Wirbelstrukturen im
4 - dimensionalen
gekrümmten Raum
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„De-Sitter-Raum” − Teil 2
(Übersetzung)


Über die Relativität der Trägheit
Bemerkungen zu Einsteins Hypothese

Nun folgt eine nähere Beschreibung in Anlehnung an die Orignial­schrift von Willem de Sitter, die aus dem Englischen über­setzt wurde. De-Sitter hatte folgende Über­legung:

Wenn man die Gravitations­wirkung jeder gewöhn­lichen Materie, wie zum Beispiel die der Sterne und Planeten vernach­lässigt, und wenn man ein Bezugs­system bestehend aus drei recht­winkligen Raum­koordinaten und der Zeit verwendet, und dieses mit der Licht­geschwindig­keit c multi­pliziert, dann ergibt sich eine 4-dimen­sionale Raum-Zeit, die unseren Beobachtungen entspricht.

Der metrische Tensor gμν gleicht annähernd der bestehenden Relativitäts­theorie, nämlich (1):

Den Aspekt der Raum-Zeit, der sich gemäß dieser Matrix beschrei­ben lässt, bezeich­nete De-Sitter als „unsere Umgebung”. Im Welt­all erstreckt sie sich mindestens bis zum entfern­testen Stern, Nebel oder Sern­haufen, in welchen wir eindeutige Spektral­linien erkennen können.

Wir wissen nicht, wie sich die gμν außer­halb unserer Umgebung ver­halten, und jede Annahme über ihre Werte ist nur eine Abschät­zung, deren Unsicher­heit mit der Ent­fernung, entweder im Raum oder in der Zeit, wenn nicht sogar in beiden vom Ursprung aus zunimmt. Wie sich die gμν in der Unend­lich­keit des Raumes und der Zeit verhalten, werden wir nie erfahren.

Aber dennoch besteht eine Not­wendig­keit, Hypothesen zu diesem Thema aufzu­stellen. Eine grobe Abschät­zung zu machen, ist etwas ganz normales und in der klassischen Mechanik üblich, zumal die obigen Werte gemäß (1) für den gesamten Raum und die Zeit bis ins Unend­liche unverän­dert bleiben. Anderer­seits entsteht der Wunsch, Integrations­konstanten oder andere Grenz­werte im Unend­lichen zu verwenden, die in allen Bezugs­systemen gleich sind. Doch obige Werte (1) erfüllen diese Bedingung nicht. Der bevor­zugte und ein­fachste Wert für gμν im Unend­lichen ist offen­sichtlich Null. Einstein sei es nicht gelungen derartige Werte für die Rand­bedin­gungen fest­zulegen.

Im Nach­folgenden wollte De-Sitter aufzeigen, dass die Hypothese von Einstein äquivalent ist mit einer bestimmten Menge von Werten im Unend­lichen, die der Matrix gemäß (2 A) ent­spricht. Es ist in der Tat offen­sichtlich, dass, wenn die Ausmaße des Universums endlich sind, und eukli­dische Koordi­naten einge­führt werden die gμν im Unend­lichen notwendiger­weise Null werden. Und umgekehrt, wenn die gμν im Unend­lichen Null sind bei einer aus­reichend hohen Rang­ordnung, dann ist das Universum endlich in seinen Ausmaßen.

Und daraus würde sich nach De-Sitter die Hypothese ergeben, dass das Universum nicht unend­lich ist, sondern sphärisch. In diesem Fall würden keine Rand­bedingungen benötigt, und das Problem sei aus der Welt.

