Abb. 1: Albert Einstein
(Ferdinand Schmutzer − gemeinfrei)
Der Titel dieser Abhandlung stammt von keinem geringeren als Albert Einstein. Er hatte sich bereits 1911 mit der Frage beschäftigt, ob es eine „variable” Lichtgeschwindigkeit gibt. Leider haben sich nur wenige Wissenschaftler mit dieser Überlegung nachhaltig beschäftigt. Für sie widerspräche es der Allgemeinen Relativitätstheorie, obwohl ironischer Weise beide Formulierungen von Albert Einstein angestoßen wurden. Erstere hätte revolutionäre Konsequenzen haben können.
Besonders bekannt sind die Spezielle und die Allgemeine Relativitätstheorie, die er 1905 bzw. 1915 endgültig formulierte. Doch was nur wenigen bewusst ist, Einstein hatte zwar seine Spezielle Relativitätstheorie auf der Grundlage einer konstanten Lichtgeschwindigkeit hergeleitet, grübelte aber bald danach über einer allgemeingültigen Formulierung. Denn was für Bewegungen nahe der Lichtgeschwindigkeit gilt, konnte auch für Gravitationsfelder gelten. Einsteins Ansatz hätte es prinzipiell ermöglicht, eine fundamentale Naturkonstante, nämlich Newtons Gravitationskonstante, zu berechnen und damit überflüssig zu machen.
Die Frage, ob die Ausbreitung des Lichts durch die Schwere beeinflusst wird, hatte Einstein bereits 3 Jahre zuvor im Jahre 1908 in einer Abhandlung zu beantworten versucht. Aber nach seinen Worten haben ihn seine ersten Überlegungen nicht befriedigt. Außerdem wäre man inzwischen in der Lage durch Experimente seine Theorie zu überprüfen. Im gleichen Jahr hatte er sogar das „Äquivalenzprinzip” formuliert, bei der die schwere und die träge Masse eines Körpers zwei äquivalente Größen sind.
Einstein erkannte, dass es unmöglich war zu unterscheiden, ob man im schwerelosen Weltraum von einer beschleunigenden Kraft angetrieben wird oder ob diese Kraft von einem gewöhnlichen Gravitationsfeld herrührt. Deshalb folgerte Einstein, dass auch Lichtstrahlen in einem Gravitationsfeld eine „Krümmung” erfahren mussten. Diese Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie, wurde inzwischen durch zahlreiche Untersuchungen bestätigt. Heute spricht man zwar lieber von einer „geraden” Lichtausbreitung in einem gekrümmten Raum, aber beides ist mathematisch äquivalent. Beschäftigen wir uns nun etwas näher mit seiner revolutionären Idee.
Einsteins Auffassung nach müsste man beobachten können, dass Lichtstrahlen, die in der Nähe der Sonne vorbeigehen, durch das Gravitationsfeld der Sonne eine Ablenkung erfahren würden, so dass eine scheinbare Vergrößerung des Winkelabstandes eines nahe an der Sonne erscheinenden Fixsternes von fast „einer” Bogensekunde zu beobachten sein müsste.
In seinen Überlegungen war Einstein auch auf weitere Aspekte der Gravitation gestoßen. Wegen der Komplexität des Sachverhalts konnte sich Einstein in der nachfolgenden Abhandlung aber nur auf das Wesentliche beziehen. Dennoch würde es dem Betrachter die Möglichkeit geben, selbst Rückschlüsse zu ziehen. Einstein war sich zum damaligen Zeitpunkt bewusst, dass die abgeleiteten Beziehungen selbst bei Bestätigung durch Astronomen nur in erster Näherung gültig wären.
Zunächst fragte sich Einstein, wie ein Gravitationsfeld beschaffen sein müsste, um seiner Theorie zu genügen. Er betrachtete in Gedanken zwei Koordinatensysteme, von dem sich eines in einem Schwerefeld befindet, wogegen das andere „ohne” Schwerefeld wäre.
