Wirbelstrukturen im
4 - dimensionalen
gekrümmten Raum
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Über den Einfluss der Schwerkraft auf die Ausbreitung des Lichts


Einführung

Abb. 1: Albert Einstein
(Ferdinand Schmutzer − gemeinfrei)

Der Titel dieser Abhand­lung stammt von keinem geringeren als Albert Einstein. Er hatte sich bereits 1911 mit der Frage beschäf­tigt, ob es eine „variable” Licht­geschwin­dig­keit gibt. Leider haben sich nur wenige Wissen­schaftler mit dieser Über­legung nach­haltig beschäf­tigt. Für sie wider­spräche es der Allge­meinen Relativi­täts­theorie, obwohl ironischer Weise beide Formu­lierungen von Albert Einstein angestoßen wurden. Erstere hätte revolu­tionäre Konse­quenzen haben können.

Besonders bekannt sind die Spezielle und die Allge­meine Relativi­täts­theorie, die er 1905 bzw. 1915 end­gültig formu­lierte. Doch was nur wenigen bewusst ist, Einstein hatte zwar seine Spezielle Relativi­täts­theorie auf der Grund­lage einer konstanten Licht­geschwin­dig­keit her­geleitet, grübelte aber bald danach über einer allgemein­gültigen Formu­lierung. Denn was für Bewe­gungen nahe der Licht­geschwin­dig­keit gilt, konnte auch für Gravi­tations­felder gelten. Einsteins Ansatz hätte es prinzi­piell ermög­licht, eine funda­mentale Natur­konstante, nämlich Newtons Gravita­tions­konstante, zu berech­nen und damit über­flüssig zu machen.

Die Frage, ob die Ausbreitung des Lichts durch die Schwere beein­flusst wird, hatte Einstein bereits 3 Jahre zuvor im Jahre 1908 in einer Abhand­lung zu beant­worten versucht. Aber nach seinen Worten haben ihn seine ersten Über­legungen nicht befriedigt. Außer­dem wäre man inzwischen in der Lage durch Experi­mente seine Theorie zu über­prüfen. Im gleichen Jahr hatte er sogar das „Äquivalenz­prinzip” formuliert, bei der die schwere und die träge Masse eines Körpers zwei äquivalente Größen sind.

Einstein erkannte, dass es unmög­lich war zu unter­scheiden, ob man im schwere­losen Weltraum von einer beschleuni­genden Kraft ange­trieben wird oder ob diese Kraft von einem gewöhn­lichen Gravita­tions­feld her­rührt. Deshalb folgerte Einstein, dass auch Licht­strahlen in einem Gravita­tions­feld eine „Krüm­mung” erfahren mussten. Diese Vorher­sage der Allge­meinen Relativi­täts­theorie, wurde inzwischen durch zahl­reiche Unter­suchungen bestätigt. Heute spricht man zwar lieber von einer „geraden” Licht­aus­breitung in einem gekrümm­ten Raum, aber beides ist mathe­matisch äquivalent. Beschäf­tigen wir uns nun etwas näher mit seiner revolu­tionären Idee.

Einsteins Auffassung nach müsste man beobachten können, dass Licht­strahlen, die in der Nähe der Sonne vorbei­gehen, durch das Gravita­tions­feld der Sonne eine Ablenkung erfahren würden, so dass eine schein­bare Vergrö­ßerung des Winkel­abstandes eines nahe an der Sonne erschei­nenden Fixsternes von fast „einer” Bogen­sekunde zu beobachten sein müsste.

In seinen Über­legungen war Einstein auch auf weitere Aspekte der Gravita­tion gestoßen. Wegen der Komplexi­tät des Sach­verhalts konnte sich Einstein in der nach­folgenden Abhandlung aber nur auf das Wesent­liche beziehen. Dennoch würde es dem Betrachter die Möglich­keit geben, selbst Rück­schlüsse zu ziehen. Einstein war sich zum damaligen Zeit­punkt bewusst, dass die abge­leiteten Beziehungen selbst bei Bestä­tigung durch Astronomen nur in erster Näherung gültig wären.




Hypothese über die physikalische Natur des Gravitationsfeldes

Zunächst fragte sich Einstein, wie ein Gravita­tions­feld beschaf­fen sein müsste, um seiner Theorie zu genügen. Er betrach­tete in Gedanken zwei Koordinaten­systeme, von dem sich eines in einem Schwere­feld befindet, wogegen das andere „ohne” Schwere­feld wäre.