Aus Sicht der Relativitäts­theorie erscheint es auf den ersten Blick falsch, zu sagen: Die Welt ist sphärisch oder kugel­förmig, obwohl sie sich durch eine Trans­formation analog zu einer stereo­graphi­schen Projektion in einem eukli­dischen Raum dar­stellen lässt. Dies ist eine durch­aus legitime Trans­formation, die die verschie­denen Invarianten ds², G usw. unver­ändert lässt. Aber gerade diese Unveränder­lich­keit zeigt, dass im eukli­dischen Koordinaten­system die Welt in ihren Ausmaßen endlich und sphärisch bleibt. Wenn diese Trans­formation, die Einstein für seine sphärische Welt definiert hatte, auf die gμν angewendet wird, werden sie in ein Werte­system trans­formiert, dessen Werte schließ­lich verschwinden zu (2A):

Es scheint jedoch, dass die gμν der Sphären­welt Einsteins, und damit auch ihre trans­formierten Werte im eukli­dischen Bezugs­system, nicht den ursprüng­lich ange­nommenen Differential­gleichungen von Einstein genügen, die wie folgt lauten (3):

Einstein hielt es daher für notwendig, einen weiteren Term in seiner Gleichung hinzu­zufügen, woraus sich ergibt (4):

Außerdem wäre es notwendig, den gesamten 3-dimen­sionalen Raum mit Materie anzufüllen, wobei dessen Gesamt­masse so enorm groß ist, dass im Vergleich dazu alle uns bekannte Materie völlig vernach­lässigbar sei. Diese hypothe­tische Materie bezeichnete De-Sitter als „Weltmaterie”.

Nach seinen Worten würde Einstein lediglich davon ausgehen, dass der 3-dimen­sionale Raum „endlich” ist. (Zu diesem Zeitpunkt war Einstein tatsächlich von einem statischen Universum überzeugt.)

Aufgrund dieser Annahme bleibt in obigem Werte­system (2A) der Tensor g44 beim Wert Eins, anstatt zu Null zu werden, wie bei den anderen gμν. Dies war ausschlag­gebend für die Idee, Einsteins Hypothese auf die 4-dimen­sionale Raum-Zeit auszudehnen.

De-Sitter fügte hinzu, dass diese Überlegung, die 4-dimen­sionale Welt sphärisch zu machen, bereits einige Monate zuvor von Prof. Ehrenfest im Gespräch mit ihm vorgeschlagen worden sei.

Daraus ergibt sich ein Werte­system der gμν, in welchem die Werte im Unend­lichen verschwinden zu (2B):

Dadurch ergibt sich nach De-Sitters Worten eine bemerkens­werte Situation, dass nämlich keine „Welt­materie” mehr erforderlich ist.

Um die Ähnlich­keit beider Fälle zu betonen, stellte er beide Syste­me einander gegen­über. Die Gleichung A verweist er auf Einsteins 3-dimen­sionale Hypothese, wogegen sich die Gleichung B auf die hier einge­führte 4-dimen­sionale These bezieht. De-Sitter wollte die Indizes i und j verwenden, wenn sie nur die Werte 1, 2, 3 anneh­men. Die Indizes μ und ν wollte er benutzen, wenn sie die Werte von 1 bis 4 annehmen.

Des Weiteren beschreibt eine Summe von 1 bis 4 und ' die Summe von 1 bis 3 und es gilt σμμ = 1, σμν = 0 wenn μ ≠ ν.

De-Sitter betrachtete zuerst das von Einstein verwendete Referenz­system. Im Fall A gilt für x4 = ct, und im Fall B gilt um der Symmetrie willen x4 = ict. In beiden Fällen ist R der Radius der Hyper­sphäre.

Er fügte hinzu, dass man im Fall B eben­falls x4 = ct verwenden könnte. Dann wäre die 4-dimen­sionale Welt hyper­bolisch statt sphärisch, aber die Ergebnisse blieben dieselben.

Die gμν für beide Fälle lauten

... im Fall A:

... im Fall B:

Um den sphä­rischen Charakter besser aufzu­zeigen, führte De-Sitter hyper­sphärische Koordinaten ein, die sich darstellen lassen als

... für Fall A:

... für Fall B:

Der Ausdruck für das Integral lautet dann

... im Fall A:

... im Fall B:

Abschlie­ßend führte De-Sitter die „stereo­grafische Projektion” ein. Sie ist eine Abbildung einer Kugelf­läche in eine Ebene mit Hilfe einer Zentral­projektion. Gleich­zeitig stellte er die karthe­sischen Koordinaten mit folgenden Trans­formationen dar:

Im Fall A:

Im Fall B:

Nach De-Sitters Worten muss eigent­lich nicht darauf hinge­wiesen werden, dass im System A die Variablen x, y, z und im System B die Variablen x, y, z, ict beliebig vertauscht werden können. Des Weiteren gilt:

Die gμν für die Variablen x, y, z, ct werden zu (5)

... im Fall A:

... im Fall B:

De-Sitter fügte hinzu, dass alle gμν im System B auf dem „Hyperboloid” unend­lich sind (a):

Diese abwei­chende Konti­nuität sei jedoch nur scheinbar. Die 4-dimen­sionale Welt, die wir der Symmetrie willen als kugel­förmig darge­stellt haben, ist in Wirklich­keit hyperbo­lisch und besteht aus Schalen, die erst im Unend­lichen mit­einander verbunden sind. Die Gleichungen beinhalten beide Schalen, aber nur eine von ihnen repräsen­tiert das gegen­wärtige Universum. Das Hyper­boloid nach vorheriger Gleichung gemäß (a) bildet eine Grenze zwischen beiden Teilen des eukli­dischen Raumes x, y, z, ct, die diesen beiden Schalen ent­sprechen. Der Raum wird von der Zeitachse t an den Punkten ct = ± 2R geschnitten, dessen Abstand vom Ursprung die Ausmaße hat:

Die Länge der Halb­achse von x hat in beiden Systemen die Ausmaße:

Alle gμν außer­halb der Diagonalen haben den Wert Null. Wenn σ sehr klein ist, haben die gμν für mittlere Werte von r und h unge­fähr die Werte wie gemäß der Matrix (1). Im Unend­lichen hängen sie von den Werten gemäß (2A) und (2B) ab, die bereits oben angegeben wurden.

Um die Beziehung zwischen σ und λ zu finden, muss man die Werte aus obigen Gleichungen (5) in die Gleichungen (4) einsetzen. Nach De-Sitters Erkenntnis lassen sich die Werte auch in jedes andere Bezugs­system über­tragen.

Es muss dabei die Möglich­keit in Betracht gezogen werden, dass es notwendig sein könnte, eine „Welt­materie” einzu­führen. Wir ver­nach­lässigen zunächst die gesamte vorhandene Materie und nehmen an, dass die Welt­materie gleich­mäßig und ruhend im gesamten Raum verteilt ist, sodass T44 = g44 · ϱ, und alle anderen Tμν = 0 sind.

Gemeint ist eine Verteilung, in der ϱ konstant ist, wobei mit ϱ die Dichte in den Abmessungen gemeint ist. Im Koordinaten­bereich ist die Dichte natürlich nicht konstant, aber im System x, y, z, ct geht sie im Unend­lichen gegen Null.

Die Feldgleichungen werden dann zu

Für die Größen Gμν ergeben sich die zwei Systeme:

System A:

System B:

Für die dann gilt (6)

... im Fall A:

... im Fall B:

Das Ergebnis für A ist das gleiche wie von Einstein entdeckt wurde. Für das System B gilt ϱ = 0, was nach De-Sitters Feststellung bedeutet, dass die hypothe­tische Welt­materie nicht existiert.

Welches der drei Systeme soll nun bevorzugt werden? Das System A mit der „Welt­materie”, oder das System B ohne diese? Viel­leicht aber beide Systeme, mit den Feld­gleichungen gemäß (4) und einem metrischen Tensor gμν, der im Unend­lichen der Matrix (2A) oder (2B) entspricht? Oder vielmehr das ursprüng­liche System ohne Welt­materie, mit den Feld­gleichungen (3) und dem Tensor gμν aus (1), deren Werte im Unend­lichen gleich bleiben?