In einem homogenen Schwerefeld mit einer Schwerebeschleunigung γ
befände sich zudem ein ruhendes Koordinatensystem K, welches so
orientiert sei, dass die Kraftlinien des Schwerefeldes in Richtung der negativen
Nun sollten sich relativ zum System K und relativ zum System K' punktförmige Massen bewegen, die keinen Gravitationswechselwirkungen ausgesetzt seien. Dann würden sich für die Beschleunigung folgende Gleichungen ergeben:
Diese Beziehungen lassen sich für das beschleunigte System K' direkt aus dem Galileischen Prinzip ableiten. Dagegen ergibt sich für das in einem homogenen Gravitationsfeld ruhende System K aus der Erfahrung, dass in einem solchen Feld alle Körper gleich stark und gleichmäßig beschleunigt werden. Obwohl uns die Natur lehrt, dass alle Körper im Gravitationsfeld gleich schnell fallen und eines der fundamentalsten Gesetze ist, hatte dieses Gesetz das physikalische Weltbild zur Zeit Einsteins noch nicht nachhaltig geprägt.
Erkennt man diese Naturbeobachtung jedoch an, gelangt man zu einer sehr befriedigenden Interpretation, nämlich, dass die Systeme K und K' physikalisch genau gleichwertig sind. Das heißt, man kann davon ausgehen, dass sich das System K letztlich ebenfalls in einem von einem Schwerefeld freien Raum befindet. Und man müsste das System K als gleichförmig beschleunigt betrachten. Einstein gab den Hinweis, dass man bei dieser Gleichsetzung ebenso wenig von der „absoluten Beschleunigung” des Bezugssystems sprechen könne, wie man nach der Allgemeinen Relativitätstheorie von der „absoluten Geschwindigkeit” eines Systems reden könne.
Einstein war sich bewusst, dass man ein beliebiges Schwerefeld nicht durch einen Bewegungszustand des Systems ohne Gravitationsfeld ersetzen kann, ebenso wenig, wie man durch eine Relativitätstransformation alle Punkte eines beliebig bewegten Mediums in einen Ruhezustand transformieren kann.
Man kann also die gleiche Fallbeschleunigung in einem Gravitationsfeld als selbstverständlich ansehen. Solange man sich auf rein mechanische Vorgänge aus dem Gültigkeitsbereich von Newtons Mechanik beschränkt, kann man sich der Gleichwertigkeit der Systeme K und K' sicher sein. Die Überlegungen werden nur dann tiefere Bedeutung haben, wenn die Systeme K und K' in Bezug auf alle physikalischen Vorgänge gleichwertig sind. Das heißt, wenn die Naturgesetze in Bezug auf das System K mit denen im System K' vollkommen übereinstimmen. Würden wir dies nach Einsteins Worten annehmen, erhalten wir ein Prinzip, das, falls es wirklich zutrifft, eine große heuristische Bedeutung besitzt. Denn man erhält durch die theoretische Betrachtung der Vorgänge, die sich relativ zu einem gleichförmig beschleunigten Bezugssystem abspielen, Aufschluss über den Verlauf der Vorgänge in einem homogenen Gravitationsfeld. Einstein gibt den Hinweis, dass dieses hier in Betracht kommende Gravitationsfeld nur in erster Annäherung homogen ist.
In den nächsten Absätzen wollte Einstein zunächst zeigen, inwiefern seine Hypothese aus Sicht der Allgemeinen Relativitätstheorie an Wert gewinnt.
Die Relativitätstheorie hatte ergeben, dass die träge Masse eines Körpers mit dem Energieinhalt desselben wächst. Beträgt der Energiezuwachs beispielsweise E, so ist der Zuwachs an träger Masse gleich E/c², wobei c die Lichtgeschwindigkeit bedeutet. Nun stellt sich Frage, entspricht diesem Zuwachs an träger Masse auch ein Zuwachs an gravitativer Masse? Wenn das nicht zutrifft, so schlussfolgerte Einstein, fiele ein Körper in demselben Schwerefeld mit verschiedener Beschleunigung je nach dem Energieinhalt des Körpers. In diesem Fall könnte die Schlussfolgerung der Relativitätstheorie, nach welcher die Aussage von der Erhaltung der Masse mit der Aussage von der Erhaltung der Energie gleichbedeutend ist, nicht aufrecht erhalten werden. Denn dann müsste man die Aussage von der Erhaltung der Masse für die „träge” Masse aufgeben, dagegen für die gravitative Masse aufrechterhalten.