In einem homogenen Schwere­feld mit einer Schwere­beschleu­nigung γ befände sich zudem ein ruhendes Koordinaten­system K, welches so orien­tiert sei, dass die Kraft­linien des Schwere­feldes in Richtung der negativen z-Achse verlaufen. In einem von Gravita­tions­feldern freien Raum befände sich ein zweites Koordinaten­system K', das in Richtung seiner positiven z-Achse eine gleich­förmig beschleu­nigte Bewegung mit einer Beschleu­nigung γ ausführe. Grund­lage für die weitere Betrach­tung sollten die Gesetze der Kinematik und der Mechanik bilden.

Nun sollten sich relativ zum System K und relativ zum System K' punktförmige Massen bewegen, die keinen Gravita­tions­wechsel­wirkungen ausgesetzt seien. Dann würden sich für die Beschleu­nigung folgende Gleichungen ergeben:

Diese Beziehungen lassen sich für das beschleu­nigte System K' direkt aus dem Galileischen Prinzip ableiten. Dagegen ergibt sich für das in einem homo­genen Gravita­tions­feld ruhende System K aus der Erfah­rung, dass in einem solchen Feld alle Körper gleich stark und gleich­mäßig beschleu­nigt werden. Obwohl uns die Natur lehrt, dass alle Körper im Gravita­tions­feld gleich schnell fallen und eines der funda­mentalsten Gesetze ist, hatte dieses Gesetz das physika­lische Welt­bild zur Zeit Einsteins noch nicht nach­haltig geprägt.

Erkennt man diese Natur­beobach­tung jedoch an, gelangt man zu einer sehr befrie­digenden Inter­pretation, nämlich, dass die Systeme K und K' physika­lisch genau gleich­wertig sind. Das heißt, man kann davon aus­gehen, dass sich das System K letztlich eben­falls in einem von einem Schwere­feld freien Raum befin­det. Und man müsste das System K als gleich­förmig beschleu­nigt betrach­ten. Einstein gab den Hinweis, dass man bei dieser Gleich­setzung ebenso wenig von der „absoluten Beschleu­nigung” des Bezugs­systems sprechen könne, wie man nach der Allge­meinen Relativi­täts­theorie von der „absoluten Geschwin­dig­keit” eines Systems reden könne.

Einstein war sich bewusst, dass man ein belie­biges Schwere­feld nicht durch einen Bewegungs­zustand des Systems ohne Gravita­tions­feld ersetzen kann, ebenso wenig, wie man durch eine Relativi­täts­trans­formation alle Punkte eines beliebig bewegten Mediums in einen Ruhe­zustand trans­formieren kann.

Man kann also die gleiche Fall­beschleu­nigung in einem Gravita­tions­feld als selbst­verständ­lich ansehen. Solange man sich auf rein mecha­nische Vor­gänge aus dem Gültig­keits­bereich von Newtons Mechanik beschränkt, kann man sich der Gleich­wertig­keit der Systeme K und K' sicher sein. Die Über­legungen werden nur dann tiefere Bedeu­tung haben, wenn die Systeme K und K' in Bezug auf alle physika­lischen Vor­gänge gleich­wertig sind. Das heißt, wenn die Natur­gesetze in Bezug auf das System K mit denen im System K' voll­kommen über­ein­stimmen. Würden wir dies nach Einsteins Worten anneh­men, erhalten wir ein Prinzip, das, falls es wirk­lich zutrifft, eine große heuris­tische Bedeutung besitzt. Denn man erhält durch die theore­tische Betrachtung der Vor­gänge, die sich relativ zu einem gleich­förmig beschleu­nigten Bezugs­system abspielen, Aufschluss über den Verlauf der Vor­gänge in einem homogenen Gravita­tions­feld. Einstein gibt den Hinweis, dass dieses hier in Betracht kommende Gravita­tions­feld nur in erster Annähe­rung homogen ist.

In den nächsten Absätzen wollte Einstein zunächst zeigen, inwie­fern seine Hypo­these aus Sicht der Allge­meinen Relativi­täts­theorie an Wert gewinnt.




