Newton lehrte am Trinity College in Cambridge. 1687 veröffentlichte er ein Buch, das ein Meilenstein in der Geschichte der Naturwissenschaften werden sollte. Heute ist es einfach nur unter dem Namen Principia bekannt. In ihm trug Newton in der ganzen Welt gemachte Beobachtungen zusammen, und beschrieb sie mathematisch.
Einige Erkenntnisse ragen besonders heraus. So sammelte er zum Beispiel weltweit Daten über einen Kometen, der im Herbst 1680 häufig gesichtet wurde. Auf diese Weise wollte er die Bahn des Kometen bestimmen. Newtons bahnbrechende Entdeckung war, dass die Kraft, die den Kometen um die Sonne schleuderte, dieselbe Kraft war, die Kanonenkugeln auf die Erde zurückfallen ließ. Damit gab es einen Nachweis für die Kraft hinter Galileos Fallgesetzen. Es scheint so, als wenn die gleiche Kraft sogar die Planeten in ihren Umlaufbahnen hält. Dieser These werden wir in einem gesonderten Kapitel weiter auf den Grund gehen. Zunächst einmal nannte Newton diese Kraft Gravitation und beschrieb sie in einer überraschend einfachen Gleichung. Diese Gleichung versucht zu erklären, wie sich zwei Massen gegenseitig anziehen, egal ob hier auf der Erde, oder im Weltall:
Es ist schon beindruckend, dass dieses und einige andere mathematischen Gesetze es ermöglichen, sich im gesamten Universum zu bewegen. Heute können wir diese Kraft sogar jenseits der Milchstraße in Aktion sehen. Wenn zum Beispiel zwei Galaxien voneinander angezogen werden, verschmelzen sie miteinander, und bilden dadurch wiederum neue und größere Galaxien.
Technische Errungenschaften wie das Hubble-Weltraumteleskop, haben es uns ermöglicht, sogar Sterne ferner Galaxien zu betrachten. So erhielt man jüngst, durch die Beobachtung ferner Gaswolken planetarischer Nebel, Einblicke in die Nukleosynthese der Elemente.
Was ein Blick in das Weltall auf jeden Fall zeigt ist, dass überall im sichtbaren Universum, und darüber hinaus die gleichen Naturgesetze gelten. Bisher hat man alle Phänomene mit dem Gesetz der Schwerkraft erklärt. Newton schrieb sein Gravitationsgesetz und seine Bewegungsgesetze basierend auf dem, was hier auf der Erde passiert. Allerdings gibt es eine neue interessante Überlegung, was die Planeten unseres Sonnensystems auf ihren Bahnen hält. Es handelt sich hierbei um Potentialfelder (siehe Kapitel Wirbelstrukturen). Alles an den Galaxien, wie sie sich bilden, und wie sich bewegen, wird durch dieselben mathematischen Gesetze beschrieben.
Einige der bedeutendsten Geistesgrößen der Welt waren fasziniert davon, wie durchdrungen das Universum von Mathematik ist. Albert Einstein soll sich einmal gefragt haben, „wie kann es sein, das Mathematik unser sichtbares Universum so gut beschreiben kann?” Es schien doch so, als wenn die Mathematik lediglich ein Produkt menschlichen Denkens ist.
Der Nobelpreisträger Eugene Wigner prägte das Wort von der „unplausiblen Effektivität” der Mathematik. Er sagte, „die Tatsache, dass die Mathematik das Universum wirklich so gut beschreiben kann, insbesondere die physikalischen Gesetze, ist ein Geschenk, dass wir weder verstehen noch verdienen.” So sind es insbesondere die Irrationalen Zahlen, die in unserem Kosmos die herausragenden Naturkonstanten bilden.
In der Physik gibt es unzählige Beispiele für diese unplausible Effektivität. Als vor fast 200 Jahren der Planet Uranus von seiner Umlaufbahn abwich, vertrauten die Wissenschaftler der Mathematik. Sie errechneten, dass er vermutlich von einem anderen nicht sichtbaren Planeten angezogen würde. Und so wurde Neptun entdeckt. Wieder war es die Mathematik, die einen bis dahin unbekannten Planeten exakt vorhergesagt hatte.
Viele der heutigen Konsumgegenstände sowie unsere Mobilität verdanken wir der Mathematik. Das Fernsehen, der Funk, die Mobiltelefone, die Satelliten oder das GPS. Sie alle kommunizieren mittels unsichtbarer Energiewellen. Bevor James Maxwell ein schottischer Physiker, sich mit ihnen beschäftigte, wusste niemand von ihrer Existenz.