Einstein betrachtete dies als sehr unwahrscheinlich. Andererseits liefert die Allgemeine Relativitätstheorie kein Argument, aus dem man schlussfolgern könnte, dass das Gewicht eines Körpers von dessen Energieinhalt abhängt. Einstein wollte nun zeigen, dass seine Hypothese von der Äquivalenz der Systeme K und K' die Schwere der Energie als notwendige Konsequenz liefert.
Einstein schlägt folgendes Gedankenexperiment vor:
Abb. 2
Es befinden sich zwei mit Messinstrumenten versehene Körpersysteme
S₁ und S₂, in einem Abstand
h auf der z-Achse im Koordinatensystem
K. Im Verhältnis zum Abstand seien diese beiden
Körpersysteme unendlich klein. Außerdem sei das Gravitationspotential
in S₂ um den Wert
Da aber zuvor vorausgesetzt wurde, dass die Koordinatensysteme K
und K' äquivalent sind, kann an Stelle des im homogenen
Schwerefeld befindlichen Koordinatensystems K das
schwerefreie, auf der
Den Vorgang der Energieübertragung durch Strahlung von S₁
und S₂ wird nun von einem dritten Koordinatensystem
K₀ aus beurteilt, wobei dieses Koordinatensystem
beschleunigungsfrei sei. In Bezug auf K₀ besitzt
K' in dem Augenblick, in welchem die Strahlungsenergie
E₂ von S₂ gegen S₁
abgesendet wird, die Geschwindigkeit Null. Die Strahlung wird
in S₁ ankommen, wenn die Zeit h/c
verstrichen ist (in erster Annäherung). In diesem Moment besitzt aber S₁
in Bezug auf K₀ die Geschwindigkeit
Demnach müsste gemäß obiger Voraussetzung die gleiche Beziehung, falls
derselbe Vorgang in dem nicht beschleunigten, aber mit einem Gravitationsfeld
versehenen System K, stattfindet. In diesem Fall kann
Diese Gleichung entspricht laut Einstein dem Energiesatz.
Die in S₁ ankommende Energie E₁
ist größer als die mit dem gleichen Verfahren gemessene Energie
E₂, die in S₂ emittiert wurde.
Und zwar größer um den Wert aus der potentiellen Energie der Masse
Besonders deutlich zeigt sich der Sinn dieses Ergebnisses bei der Betrachtung eines Kreisprozesses. Einstein beschreibt im Nachfolgenden 5 Schritte:
- Zunächst sendet man die Energie E, die im Körpersystem
S₂ gemessen wurde, in Form von Strahlung ausgehend von
S₂ nach S₁, wo nach dem zuvor
Beschriebenen die Energie
E · (1 + γ · h/c²) aufgenommen wird, so wie sie auch in S₁ gemessen wird. - Als nächstes senkt man einen Körper W von der Masse
M von S₂ nach S₁,
wobei die Arbeit
M · γ · h nach außen abgegeben wird. - Nun überträgt man die Energie E von S₁ auf den Körper W, während sich der Körper W in S₁ befindet. Dadurch ändert sich die schwere Masse M, so dass sie jetzt den Wert M' erhält.
- Anschließend hebt man den Körper W wieder nach
S₂, wobei nun die Arbeit
M' · γ · h aufzuwenden ist. - Zum Schluss überträgt man die Energie E vom Körper W wieder auf das Körpersystem S₂.