Über die Schwere der Energie

Die Relativitäts­theorie hatte ergeben, dass die träge Masse eines Körpers mit dem Energie­inhalt desselben wächst. Beträgt der Energie­zuwachs beispiels­weise E, so ist der Zuwachs an träger Masse gleich E/c², wobei c die Licht­geschwin­dig­keit bedeutet. Nun stellt sich Frage, ent­spricht diesem Zuwachs an träger Masse auch ein Zuwachs an gravita­tiver Masse? Wenn das nicht zutrifft, so schluss­folgerte Einstein, fiele ein Körper in demselben Schwere­feld mit verschie­dener Beschleu­nigung je nach dem Energie­inhalt des Körpers. In diesem Fall könnte die Schluss­folgerung der Relativi­täts­theorie, nach welcher die Aussage von der Erhal­tung der Masse mit der Aussage von der Erhal­tung der Energie gleich­bedeutend ist, nicht aufrecht erhalten werden. Denn dann müsste man die Aussage von der Erhaltung der Masse für die „träge” Masse aufgeben, dagegen für die gravita­tive Masse aufrecht­erhalten.

Einstein betrachtete dies als sehr unwahr­scheinlich. Anderer­seits liefert die Allge­meine Relativi­täts­theorie kein Argument, aus dem man schluss­folgern könnte, dass das Gewicht eines Körpers von dessen Energie­inhalt abhängt. Einstein wollte nun zeigen, dass seine Hypo­these von der Äquivalenz der Systeme K und K' die Schwere der Energie als notwendige Konsequenz liefert.

Einstein schlägt folgendes Gedankenexperiment vor:

Abb. 2

Es befinden sich zwei mit Messinstru­menten versehene Körper­systeme S₁ und S₂, in einem Abstand h auf der z-Achse im Koordinaten­system K. Im Verhält­nis zum Abstand seien diese beiden Körper­systeme unend­lich klein. Außer­dem sei das Gravita­tions­potential in S₂ um den Wert γ · h größer, als das im Körper­system S₁. Während also beide Körper­systeme eine Beschleu­nigung auf der z-Achse erfahren, wird jetzt von S₂ nach S₁ eine bestimmte Energie­menge E in Form von Strahlung ausge­sendet. Die Energie­mengen sollen dann in beiden Körper­systemen mit besagten Mess­instru­menten gemessen werden. Der Mess­vorgang sollte irgendwo auf der z-Achse statt­finden, und die Mess­ergeb­nisse sollten voll­kommen gleich sein. Laut Einstein lässt über den Vor­gang dieser Energie­über­tragung durch Strahlung grund­sätzlich nichts aussagen, weil man den Einfluss des Schwere­feldes auf die Strahlung und die Mess­instrumente in S₁ und S₂ noch nicht kannte.

Da aber zuvor voraus­gesetzt wurde, dass die Koordi­naten­systeme K und K' äquiva­lent sind, kann an Stelle des im homo­genen Schwere­feld befind­lichen Koordi­naten­systems K das schwere­freie, auf der z-Achse in positive Richtung gleich­förmig beschleu­nigt bewegte Koordi­naten­system K' gesetzt werden. Die Körper­systeme S₁ und S₂ seien auch hier mit der z-Achse des Koordi­naten­systems K' fest verbunden.

Den Vorgang der Energie­über­tragung durch Strahlung von S₁ und S₂ wird nun von einem dritten Koordi­naten­system K₀ aus beurteilt, wobei dieses Koordi­naten­system beschleu­nigungs­frei sei. In Bezug auf K₀ besitzt K' in dem Augen­blick, in welchem die Strahlungs­energie E₂ von S₂ gegen S₁ abgesendet wird, die Geschwin­dig­keit Null. Die Strahlung wird in S₁ ankommen, wenn die Zeit h/c verstrichen ist (in erster Annäherung). In diesem Moment besitzt aber S₁ in Bezug auf K₀ die Geschwin­dig­keit v = γ · h/c. Deshalb besitzt nach der Allge­meinen Relativi­täts­theorie die in S₁ ankommende Strahlung nicht die Energie E₂, sondern eine größere Energie E₁, welche mit E₂ in erster Annähe­rung durch folgende Gleichung verknüpft ist:

Demnach müsste gemäß obiger Voraus­setzung die gleiche Beziehung, falls derselbe Vorgang in dem nicht beschleu­nigten, aber mit einem Gravita­tions­feld versehenen System K, statt­findet. In diesem Fall kann γ · h durch das Potential Φ des Gravita­tions­vektors im Körpersystem S₂ ersetzt werden, wenn die willkür­liche Konstante von Φ im Körper­system S₁ gleich Null gesetzt wird. Daraus ergibt sich die Gleichung:

Diese Gleichung ent­spricht laut Einstein dem Energie­satz.