In den 1860er Jahren veröffentlichte er eine Reihe von Gleichungen, die beschrieben, wie Elektrizität und Magnetismus miteinander verknüpft sind und wie sie sich wechselseitig erzeugen können. Die Gleichungen sagten sogar etwas Erstaunliches voraus. Zusammen können Elektrizität und Magnetismus die Energiewellen erzeugen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit durch den leeren Raum bewegen. Wir kennen diese auch unter dem Begriff „Elektromagnetische Wellen”. Ihrer Entdeckung verdanken wir die Unterhaltungsindustrie und viele Apparaturen in der Medizin.
Die Menschen machten sich daran, diese Wellen zu finden, die Maxwells Gleichungen prognostiziert hatten. So entdeckte Guglielmo Marconi schließlich die Radiowellen. Er fand heraus, dass die elektrische Entladung kurzzeitig ein magnetisches Feld erzeugt, das seinerseits kurzzeitig ein elektrisches Feld erzeugt, welches wiederum kurzzeitig ein magnetisches Feld erzeugt usw. durch den kreisenden Energiefluss zwischen den beiden breitet sich eine elektromagnetische Welle aus. So war es im Laufe der Zeit möglich, Funksignale schließlich bis über den Atlantik zu schicken. Derartige Funksignale, damals in Form des Morse-Codes, retteten zahlreichen Menschen auf der Titanic das Leben. Das Zeitalter der drahtlosen Kommunikation hatte begonnen.
Seit Maxwell und Marconi haben die Beweise für die Vorhersagekraft der Mathematik weiter zugenommen. Vor allem trifft das auf die Welt der Physik zu. Vor etwas mehr als 100 Jahren wussten die Menschen kaum etwas über die Existenz der Atome. Ja, es gab Vermutungen und die unterschiedlichsten Theorien. Aber erst durch Experimente konnten ihre Bestandteile verifiziert werden. So entdeckte man das Elektron, das Proton und das Neutron. Als Physiker tiefer eintauchen wollten, half die Mathematik dabei, die Weichen richtig zu stellen. Schließlich entdeckte man eine ganze Armada von Elementarteilchen. Und wir haben das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Folgendes Zitat aus einem Bestseller bringt das treffend zum Ausdruck: „Alles hat er schön gemacht zur passenden Zeit. Er hat ihnen sogar die Ewigkeit ins Herz gelegt, doch das Werk, das der wahre Gott von Anfang bis Ende vollbracht hat, werden die Menschen nie ergründen” (Prediger 3:11). Diese Entdeckungsreise hält bis heute an.
Was die Vorhersagekraft der Mathematik angeht, könnte man folgendes Beispiel anführen: Vor über 50 Jahren wurde die Existenz eines subatomaren Teilchens mathematisch vorhergesagt. Am Cern, in Genf, in der Schweiz befindet sich die europäische Organisation für Kernforschung. Die Einrichtung ist berühmt für ihren großen Hadronen-Speicherring. Seit Jahrzenten wurde daran gearbeitet, Teilchen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf eine bestimmte Weise aufeinander prallen zu lassen.
Wenn die mathematischen Berechnungen präzise genug wären, würde man ein neues Teilchen entdecken. Man war auf der Suche nach dem sogenannten Higgs-Teilchen. Das Vorhandensein eines solchen Teilchens wäre der Beweis für das Higgs-Feld. Dabei handelt es sich quasi um ein Energiefeld, das verschiedenen Elementen Masse verleiht. Weil das Higgs-Teilchen und das gleichnamige Feld ein so fundamentaler Teil der Physik ist, bekam es den Spitznamen „Das Gottesteilchen”. Im Jahre 2012 bestätigten Experimente am Cern schließlich die Existenz des Higgs-Teilchens.
Einige haben sich gefragt, wie kann die Mathematik so effektiv sein? Die Antwort lautet, sie ist eine naturgegebene Wahrheit und stammt offensichtlich von jemandem, der die Gesetze ins Leben gerufen hat. Wir Menschen sind nicht die Erfinder der Mathematik, sondern lediglich die Entdecker der Zusammenhänge. Ohne Mathematik hätten wir die Naturwissenschaften im Allgemeinen und die Physik im Speziellen nicht ergründen können.
Mit Hilfe mathematischer Modelle können wir in die Physik eintauchen. Wir entwickeln zum Beispiel Modelle für die Wettervorhersage. Wenngleich Meteorologen das Wetter nur für etwas mehr als eine Woche vorhersagen können. Überall dort, wo man mit den unterschiedlichsten Wechselwirkungen zu tun hat, stoßen mathematische Modelle an ihre Grenzen. Egal, ob es der Aktienmarkt ist oder die neuronalen Interaktionen in unserem Gehirn. Es lässt sich zwar in groben Zügen eine Wahrscheinlichkeit bzw. Tendenz berechnen, aber der Schlüssel liegt oft im Detail, der uns oftmals verborgen bleibt.