Um aus rein physika­lischer Sicht die Phäno­mene in unserer Umge­bung zu beschreiben, sind diese Fragen belanglos. In unserer Umgebung entspre­chen die gμν in allen Fällen inner­halb der Genauigkeits­grenzen unseren Beobachtungen gemäß der Matrix (1), und die Feld­gleichung gemäß (4) unter­scheidet sich nicht von (3). Die Frage ist also eigent­lich: Wie kann man das, was außer­halb unserer Umgebung liegt abschätzen? Die Wahl kann daher nicht durch physika­lische Argumente getroffen werden, sondern muss von meta­physischen oder philo­sophischen Erwägungen abhängen, wobei natür­lich persön­liche Ansichten oder Vorlieben einen gewissen Einfluss haben werden.

Nun zu der eigent­lichen Frage: Wenn die gesamte Materie nicht existieren soll, mit Ausnahme des materiellen Punktes, der als Prüf­körper verwendet werden soll, besitzt dieser Prüf­körper dann eine Träg­heit oder nicht? Nach der Lehr­meinung von E. Mach lautete die Antwort seiner­zeit NEIN. Aber gemäß unserer Erfahrung lautet die Antwort ganz entschieden JA, wenn mit der gesamten Materie die gewöhn­liche physika­lische Materie gemeint ist, wie z.B. Sterne, Nebel oder Stern­haufen. Die Befürworter von E. Mach sind also gezwungen von vorhandener Materie auszugehen, nämlich der Welt­materie. Wenn wir uns auf diesen Stand­punkt begeben, müssen wir notwendiger­weise das System A bevorzugen, welches als einziges eine Welt­materie zulässt.

De-Sitter fügte hinzu, dass die Hypothese, die vormals von Einstein vertreten und von De-Sitter bestritten wurde, mit den Gleichungen gemäß (3), bei sehr großen Massen, bezogen auf sehr große Entfernungen, möglich wäre. Dadurch würde man für gμν Werte erhalten, die sich im Unendlichen zu einer invarianten Matrix auflösen würden, wie selbst Einstein es für möglich gehalten hat.

Diese Welt­materie diente nach De-Sitters Worten jedoch keinem anderen Zweck, als es möglichst nach­zuvoll­ziehen, dass sie nicht existiert. Nun zeigt die Gleichung gemäß (6), dass, wenn sie nicht existiert, gilt ϱ = 0, und die Feld­gleichungen sind nicht erfüllt. Angenommen, die Weltmaterie existiert nicht, obwohl dies aus logischer Sicht unmöglich ist, dann ent­spricht im System A die Welt­materie dem 3-dimen­sionalen Raum oder ist zumindest untrennbar mit ihm verbunden.

De-Sitter ging so weit zu sagen, dass man auch das Postulat von E. Mach aufgeben und durch das Postulat ersetzen könnte, dass im Unend­lichen die gμν oder nur die gij im 3-dimen­sionalen Raum zu Null werden, oder zumindest unverän­dert bleiben für alle Trans­forma­tionen. Dieses Postulat würde auch beinhalten, dass es möglich sein muss, im gesamten Universum beliebige Bewegungen auszu­führen, die niemals durch eine Beobachtung fest­gestellt werden können. Die 3-dimen­sionale Welt muss, um „Bewegungen” aus­führen zu können, das heißt dass seine Lage eine veränder­liche Funktion der Zeit ist, sich in einem absoluten Raum von drei oder mehr Dimensionen (nicht der Raumzeit x, y, z, ct) befinden. Die 4-dimen­sionale Welt erfordert für ihre „Bewegung” einen vier-(oder mehr-)dimen­sionalen absoluten Raum und darüber hinaus eine außer­welt­liche „Zeit„, die für diese Bewegung als unabhängige Variable dient. All dies zeigt, dass das Postulat der Invarianz der gμν im Unend­lichen keine physika­lische Bedeutung hat. Es sei reine Mathe­matik!

Das System A, welches im End­effekt die Werte gemäß der Matrix (2A) für die gμν beinhaltet, erfüllt dieses Postulat, wenn es nur auf die 3-dimen­sionale Welt ange­wendet wird, und wenn man nicht für alle Trans­forma­tionen Invarianz verlangt, sondern nur für die­jenigen, die im Unend­lichen t' = t entsprechen.