Die in S₁ ankommende Energie E₁ ist größer als die mit dem gleichen Ver­fahren gemessene Energie E₂, die in S₂ emittiert wurde. Und zwar größer um den Wert aus der poten­tiellen Energie der Masse E₂/c² im Schwere­feld. Es zeigt sich also, dass man, um das Energie­prinzip weiterhin zu erfüllen, der Anfangs­energie E vor ihrer Aus­sendung vom Körper­system S₂ eine potentielle Energie der Schwere zuschreiben muss, die der schweren Masse E/c² ent­spricht. Die Annahme der Äquivalenz von K und K' steigert also die zu Beginn dieses Unter­themas erwähnte Schwierig­keit, welche die Allge­meine Relativi­täts­theorie bestehen lässt.

Besonders deutlich zeigt sich der Sinn dieses Ergeb­nisses bei der Betrach­tung eines Kreis­prozesses. Einstein beschreibt im Nach­folgenden 5 Schritte:

  1. Zunächst sendet man die Energie E, die im Körper­system S₂ gemessen wurde, in Form von Strahlung ausgehend von S₂ nach S₁, wo nach dem zuvor Beschrie­benen die Energie E · (1 + γ · h/c²) aufge­nommen wird, so wie sie auch in S₁ gemessen wird.

  2. Als nächstes senkt man einen Körper W von der Masse M von S₂ nach S₁, wobei die Arbeit M · γ · h nach außen abge­geben wird.

  3. Nun überträgt man die Energie E von S₁ auf den Körper W, während sich der Körper W in S₁ befindet. Dadurch ändert sich die schwere Masse M, so dass sie jetzt den Wert M' erhält.

  4. Anschließend hebt man den Körper W wieder nach S₂, wobei nun die Arbeit M' · γ · h aufzu­wenden ist.

  5. Zum Schluss überträgt man die Energie E vom Körper W wieder auf das Körper­system S₂.


Der Effekt dieses Kreis­prozesses besteht einzig und allein darin, dass das Körper­system S₁ einen Energie­zuwachs E ·· h/c²) voll­zogen hat, und dass diesem System die Energie­menge ...

... in Form von mechan­ischer Arbeit zuge­führt wurde. Nach dem Energie­prinzip ergibt sich also:

Nach Kürzen erhält man:

Der Zuwachs an schwerer Masse ist demnach gleich E /c², bzw. es ent­spricht dem aus der Relativi­täts­theorie sich erge­benden Zuwachs an träger Masse.

Noch unmittelbarer ergibt sich das Resultat aus der Äquivalenz der Systeme K und K', nach der die schwere Masse in Bezug auf K der trägen Masse in Bezug auf K' voll­kommen gleich ist. Als Schluss­folgerung muss deshalb die Energie eine „schwere” Masse besitzen, die ihrer trägen Masse gleich ist. Hängt man beispiels­weise im System K' eine Masse M₀ an einer Feder­waage auf, so wird die Waage wegen der Träg­heit von M₀, das schein­bare Gewicht M₀ · γ anzeigen. Über­trägt man die Energie­menge E auf M₀, so wird die Feder­waage nach dem Trägheits­satz (M₀ + E/c²) · γ anzeigen. Nach der eingangs präzisierten Grund­annahme muss dasselbe Ergebnis heraus­kommen, wenn man diesen Versuch im System K, sprich im Gravita­tions­feld wiederholt.




Zeit und Lichtgeschwindigkeit im Schwerefeld

Einstein ent­wickelt diesen Gedanken­gang weiter, indem er jetzt die Zeit und Licht­geschwin­dig­keit auf das Schwere­feld bezieht. Hierzu nimmt er zwei baugleiche Uhren mit einer bestimmten Frequenz in sein Gedanken­experiment mit auf.