Der Effekt dieses Kreisprozesses besteht einzig und allein darin, dass das
Körpersystem S₁ einen Energiezuwachs
... in Form von mechanischer Arbeit zugeführt wurde. Nach dem Energieprinzip ergibt sich also:
Nach Kürzen erhält man:
Der Zuwachs an schwerer Masse ist demnach gleich
Noch unmittelbarer ergibt sich das Resultat aus der Äquivalenz der Systeme K
und K', nach der die schwere Masse in Bezug auf K
der trägen Masse in Bezug auf K' vollkommen
gleich ist. Als Schlussfolgerung muss deshalb die Energie eine „schwere”
Masse besitzen, die ihrer trägen Masse gleich ist. Hängt man beispielsweise
im System K' eine Masse M₀ an einer
Federwaage auf, so wird die Waage wegen der Trägheit von M₀,
das scheinbare Gewicht M₀ · γ anzeigen.
Überträgt man die Energiemenge E auf
M₀, so wird die Federwaage nach dem Trägheitssatz
Einstein entwickelt diesen Gedankengang weiter, indem er jetzt die Zeit und Lichtgeschwindigkeit auf das Schwerefeld bezieht. Hierzu nimmt er zwei baugleiche Uhren mit einer bestimmten Frequenz in sein Gedankenexperiment mit auf.
Wenn die im gleichförmig beschleunigten Bezugssystem K' in S₂ gegen S₁ emittierte Strahlung mit Bezug auf die in S₂ befindliche Uhr die Frequenz v₂ besaß, so besitzt sie in Bezug auf S₁ bei ihrer Ankunft in S₁ in Bezug auf die in S₁ befindliche gleich beschaffene Uhr nicht mehr die Frequenz v₂ sondern eine größere Frequenz v₁, und zwar in der Form, dass in erster Annäherung gilt (2):
Führt man nämlich wieder das beschleunigungsfreie Bezugssystem
K₀ ein, relativ zu welchem K'
zur Zeit der Lichtaussendung keine Geschwindigkeit besitzt, so hat
S₁ in Bezug auf K₀ zur Zeit
der Ankunft der Strahlung in S₁ die Geschwindigkeit
Nach Einsteins Voraussetzung von der Äquivalenz der Systeme K und K' gilt diese Gleichung auch für das ruhende, mit einem gleichförmigen Schwerefeld versehene Koordinatensystem K, falls in diesem die geschilderte Strahlungsübertragung stattfindet. Es ergibt sich also, dass ein bei bestimmtem Schwerepotential in S₂ emittierter Lichtstrahl, der bei seiner Emission − mit einer in S₂ befindlichen Uhr verglichen − die Frequenz v₂ besitzt, bei seiner Ankunft in S₁ eine andere Frequenz v₁ besitzt, falls letztere mittels einer in S₁ befindlichen gleichartigen Uhr gemessen wird.
Einstein ersetzt jetzt
Dieses, nach Einsteins Ableitung in erster Näherung gültige Resultat, lässt sich nach seinen Worten zunächst wie folgt anwenden: Es sei v₀ die Schwingungszahl eines elementaren Lichterzeugers (Lichtquelle), gemessen mit einer an demselben Ort gemessenen Uhr U. Diese Schwingungszahl ist dann unabhängig davon, wo der Lichterzeuger samt der Uhr aufgestellt wird. Man könnte sich beide z.B. in der Nähe der Sonnenoberfläche denken (dort befände sich das System S₂). Von dem dort emittierten Licht gelangt ein Teil zur Erde (S₁), wo sich mit einer Uhr U von gleicher Bauart, wie die zuvor beschriebene, die Frequenz v des ankommenden Lichts messen lässt. Dann ergibt sich aus vorheriger Beziehung:
Wobei Φ die (negative) Gravitationspotentialdifferenz zwischen Sonnenoberfläche und Erde bedeutet. Nach Einsteins Auffassung müssen also die Spektrallinien des Sonnenlichts gegenüber den entsprechenden Spektrallinien irdischer Lichtquellen etwas nach Rot verschoben sein, und zwar um den relativen Betrag:
Einstein war davon überzeugt, wenn die Bedingungen, unter denen die Sonnenstrahlen entstehen, genau bekannt wären, ließe sich diese Verschiebung durch eine Messung nachweisen. Da aber anderweitige Einflüsse, wie Druck und Temperatur die Lage des Schwerpunktes der Spektrallinien beeinflussen würden, sei es nach Einsteins Worten schwer vorherzusagen, ob der hier abgeleitete Einfluss des Gravitationspotentials wirklich existiert.