Wer einen technischen Beruf ausübt kann bestätigen, wie einerseits physikalische Kräfte und anderseits die Grenzen der Mathematik aufeinander treffen. Jemand hat es mal sehr schön ausgedrückt: „Beim Konstruieren und Bauen von Dingen trifft die Eleganz der Mathematik auf das Chaos der Realität. Aber die Praxistauglichkeit hat Vorrang.” Die Mathematik bewegt sich stets im Bereich des Absoluten. Und zahlreiche Naturkonstanten werden durch Zahlen definiert, die unendliche Werte haben. Doch als Ingenieur bzw. Konstrukteur bewegt man sich im Bereich der Annäherung. Man ist vor allem an der Praxistauglichkeit interessiert. Aus diesem Grund sind die Berechnungen häufig nur Näherungslösungen. Man lässt des Öfteren Gleichungen weg, um die Dinge so einfach wie möglich zu gestalten. Die Konstruktionen müssen vor allem zweckdienlich sein, und den menschlichen Bedürfnissen entsprechen.
Bei vielen der bedeutendsten Ingenieurleistungen wurde lediglich mit mathematischen
Abkürzungen gearbeitet. Es reicht im Allgemeinen sogar aus, allenfalls nur bis maximal zur
Die Mathematik kann viele Geheimnisse des Universums auf geheimnisvolle Art und Weise enthüllen. Und nur weil wir mit der Präzision der Mathematik noch nicht umgehen können, reduzieren wir sie manchmal auf ein unvollkommenes Werkzeug, als ob wir sie selbst erfunden hätten.
Vielleicht denken wir so, weil wir alle Dinge, die wir sehen, abstrahieren. Wir sehen, dass unser Gegenüber zwei Augen, zwei Ohren, zwei Hände hat. Demnach ist die Zahl „Zwei” ein erfundener Begriff. Wir entdeckten auch, wie sich Zahlenmengen zu einander verhalten. Bei der Frage, wie viele Finger habe ich, sagen wir „Fünf” oder „Zehn”, je nachdem wie viele Hände wir betrachten. Aber dabei übersehen wir, dass sich selbst die Finger an einer Hand nicht gleichen. Jeder Finger ist einzigartig, so wie jede chemische Verbindung im Universum. Es gibt kein gleich, es gibt allenfalls nur ähnlich. Die scheinbare Inhomogenität lehren uns die Naturkonstanten. Und dennoch sehen wir eine Präzision, wie ein Schweizer Uhrwerk. Menschen haben die komplexen Beziehungen entdeckt, die verschiedene Zahlen untereinander haben. Doch kann man wirklich sagen, dass wir das Konzept erfunden haben? Was ist, wenn der Mensch nur ein winzig kleiner Teil eines erhabenen Ganzen ist?
Was ist, wenn die Naturkonstanten in Wirklichkeit in unseren Genen verankert sind, und wir deshalb ein Verständnis für Mathematik entwickeln können? Wir mögen vielleicht eine gewisse Vorstellung davon haben, wie das alles funktioniert, aber die komplette Antwort wird uns immer verborgen bleiben. Letztendlich bleibt es das große Geheimnis der Mathematik oder besser gesagt, das Geheimnis der Schöpfung.
Was ist Mathematik also? Ein entdeckter Teil des Universums oder eine eher irdische Erfindung? Mir gefällt der Gedanke, dass Mathematik im Grunde die Lebensenergie ist, die etwas Abstraktem wie der Physik oder der Chemie eine Bewegungsfreiheit verschafft, mit der wir im Laufe der Zeit sogar sehr komplexe Fragestellungen lösen können. Vielleicht werden wir uns eines Tages genauso selbstverständlich im All bewegen, wie wir heute mit dem Smartphone umgehen.
Nur weil wir gegenwärtig nicht alle chemischen, mathematischen und physikalischen Zusammenhänge verstehen, heißt es noch lange nicht, dass etwas unmöglich ist. Angefangen bei der Frage nach dem Sinn des Lebens, oder warum wir alt werden und sterben. Vielleicht kommen wir der Antwort näher, wenn wir uns eingestehen, dass unser Universum einen Anfang hatte, doch vermutlich nicht so, wie wir es uns gegenwärtig vorstellen.
Gehen wir nun noch kurz auf einige ungelöste physikalische Phänomene ein.
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