Wenn die im gleich­förmig beschleu­nigten Bezugs­system K' in S₂ gegen S₁ emittierte Strahlung mit Bezug auf die in S₂ befind­liche Uhr die Frequenz v₂ besaß, so besitzt sie in Bezug auf S₁ bei ihrer Ankunft in S₁ in Bezug auf die in S₁ befind­liche gleich beschaffene Uhr nicht mehr die Frequenz v₂ sondern eine größere Frequenz v₁, und zwar in der Form, dass in erster Annähe­rung gilt (2):

Führt man nämlich wieder das beschleu­nigungs­freie Bezugs­system K₀ ein, relativ zu welchem K' zur Zeit der Licht­aus­sendung keine Geschwin­dig­keit besitzt, so hat S₁ in Bezug auf K₀ zur Zeit der Ankunft der Strahlung in S₁ die Geschwin­dig­keit γ · (h/c), woraus sich die ange­gebene Beziehung aufgrund des Dopplerschen Prinzips unmittel­bar ergibt.

Nach Einsteins Voraus­setzung von der Äquivalenz der Systeme K und K' gilt diese Gleichung auch für das ruhende, mit einem gleich­förmigen Schwere­feld versehene Koordi­naten­system K, falls in diesem die geschilderte Strahlungs­über­tragung statt­findet. Es ergibt sich also, dass ein bei bestimm­tem Schwere­potential in S₂ emittierter Licht­strahl, der bei seiner Emission − mit einer in S₂ befind­lichen Uhr verglichen − die Frequenz v₂ besitzt, bei seiner Ankunft in S₁ eine andere Frequenz v₁ besitzt, falls letztere mittels einer in S₁ befind­lichen gleich­artigen Uhr gemessen wird.

Einstein ersetzt jetzt γ · h durch das Schwere­potential Φ von S₂ in Bezug auf S₁ als Null­punkt und setzt voraus, dass die für das homogene Gravita­tions­feld abge­leitete Beziehung auch für anders gestaltete Felder gilt. Aus dieser Über­legung ergibt sich (2a):

Dieses, nach Einsteins Ableitung in erster Nähe­rung gültige Resultat, lässt sich nach seinen Worten zunächst wie folgt anwenden: Es sei v₀ die Schwin­gungs­zahl eines elemen­taren Licht­erzeugers (Lichtquelle), gemessen mit einer an dem­selben Ort gemes­senen Uhr U. Diese Schwin­gungs­zahl ist dann unabhängig davon, wo der Licht­erzeuger samt der Uhr aufge­stellt wird. Man könnte sich beide z.B. in der Nähe der Sonnen­oberfläche denken (dort befände sich das System S₂). Von dem dort emittierten Licht gelangt ein Teil zur Erde (S₁), wo sich mit einer Uhr U von gleicher Bauart, wie die zuvor beschriebene, die Frequenz v des ankommenden Lichts messen lässt. Dann ergibt sich aus vorheriger Beziehung:

Wobei Φ die (negative) Gravita­tions­potential­differenz zwischen Sonnen­ober­fläche und Erde bedeutet. Nach Einsteins Auf­fassung müssen also die Spektral­linien des Sonnen­lichts gegen­über den entspre­chenden Spektral­linien irdischer Licht­quellen etwas nach Rot verschoben sein, und zwar um den relativen Betrag:

Einstein war davon überzeugt, wenn die Bedingungen, unter denen die Sonnen­strahlen ent­stehen, genau bekannt wären, ließe sich diese Verschie­bung durch eine Messung nachweisen. Da aber ander­weitige Ein­flüsse, wie Druck und Tempe­ratur die Lage des Schwer­punktes der Spektral­linien beein­flussen würden, sei es nach Einsteins Worten schwer vorher­zusagen, ob der hier abge­leitete Ein­fluss des Gravita­tions­potentials wirklich existiert.

An dieser Stelle bezieht sich Einstein auf L. F. Jewell, Ch. Fabry und H. Boisson, die in deren Abhand­lungen der­artige Verschie­bungen feiner Spektral­linien nach dem roten Ende des Spektrums, von Einsteins berech­neten Größen­ordnung tatsäch­lich vorher­gesagt hatten, aber diese einer Wirkung des Druckes in der absorbie­renden Schicht zuge­schrieben hätten.