Also ist eine gewöhn­liche Lorentz-Trans­formation wie

... im System A nicht erlaubt, und muss ersetzt werden durch:

Wird das Postulat auf die 4-dimen­sionale Welt und auf alle Trans­forma­tionen ange­wendet, dann ist das System B das einzige, welches dies erfüllt. Wir stellen also fest, dass die Zeit im System A eine abge­sonderte Stellung hat. Dass dies so sein muss, ist a priori klar. Denn wenn von der 3-dimen­sionalen Welt die Rede ist, was nicht gleich­bedeutend ist mit der Einfüh­rung einer absoluten Zeit, impliziert zumindest die Hypothese, dass es an jedem Punkt des 4-dimen­sionalen Raumes eine definierte Koordinate x4 gibt.

Diese ist allen anderen Koordinaten als „Zeit” vorzu­ziehen, und an allen Stellen wird nur diese Koordinate als Zeit gewählt. Dieser funda­mentale Unter­schied zwischen der Zeit und den Raum-Koordi­naten, scheint im Wider­spruch zu der völligen Symmetrie der Feld­gleichungen und der Bewegungs­gleichungen (Gleichungen der geodä­tischen Linie) bezüg­lich der vier Variablen zu stehen.

Auf einige Merkmale der Systeme A und B wies De-Sitter noch hin. Im System A sei die Licht­geschwin­dig­keit variabel, und zwar im System x, y, z, ct. Im Unend­lichen wäre sie theoretisch sogar unend­lich. Im System x, ψ, ϑ, ct bliebe sie dagegen konstant.

Im System B herrschen immer und überall gleiche Bedingungen. Aus den Tatsachen, dass man Spektral­linien der entfern­testen uns bekannten Objekte wie den Spiral­nebeln identi­fizieren kann und dass die Parallaxen dieser Objekte nicht negativ sind, kann man schließen, dass bei diesen Entfer­nungen die Werte immer noch bei ungefähr gij = -σij, g44 = 1 liegen und folg­lich muss im System A das σr², und im System B das σh² sehr klein sein. Im Fall A kann man auf diese Weise eine Ober­grenze für σ ableiten. Anderer­seits erhält man im System B als Folge der Konstanz der Licht­geschwin­dig­keit h² = 0 für alle rein optische Beobachtungen, vorausgesetzt man vernach­lässigt den Einfluss der Materie.

Was die Wirkung von σ auf die Planeten­bewegungen betrifft: In beiden Fällen ist die Orbital­ebene nicht gestört. Im Fall A gibt es hier keine säkularen Terme, die abhängig sind von σ.

Im Fall B sind die ent­haltenen Terme aufgrund von σ von unter­geordnet, aufgrund der Tatsache, dass alle gμν explizit von der Zeit abhängen. Die Bewegung im Perihel lautet dann:

... und auch die anderen Elemente haben Terme mit c² t² so zum Beispiel der Parameter der Ellipsen­bahn lautet:

... wobei λ₀² = (x · m) / 8π, m ist Masse der Sonne, und e = 2,718 (die Eulerzahl). Nach unserer Erfahrung sind diese „Störungen” unmerklich, sodass man auch hier eine Obergrenze für σ festlegen kann.

Die unter­geord­neten Terme bei den „Störkräften” lauten in beiden Fällen wie folgt:

Im Fall A:

Im Fall B:


Hierzu ergänzt De-Sitter noch: Die Bezeich­nungen mit c² t² im Fall B entstehen dadurch, dass sowohl die Einheiten für die Zeit als auch den Raum (im Koordinatenmaß) abhängig sei von der Zeit.

De-Sitter war nicht daran gelegen, diese Ober­grenze genau zu bestimmen. Für beide Fälle könnte man annehmen, dass σ < 10-24 zum Beispiel in astrono­mischen Einheiten, oder 2σ < 10-50 in Zentimetern ist. Er fügte hinzu, dass die Dichte der Welt­materie im System A dann ϱ < 3,10-17 (Astrono­mische Einheiten) beträgt oder ϱ < 2,10-23 (CGS-Einheiten). Dies entspricht der Masse eines Sterns (vergleichbar mit unserer Sonne) mit einer Sphäre bzw. einem Radius von 1 Parsec.