An dieser Stelle bezieht sich Einstein auf L. F. Jewell, Ch. Fabry und H. Boisson, die in deren Abhandlungen derartige Verschiebungen feiner Spektrallinien nach dem roten Ende des Spektrums, von Einsteins berechneten Größenordnung tatsächlich vorhergesagt hatten, aber diese einer Wirkung des Druckes in der absorbierenden Schicht zugeschrieben hätten.
Bei oberflächlicher Betrachtung scheinen beide obigen Gleichungen (2) bzw. (2a) eine Absurdität auszusagen. Wie kann bei gleichbleibender Lichtübertragung von S₂ nach S₁, in S₁ eine andere Anzahl von Perioden pro Sekunde ankommen, als in S₂ emittiert wird? Einsteins Begründung lautet, wir können v₂ bzw. v₁ nicht als Frequenzen schlecht hin, also als Anzahl Perioden pro Sekunde ansehen, weil eine Zeit im System K noch nicht festgelegt wurde. Die Frequenz v₂ bedeutet die Anzahl Perioden, bezogen auf die Zeiteinheit der Uhr U in S₂, die Frequenz v₁ dagegen die Anzahl Perioden, bezogen auf die Zeiteinheit der gleich beschaffenen Uhr U in S₁.
Aus Einsteins Sicht zwingt uns nichts zu der Annahme, dass die in verschiedenen Gravitationspotentialen befindlichen Uhren U als gleich rasch gehend aufgefasst werden müssen. Dagegen müsste die Zeit in K so definiert werden, dass die Anzahl der Wellenberge und Wellentäler, die sich zwischen S₂ und S₁ befinden, von dem Absolutwert der Zeit unabhängig ist. Weil der in Betracht gezogene Prozess naturgemäß ein stationärer ist. Würde man diese Bedingung nicht erfüllen, so erhielte man eine Zeitdefinition, bei deren Anwendung die Zeit explizit in die Naturgesetze einginge, was nach Einsteins Empfinden sicher unnatürlich und unzweckmäßig wäre.
Die Uhren in S₁ und S₂ geben
nach Einsteins Schlussfolgerung also nicht beide die „Zeit” richtig an.
Messen wir die Zeit in S₁ mit der Uhr U,
so müssen wir die Zeit in S₂ mit einer Uhr messen, die
Somit ist die Frequenz gleich der Frequenz v₁ desselben Lichtstrahls bei dessen Ankunft in S₁.
Für Einstein ergibt sich hieraus für diese Theorie eine Konsequenz von fundamentaler Bedeutung. Misst man nämlich in dem beschleunigten, gravitationsfeldfreien System K' an verschiedenen Orten die Lichtgeschwindigkeit unter Benutzung gleichartiger Uhren U, so erhält man überall dieselbe Größe. Dasselbe gilt nach vorliegender Grundannahme auch für das System K. Damit das aber mit dem oben Erwähnten konsistent ist, muss man sich an Stellen mit unterschiedlichen Gravitationspotentialen auch verschieden beschaffener Uhren zur Zeitmessung bedienen.
Wir müssen also zur Zeitmessung an einem Ort, der relativ zum Koordinatenursprung
das Gravitationspotential Φ besitzt, eine Uhr verwenden,
die aus Sicht des Koordinatenursprungs,
(Diese Beziehung wurde später geringfügig korrigiert.)
Einstein gibt an dieser Stelle einen wichtigen Hinweis:
Das Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit gilt nach dieser Theorie nicht in derjenigen Fassung, wie es der Allgemeinen Relativitätstheorie zugrunde gelegt zu werden pflegt.
Aus dem vorherigen Betrachtung, nämlich dass die Lichtgeschwindigkeit im Schwerefeld eine Funktion des Ortes ist, lässt sich leicht mittels des Huygens-Fresnelschen Prinzips schließen, dass sich quer zu einem Schwerefeld fortpflanzende Lichtstrahlen eine Krümmung erfahren müssen.