Bei oberflächlicher Betrach­tung scheinen beide obigen Glei­chungen (2) bzw. (2a) eine Absurdität auszu­sagen. Wie kann bei gleichbleibender Licht­über­tragung von S₂ nach S₁, in S₁ eine andere Anzahl von Perioden pro Sekunde ankommen, als in S₂ emittiert wird? Einsteins Begründung lautet, wir können v₂ bzw. v₁ nicht als Frequenzen schlecht hin, also als Anzahl Perioden pro Sekunde ansehen, weil eine Zeit im System K noch nicht festgelegt wurde. Die Frequenz v₂ bedeutet die Anzahl Perioden, bezogen auf die Zeit­einheit der Uhr U in S₂, die Frequenz v₁ dagegen die Anzahl Perioden, bezogen auf die Zeit­einheit der gleich beschaf­fenen Uhr U in S₁.

Aus Einsteins Sicht zwingt uns nichts zu der Annahme, dass die in verschie­denen Gravita­tions­potentialen befind­lichen Uhren U als gleich rasch gehend aufge­fasst werden müssen. Dagegen müsste die Zeit in K so definiert werden, dass die Anzahl der Wellen­berge und Wellen­täler, die sich zwischen S₂ und S₁ befinden, von dem Absolutwert der Zeit unab­hängig ist. Weil der in Betracht gezogene Prozess naturgemäß ein stationärer ist. Würde man diese Bedingung nicht erfüllen, so erhielte man eine Zeit­definition, bei deren Anwen­dung die Zeit explizit in die Natur­gesetze einginge, was nach Einsteins Empfinden sicher unnatürlich und unzweck­mäßig wäre.

Die Uhren in S₁ und S₂ geben nach Einsteins Schluss­folgerung also nicht beide die „Zeit” richtig an. Messen wir die Zeit in S₁ mit der Uhr U, so müssen wir die Zeit in S₂ mit einer Uhr messen, die 1 + Φ /c² langsamer läuft als die Uhr U, falls sie mit der Uhr U an derselben Stelle verglichen wird. Denn mit einer solchen Uhr gemessen ist die Frequenz des oben betrach­teten Licht­strahls bei seiner Aussendung in S₂ (siehe 2a):

Somit ist die Frequenz gleich der Frequenz v₁ desselben Licht­strahls bei dessen Ankunft in S₁.

Für Einstein ergibt sich hieraus für diese Theorie eine Konsequenz von fundamen­taler Bedeutung. Misst man nämlich in dem beschleu­nigten, gravita­tions­feld­freien System K' an verschie­denen Orten die Licht­geschwin­dig­keit unter Benutzung gleich­artiger Uhren U, so erhält man über­all dieselbe Größe. Dasselbe gilt nach vor­liegender Grund­annahme auch für das System K. Damit das aber mit dem oben Erwähnten konsistent ist, muss man sich an Stellen mit unter­schied­lichen Gravita­tions­potentialen auch verschieden beschaf­fener Uhren zur Zeit­messung bedienen.

Wir müssen also zur Zeit­messung an einem Ort, der relativ zum Koordi­naten­ursprung das Gravita­tions­potential Φ besitzt, eine Uhr ver­wenden, die aus Sicht des Koordi­naten­ursprungs, 1 + Φ/c² lang­samer läuft als jene Uhr, mit welcher am Koordi­naten­ursprung selbst die Zeit gemessen wird. Nennen wir c₀ die Licht­geschwin­dig­keit im Koordi­naten­anfangs­punkt, so ergibt sich für die Licht­geschwin­dig­keit c in einem Orte vom Gravita­tions­potential Φ folgende Beziehung:

(Diese Beziehung wurde später gering­fügig korrigiert.)

Einstein gibt an dieser Stelle einen wichtigen Hinweis:

Das Prinzip von der Konstanz der Licht­geschwin­dig­keit gilt nach dieser Theorie nicht in derjenigen Fassung, wie es der Allge­meinen Relativi­täts­theorie zugrunde gelegt zu werden pflegt.




Krümmung der Lichtstrahlen im Gravitationsfeld

Aus dem vorherigen Betrachtung, nämlich dass die Licht­geschwin­dig­keit im Schwere­feld eine Funktion des Ortes ist, lässt sich leicht mittels des Huygens-Fresnelschen Prinzips schließen, dass sich quer zu einem Schwere­feld fort­pflanzende Licht­strahlen eine Krümmung erfahren müssen.

Gekrümmte Licht­strahlen erinnerten Einstein an das nach dem holländischen Physiker Huygens benannte Prinzip, dass sich Licht stets den schnellsten Weg sucht, und nicht wie man zunächst meinen würde, den kürzesten. Damit erklärt sich zum Beispiel die Fähig­keit von Linsen, Licht­strahlen abzu­lenken und zu bündeln.