Man könnte aller­dings nur eine „Ober­grenze” für σ fest­legen. Um den Wert dieser Konstante zu bestimmen, wäre es notwendig, dass sie einen mess­baren Einfluss auf irgendein physika­lisches oder astrono­misches Phänomen hat. De-Sitter war davon überzeugt, dass es natürlich nicht von vorn­herein auszu­schließen ist, dass irgend­wann in der Zukunft Beobachtungen vorge­nommen werden, oder Phänomene entdeckt werden, die mit Hilfe der Konstante σ erklärt werden können.

Aber zu De-Sitters Zeiten waren keine solchen Phänomene bekannt, und es gab auch keine Hinweise auf irgend­etwas in dieser Richtung. Die Konstante σ diente nach seinen Worten ledig­lich dazu, eines von vielen welt­anschau­lichen Bedürf­nissen zu befriedigen, aber es sei nicht wirklich von physika­lischer Bedeutung, obwohl es mathe­matisch als Raum-Krümmung inter­pretiert werden kann.

Letztlich könnte man auch beide Systeme A und B vernach­lässigen und bei den ursprüng­lichen Feldg­leichungen (3) und den Werten (1) für gμν bleiben, die sich im Unend­lichen nicht verändern. Damit sei die Träg­heit zwar nicht erklärt. Doch man sollte sie lieber ungeklärt lassen, als sie mit einer unbestimmten bzw. unbestimm­baren Konstante λ zu erklären. De-Sitter räumte ein, dass die Einführung dieser Konstante von der Symmetrie und Eleganz von Einsteins ursprüng­licher Theorie abweicht. Insofern bliebe Einsteins Theorie unschlagbar, weil sie so vieles erklärt, ohne eine neue Hypothese oder eine empirisch gewählte Konstante einzu­führen.

Willem de Sitter hatte in einem regen Brief­wechsel mit Einstein die wesent­lichen Inhalte obiger Abhandlung mit­geteilt. In einem seiner Antwort­schreiben teilte Albert Einstein mit:
„Es wäre nach meiner Meinung unbefriedigend, wenn es eine denkbare Welt ohne Materie gäbe. Das gμν-Feld soll vielmehr durch die Materie bedingt sein, [d.h.] ohne dieselbe nicht bestehen können. Das ist der Kern dessen, was ich unter der Forderung von der Relativität der Träg­heit verstehe.” (24.03.1917)

Aus De-Sitters Sicht hätte Einstein das postuliert, was De-Sitter selbst in obiger Abhandlung die logische Unmöglich­keit genannt hat, dass Materie nicht existiert. Man könnte es nach seinen Worten das „Materie-Postulat” von der Relativität der Träg­heit nennen. Dieses kann nur erfüllt werden, wenn man das System A mit „seiner” Welt­materie wählt, d.h. die Konstante λ einführt und der Zeit eine eigene Stellung unter den vier Koordinaten zuweist.

Anderer­seits gibt es das „mathe­matische Postulat” der Relativi­tät der Träg­heit, d.h. das Postulat, dass die gμν im Unend­lichen invariant (unverändert) lässt. Gemäß diesem Postulat, welches wie bereits erwähnt keine wirkliche physika­lische Bedeutung hat, macht Materie keinen Sinn. Es kann dennoch erfüllt werden, indem man das System B ohne eine Welt­materie wählt und mit unein­geschränkter Relativi­tät der Zeit.

Aber auch hier benötigt man die Konstante λ. Die Einfüh­rung dieser Konstante kann nur vermieden werden, wenn man das Postulat von der Relativität der Träg­heit voll­ständig aufgibt.

Quellen

W. de Sitter, On the relativity of inertia. Remarks concerning Einstein's latest hypothesis, in: KNAW, Proceedings, 19 II, 1917, Amsterdam, 1917, pp. 1217-1225.

Vorliegende Übersetzung, Volker Rödel ©, Hessen 2018.





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