weitere Achse im Normalabstand A parallel dazu festgelegt, um die der Körper später rotieren soll. Je weiter diese Achse von der Schwerpunktachse entfernt ist, desto größer wird dann zwangsläufig das Trägheitsmoment sein.
Wenn man eine Koordinaten-Transformation durchführt, erhält man dadurch:
Das ist der berühmte Satz von Steiner.
( I₃ ₃ )S ist
das Trägheitsmoment des Körpers in der Schwerpunktachse
M ist die gesamte Masse dieses Körpers
A ist der Normalabstand der Drehachse zur Schwerpunktsachse
Bis jetzt haben wir nur über die Kinematik gesprochen, nämlich wie der Drehimpuls mit der Winkelgeschwindigkeit zusammen hängt. Jetzt wäre es natürlich auch interessant, die konkrete Dynamik der Rotation um eine feste Achse zu betrachten. Was passiert zum Beispiel, wenn äußere Einflüsse wirksam sind?
Im Fall der Translation haben wir davon gesprochen, dass wenn eine Kraft auf einen Körper wirkt, dieser beschleunigt wird. Jetzt geht es darum, wenn ein äußeres Drehmoment auf einem Körper wirkt, dass dann eine Winkelbeschleunigung auftreten wird. Diese Zusammenhänge wollen wir in entsprechender Weise betrachten.
Wir erinnern uns: ist das äußere Drehmoment und ist der Drehimpuls. Die grundlegende Gleichung für die Bewegungsgleichung lautet:
Das ist das Gegenstück zum 2. Newton-Axiom für die Drehbewegung.
Und wieder ist es so, wenn es nur eine Rotation um eine feste Achse gibt, wird auch
nur die Parallelkomponente
Das ist der Fall, weil die Achslager dafür sorgen, dass eine andere Rotation als um
die
Das ist jetzt das Rotationsgegenstück zu der Beziehung:
Jetzt erhalten wir entsprechend:
Drehmoment =
Abschließend betrachten wir noch einen sehr einfachen Fall.
Das läuft jetzt nach genau den gleichen Grundsätzen ab, wie bei der Translation.
Wegen der „gleichförmigen Beschleunigung” nehmen wir ein konstantes Drehmoment ₀ an. Der Vektor ist zeitunabhängig und parallel zur Drehachse:
Somit können wir die Bewegungsgleichung für die
Und damit ist die ganze tensorielle Vorgehensweise heruntergebrochen auf eine ganz einfache Differenzialgleichung, die sich durch zwei Integrationen lösen lassen.
Wenn man einmal integriert, erhält man:
Oder anders ausgedrückt:
Man sieht sofort, dass die Winkelgeschwindigkeit mit der Zeit zunimmt. Genauso, wie bei der gleichförmigen Translationsbewegung die Geschwindigkeit mit der Zeit zunimmt. Und wenn man das jetzt noch einmal nach der Zeit integriert, erhält man:
Das entspricht exakt dem normalen Fallgesetz für die Translationsbewegung.
φ₀ ist ggf. eine Anfangsbedingung
ω₀ · t ist auch eine Anfangsbedingung
Also, je größer das Trägheitsmoment wird, desto kleiner wird die entsprechende Winkelbeschleunigung.
⇦ Kapitel Kapitel ⇨