Galaxien­haufen etwa, die erst Jahr­zehnte später entdeckt wurden, scheinen beispiels­weise das Licht auf diese Weise zu bündeln ähnlich wie Sammel­linsen. Die Astronomen nennen sie heute „Gravitations­linsen”, ohne dass ihnen oftmals der unmittel­bare Zusammen­hang zu Einsteins Idee der variablen Licht­geschwin­dig­keit bewusst ist.

Um die Krümmung der Licht­strahlen zu verdeut­lichen, bediente sich Einstein einer Ebene. Gegeben sei eine Ebene ε mit gleicher Phase einer ebenen Licht­welle zur Zeit t. Des Weiteren seien P₁ und P₂ zwei Punkte in der Ebene, welche den Abstand 1 besitzen. Die Punkte P₁ und P₂ liegen so in der Papier­ebene, dass der in der Richtung ihrer Normale genommene Differential­quotient von Φ, und demnach auch von c ver­schwindet. Die entspre­chende Ebene gleicher Phase bzw. deren Schnitt mit der Papierebene, zu der Zeit t + dt erhält man, indem um die Punkte P₁ und P₂ mit den Radien c₁ · dt bzw. c₂ · dt Kreise gewogen werden und an diese eine Tangente anlegt wird, wobei c₁ bzw. c₂ die Licht­geschwin­dig­keit in den Punkten P₁ bzw. P₂ bedeutet. Der Krümmungs­winkel des Licht­strahls auf dem Wege c · dt ist demnach wie folgt definiert:

Wobei der Krümmungs­winkel einen positiven Wert erhält, wenn der Licht­strahl nach der Seite der wachsenden n' hin gekrümmt wird.

Abb. 3

Der Krümmungs­winkel pro Weg­einheit des Licht­strahls ist also:

... oder bezug­nehmend auf (3) ergibt sich:

Abschließend erhält man mit dem Ablenkungs­winkel α, der beschreibt wie ein Licht­strahl auf einem beliebigen Wege (s) nach der Seite n' abgelenkt wird, den Ausdruck (4):

Dasselbe Resultat hätte man nach Einsteins Worten durch eine unmittel­bare Betrach­tung der Aus­breitung eines Licht­strahls in dem gleich­förmig beschleu­nigten System K' erhalten können. Und wenn man das Resultats auf das System K über­tragen hätte, sowie weiter auf die Situation, dass das Gravita­tions­feld beliebig gestaltet ist.

Nach Gleichung (4) vollzieht ein an einem Himmels­körper vorbei­gehender Licht­strahl eine Ablenkung, in Richtung der Seite des sinkenden Gravita­tions­potentials, also nach der dem Himmelskörper zugewandten Seite von der Größe:


k    ist die Gravitationskonstante
M   ist die Masse des Himmelskörpers
Δ    ist der Abstand des Lichtstrahls vom Mittelpunkt des Himmelskörpers

Ein an der Sonne vorbei­gehender Licht­strahl voll­zieht demnach eine Ablenkung in der Größen­ordnung von 4 · 10−6 = 0,83 Bogen­sekunden. (Hier hatte sich Einstein um den Faktor 2 ver­rechnet.)

Abb. 4

Um diesen Betrag erscheint die Winkel­distanz des Sternes vom Sonnen­mittelpunkt durch die Krümmung des Strahls vergrößert. Da die Fix­sterne an der der Sonne zugewandten Himmels­partien bei totalen Sonnen­finster­nissen sichtbar werden, stimmt diese Schluss­folgerung der Theorie mit der Realität über­ein. Beim Planeten Jupiter erreicht die zu erwartende Verschie­bung etwa 1 /100 des angegebenen Betrags.

Einstein wünschte sich, dass sich Astronomen der hier aufge­worfenen Frage annähmen, auch wenn seine Über­legungen noch nicht aus­reichend fundiert seien oder gar abenteuer­lich erscheinen sollten. Denn abgesehen von jeder Theorie muss man sich fragen, ob sich mit den zur Zeit Einsteins zur Verfügung stehenden Mittel ein Einfluss der Gravita­tions­felder auf die Ausbreitung des Lichts hätte vorhersagen lassen.





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