Gekrümmte Lichtstrahlen erinnerten Einstein an das nach dem holländischen Physiker Huygens benannte Prinzip, dass sich Licht stets den schnellsten Weg sucht, und nicht wie man zunächst meinen würde, den kürzesten. Damit erklärt sich zum Beispiel die Fähigkeit von Linsen, Lichtstrahlen abzulenken und zu bündeln.
Galaxienhaufen etwa, die erst Jahrzehnte später entdeckt wurden, scheinen beispielsweise das Licht auf diese Weise zu bündeln ähnlich wie Sammellinsen. Die Astronomen nennen sie heute „Gravitationslinsen”, ohne dass ihnen oftmals der unmittelbare Zusammenhang zu Einsteins Idee der variablen Lichtgeschwindigkeit bewusst ist.
Um die Krümmung der Lichtstrahlen zu verdeutlichen, bediente sich Einstein
einer Ebene. Gegeben sei eine Ebene ε mit gleicher Phase einer
ebenen Lichtwelle zur Zeit t. Des Weiteren seien
P₁ und P₂ zwei Punkte in der Ebene,
welche den Abstand 1 besitzen. Die Punkte P₁
und P₂ liegen so in der Papierebene, dass der in der Richtung
ihrer Normale genommene Differentialquotient von Φ, und demnach
auch von c verschwindet. Die entsprechende Ebene gleicher
Phase bzw. deren Schnitt mit der Papierebene, zu der Zeit
Wobei der Krümmungswinkel einen positiven Wert erhält, wenn der Lichtstrahl nach der Seite der wachsenden n' hin gekrümmt wird.
Abb. 3
Der Krümmungswinkel pro Wegeinheit des Lichtstrahls ist also:
... oder bezugnehmend auf (3) ergibt sich:
Abschließend erhält man mit dem Ablenkungswinkel α, der beschreibt wie ein Lichtstrahl auf einem beliebigen Wege (s) nach der Seite n' abgelenkt wird, den Ausdruck (4):
Dasselbe Resultat hätte man nach Einsteins Worten durch eine unmittelbare Betrachtung der Ausbreitung eines Lichtstrahls in dem gleichförmig beschleunigten System K' erhalten können. Und wenn man das Resultats auf das System K übertragen hätte, sowie weiter auf die Situation, dass das Gravitationsfeld beliebig gestaltet ist.
Nach Gleichung (4) vollzieht ein an einem Himmelskörper vorbeigehender Lichtstrahl eine Ablenkung, in Richtung der Seite des sinkenden Gravitationspotentials, also nach der dem Himmelskörper zugewandten Seite von der Größe:
k ist die Gravitationskonstante
M ist die Masse des Himmelskörpers
Δ ist der Abstand des Lichtstrahls vom Mittelpunkt
des Himmelskörpers
Ein an der Sonne vorbeigehender Lichtstrahl vollzieht demnach eine Ablenkung
in der Größenordnung von
Abb. 4
Um diesen Betrag erscheint die Winkeldistanz des Sternes vom Sonnenmittelpunkt durch
die Krümmung des Strahls vergrößert. Da die Fixsterne an der der Sonne
zugewandten Himmelspartien bei totalen Sonnenfinsternissen sichtbar werden, stimmt
diese Schlussfolgerung der Theorie mit der Realität überein. Beim Planeten
Jupiter erreicht die zu erwartende Verschiebung etwa
Einstein wünschte sich, dass sich Astronomen der hier aufgeworfenen Frage annähmen, auch wenn seine Überlegungen noch nicht ausreichend fundiert seien oder gar abenteuerlich erscheinen sollten. Denn abgesehen von jeder Theorie muss man sich fragen, ob sich mit den zur Zeit Einsteins zur Verfügung stehenden Mittel ein Einfluss der Gravitationsfelder auf die Ausbreitung des Lichts hätte vorhersagen lassen.
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